Wie sind Sie durch die verrückten letzten 14 Monate gekommen?
Kat Menschik: Mein Freund und ich und unsere zwei Katzen haben das Jahr gut verbracht. Wir haben ein Häuschen in Dorfrandlage, rund 60 Kilometer von Berlin entfernt. Dazu können wir beide ohne Probleme von zu Hause aus arbeiten. Ein großes Glück, dessen sind wir uns bewusst.
Haben sie trotzdem etwas vermisst?
Menschik: Die Decke ist schön, aber jetzt beginnt sie, mir auf den Kopf zu fallen. Verstehen Sie? Der Input fehlt. Man braucht andere Bilder, andere Eindrücke. Die Freunde fehlen, die Möglichkeit, Kultur zu erleben. Ein wenig träumt man schon wieder vom Reisen: Neulich, an einem total grauen, verregneten Wochenende, haben wir uns ins Auto gesetzt und sind einfach losgefahren. Richtung Rheinsberg und wieder zurück – einfach so, um mal ein paar andere Dörfer zu sehen.
Was hat mehr geholfen – Ihr Garten oder das Lesen?
Menschik: Beides ist wichtig für mich. Der Garten hat natürlich Zeit beansprucht, daneben töpfere und tischlere ich einigermaßen regelmäßig. Aber ich bin tatsächlich wieder mehr zum Lesen gekommen in den letzten Monaten. Zumal ich mir verordnet habe, Netflix einfach mal bleiben zu lassen.
In welche Richtung geht Ihre Leselust? Gehören Sie zu denen, die jetzt endlich mal Prousts „Recherche“ durchgeackert haben?
Menschik: Im Gegenteil. Ich habe mich auf alle neuen Erzählungen und Romane gestürzt, die mir empfohlen wurden.
Wie haben Sie den Nachschub organisiert?
Menschik: Ich habe die Buchhandlungen meines Vertrauens angeschrieben, über geniallokal. Das Ocelotund Pankebuch, da bestelle ich eigentlich am meisten.
Sie haben gesagt, dass Sie in Corona-Zeiten sehr konzentriert arbeiten konnten. Wie muss man sich Ihren Arbeitsprozess vorstellen?
Menschik: Ich bin sehr diszipliniert; vor 21 Jahren – mit der Geburt meiner Tochter – habe ich mir Nachtarbeit abgewöhnt. Wenn ich für die Zeitung arbeite, bekomme ich einen Anruf, dann wird kurzfristig eine Illustration zu einem ganz speziellen Thema angefragt. Bei den Büchern ist alles etwas anders…
Seit 2016 gestalten Sie für Galiani die Reihe „Lieblingsbücher“…
Menschik: Das ist ein großes Glück, ich weiß gar nicht, ob es das irgendwo auf der Welt noch einmal gibt: Ich kann mir aussuchen, welche literarischen Texte ich illustrieren möchte. Wenn ich mich mit dem Verleger Wolfgang Hörner auf einen Titel geeinigt habe, ist die gestalterische Grundidee das Wichtigste. Beim „Illustrierten Thierleben“ war es die Entscheidung, alle Zeichnungen auf schwarzem Grund auszuführen, dadurch leuchten die Tierfiguren regelrecht. Die Idee hat mit dem Autor zu tun: Da Mark Benecke stark tätowiert ist und nur schwarz trägt, war das auch eine kleine Hommage an ihn. Zwischen den Tieren habe ich immer mal Tattoo-Motive untergebracht… (lacht). Wenn die Grundidee gut ist, trägt sie mich durchs ganze Buch. Allerdings kann es mitunter Wochen dauern, bis der Knoten platzt; dann denke ich beim Joggen oder Autofahren nur noch an Farben oder mögliche Seiten-Aufteilungen.
Wie läuft der technische Arbeitsprozess?
Menschik: Ich lege zunächst fest, an welchen Stellen des Texts Illustrationen platziert werden sollen. Dann zeichne ich mit Feder und Tusche; ich benutze seit vielen Jahren normales Druckerpapier in A4 – dieses Format passt gut unter den Scanner. Dann habe ich die analoge Schwarz-Weiss-Zeichnung im Rechner. Alles, was danach kommt, was Sie in Farbe kennen, ist am Rechner entstanden.
Ich habe gehört, dass Sie für Ihr eben erschienenes „Lieblingsbuch“ Nummer 10, „Durch den wilden Kaukasus“, anders gearbeitet haben als üblich?
Menschik: Ich habe zum ersten Mal gemalt. Die Originale sind richtig groß, Acryl auf Karton, 50 mal 70 Zentimeter.
Wie kam es, dass Sie ihren lang geübten Arbeitsstil hier verändert haben?
Menschik: Zum einen möchten Sie sich, wenn Sie pro Jahr zwei Bücher herausbringen, hin und wieder selbst überraschen, etwas ganz Neues wagen. Dazu kommt, dass wir 2017 und 2019 im Kaukasus wandern waren, das waren ungelogen die schönsten Reisen meines Lebens. Diese Eindrücke, diese Pracht sollten in ein Buch! Ich dachte an alte Farbtafeln aus Lexika, das war diesmal die Grundidee. Und, was soll ich sagen? Es hat irrsinnig Spaß gemacht – und viel länger gedauert, als die bisherigen Bücher. Im Zeichnen bin ich ja recht fix…
Wie lange waren Sie beschäftigt?
Menschik: An den Bildern habe ich sicher ein Jahr gemalt. Dazu gibt es in dem Buch an die 50 vignetten-artig eingestreute Schwarz-Weiß-Zeichnungen, das hat sich auch gezogen. Zum Jahresende war ich fertig.
Gibt es nach dieser fordernden, aber doch weitgehend im Stillen ablaufenden Arbeitsphase nicht eine ungeheure Lust, mit dem Ergebnis nach draußen zu gehen?
Menschik: Das ist natürlich ein Jammer: Die Premiere für das Kaukasus-Buch hätte Mitte Mai stattfinden sollen. Geplant haben wir das Fest vor einem halben Jahr. Na ja, aufgrund der Pandemie-Entwicklung mussten wir absagen. Aber für den im Herbst erscheinenden Band 11, ein neues Buch mit Volker Kutscher, gehen wir wieder auf Los! „Mitte“, so der Titel, ist ein Pendant zum 2017 erschienen Band „Moabit“, der ebenfalls im Gereon-Rath-Kosmos angesiedelt ist Die Buchpremiere wird, das hoffen wir ganz fest, Mitte November sein – im Haus des Rundfunks an der Masurenallee, Hans Poelzig hat das Anfang der Dreißiger errichtet. Über die Arbeit am ersten Buch haben Volker und ich uns angefreundet – und das Schönste ist ja, wenn man Lesungen nicht allein machen muss! Wir sind also zusammen durchs Land gefahren: Ich habe über die Bilder erzählt, er über die Geschichte, dann haben wir gelesen. Und abends an der Hotelbar zusammen den letzten Gin Tonic genommen. Ich hoffe, das kommt wieder!
Kat Menschik ist freie Illustratorin in Berlin, lebt aber auch gern auf dem Land. Seit 2016 gestaltet sie ihre eigene Buchreihe, darunter Bestseller wie „Moabit“ von Volker Kutscher (2017) sowie „Kat Menschiks und des Diplom-Biologen Doctor Rerum Medicinalium Mark Beneckes Illustrirtes Thierleben“ (2020). Gerade ist „Durch den wilden Kaukasus – Geschichten über das Traumland Swanetien“ erschienen, dem das vorliegende Motiv entnommen und bearbeitet wurde.