Autor: Nils Kahlefendt

Theatermacher und "Leipzig liest"-Supporter: Christoph Awe von den Cammerspielen Leipzig (c)nk

Vom Buch auf die Bühne
28. November 2023
Für seine ausgefallenen Locations ist „Leipzig liest“ berühmt. Hier stellen wir in loser Folge einige der spannendsten vor. Heute: Christoph Awe und die Cammerspiele Leipzig im Connewitzer Werk 2.
Autor: Nils Kahlefendt

Theatermacher und "Leipzig liest"-Supporter: Christoph Awe von den Cammerspielen Leipzig (c)nk

Vom Buch auf die Bühne
28. November 2023
Für seine ausgefallenen Locations ist „Leipzig liest“ berühmt. Hier stellen wir in loser Folge einige der spannendsten vor. Heute: Christoph Awe und die Cammerspiele Leipzig im Connewitzer Werk 2.

Connewitz goes West: Der Saal im Neuen Schauspiel nahe dem Lindenauer Markt, in dem die Cammerspiele Leipzig an diesem Abend zu Gast sind, ist komplett ausverkauft. Auf der Bühne: Die Uraufführung der Dramatisierung von Annika Büsings mehrfach preisgekröntem Roman Nordstadt, 2022 erschienen im Göttinger Steidl Verlag. Die Bühnenfassung fokussiert ganz auf die beiden Hauptfiguren Nene und Boris. Sie ist Bademeisterin im städtischen Schwimmbad, er ein arbeitsloser Underdog, der nach einem Schwimmbrett fragt: Der Beginn einer intensiven Liebesgeschichte – ohne Happy End, wie man bald ahnt. Die Schauspieler sind in Hochform, das Publikum geht begeistert mit – langsam legt sich auch das Lampenfieber von Regisseur Johann Christoph Awe von den Cammerspielen, der gerade mal knapp vier Wochen hatte, um die Inszenierung mit seinem Team zu erarbeiten. Nach diversen Regie-Projekten in Duo-Konstellationen ist „Nordstadt“ seine erste komplett eigenverantwortliche Arbeit als Regisseur. Später, nach dem Schluss-Applaus, kann Awe den Abend langsam auch selbst genießen: Die Autorin ist mit Freunden da, zwei Steidl-Mitarbeiter; großes Hallo und lange Gespräche. Die Nacht wird kurz. Und der nächste Abend ist bereits wieder ausverkauft.

Christoph Awe, Jahrgang 1985, studierter Kommunikations- und Kulturmanager, gehört, mit Unterbrechungen, seit 2017 zum Leitungsteam der Cammerspiele Leipzig, wo er für die Öffentlichkeitsarbeit zuständig und als Dramaturg tätig ist. Dazu kamen in den letzten Jahren vermehrt Regie-Arbeiten. Die Cammerspiele starteten zu Beginn der Nullerjahre auf dem Gelände der Kulturfabrik Werk 2, inzwischen gilt der von Sophie Renz (Geschäftsführung), Christian Hanisch (Künstlerische Leitung), Elisa Jentsch und Michaela Günold (Vorstand) und eben Christoph Awe geführte Verein als die zentrale Produktionsstätte für den Theaternachwuchs in Leipzig, ein Labor und Sprungbrett für freie Gruppen. Daneben gibt es auch regelmäßig eigene Produktionen – so wie jetzt im Fall von „Nordstadt“, das einen kleinen Trend markiert: In den letzten Jahren gab es auffallend häufig Roman-Adaptionen. Awe findet den „Erstzugriff“ auf solche Stoffe spannend: „Es ist sehr reizvoll, ein Buch, das einen begeistert hat, auf die Theaterbühne zu bringen. Die spannende Frage ist, ob freie Theater wie wir dann auch die Uraufführungsrechte bekommen?“ 

Bringt gern Romane auf die Theaterbühne: Christoph Awe (c)nk

Im Fall von „Nordstadt“ und dem Steidl Verlag klappte das reibungslos, manchmal muss man Geduld mitbringen. Bei „Ein Mann seiner Klasse“ (Ullstein) nach dem Roman von Christian Baron, eine Produktion von Das Üz, einer freien Truppe um Christian Hanisch, die, mit Awe als Dramaturgen, ebenfalls 2023 herauskam, lagen die Uraufführungsrechte beim Staatstheater Hannover. Dort verzögerte sich die Aufführung pandemiebedingt. Schneller ging’s bei anderen Produktionen, an denen Awe beteiligt war: „Scherbenhelden“ und „Bis die Sterne zittern“ nach Büchern von Johannes Herwig, sowie „Nur vom Weltraum aus ist die Erde blau“ nach dem Debüt von Björn Stephan“ (Galiani, 2021). „Wir sind schon stolz darauf, dass wir uns in den letzten Jahren mit mehreren Ur- oder Zweitaufführungen nach wichtigen Romanen einen Namen machen konnten“, sagt Christoph Awe. „Sowohl in der Theater- wie auch in der Verlagswelt hat man das aufmerksam registriert, es hilft uns, wenn wir Rechteinhaber wegen interessanter Stoffe anfragen.“  

Bei so viel Nähe zur Buch- und Verlagswelt ist es kein Zufall, dass die Cammerspiele seit mehr als zehn Jahren auch ein etablierter „Leipzig liest“-Ort ist. „Hin und wieder haben kleine Leipziger Verlage bei uns angefragt“, erklärt Christoph Awe. „Meist ist es jedoch so, dass wir uns im „Leipzig liest“-Büro melden – wir bestätigen, dass unser Saal von Mittwoch bis Sonntag zur Verfügung steht, schlagen aber auch selbst Autorinnen und Autoren vor.“ Ein Theaterbezug ist den Cammerspielen dabei nicht nur wichtig – er hat sich über die Jahre geradezu zu einem Qualitäts- und Alleinstellungs-Merkmal im Rahmen des Lesefests entwickelt. Abende mit Theaterautoren wie Roland Schimmelpfennig, Nis-Momme Stockmann oder Ferdinand Schmalz, die mit eigenen Romanen am Start waren, oder mit Sachbuchautoren wie dem Theaterkritiker Peter Michalzik („Horváth, Hoppe, Hitler“) sind legendär. 

Großer Andrang bei der Lesung aus „Samuels Buch“: Gerwig Epkes (SWR, links) und Samuel Finzi (rechts) (c)Cammerspiele

In diesem Frühjahr waren die Abende mit Björn Bicker („Aminas Lächeln“, Kunstmann), Katharina Peter („Erzählung vom Schweigen“, Matthes & Seitz Berlin) oder Samuel Finzi („Samuels Buch“, Ullstein) allesamt gut besucht, bei Finzi musste immer weiter nachgestuhl werden, so dass der Autor schließlich ganz am Ende des schlauchförmigen Saals saß. Dass der Off-Kultur-Hotspot seine Lesungen bei freiem Eintritt anbietet, mag im Szeneviertel Connewitz ein weiterer Grund seiner Beliebtheit sein. Die Kontakte, die durch „Leipzig liest“ in die Verlagswelt geknüpft wurden, haben mit dazu geführt, dass es inzwischen auch außerhalb der Buchmesse Lesungen in den Cammerspielen gibt. Neulich gab es etwa einen Abend mit Manja Präkels; der kurze Draht zum Berliner Verbrecher Verlag machte es möglich. „Um weitere Füße in die Verlags- und Buchwelt reinzubekommen und ein Publikum anzulocken, dass uns noch nicht kennt, sind die ‚Leipzig liest’-Termine ideal, freut sich Christoph Awe. Mit Leserinnen und Lesern, die ja sowieso Genussmenschen sind, kommt er auch in seinen beiden Nebenjobs ständig in Kontakt – regelmäßig kann man ihn in Schleußig hinterm Tresen des Weinladens Edelrausch und der Buchhandlung H24 treffen.       

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