Frau Frohmann, lassen Sie uns mit einem Zitat von Ihnen beginnen: „Wenn ich jemals so etwas wie ein positives Verlangsbranchengefühl in mir spüre, dann ist es an diesem einen Tag im Jahr.“ Gemeint ist die Leipziger Autorenrunde. Woher dieses Hochgefühl?
Christiane Frohmann: Gemeinhin tue ich mich ja schwer mit solchen traditionellen Branchensachen. Ich bin ein klassischer „Literaturmensch“, hatte aber nie besonders viel Spaß auf den Messen. Ich fand, dass alles schon sehr hermetisch ist, dass man sich da auch ein bisschen stilisiert in seinem erhabenen Verlegersein – und dass es ewig dauert, bis Leute anfangen, einen zu grüßen (lacht). Ich mag es einfach nicht, wenn Funktionen oder Titel vor Menschen stehen. Bei der Leipziger Autorenrunde ist das, meiner Erfahrung nach, komplett entkoppelt: Die Referierenden machen sich dort nicht nur völlig locker, Leander hat auch ein ziemlich gutes Händchen, wen er da einlädt. Das sind häufig Leute, die sowieso etwas in diese antihierarchische Richtung ticken. Gleichzeitig ist die Begeisterung der Teilnehmer darüber zu spüren, dass sie so umstandslos in diese Gespräche hineinkommen.
Man begegnet sich auf Augenhöhe, ist es das?
Frohmann: Genau. Da ist Demütigung oder Frustration ausgeschlossen. Das Schlimmste, was einem passieren kann, ist, dass man sich das falsche Panel ausgesucht hat.
Wie würden Sie einem Extraterrestrischen die Leipziger Autorenrunde erklären?
Frohmann: Wenn er das Prinzip Buch schon verstanden hat, würde ich sagen: Leute, die professionelle Anfänger sind, begeisterte Amateure oder einfach nur Literaturfreunde, die sich mal näher mit der Meta-Ebene auseinandersetzen wollen, werden mit allen erwartbaren, aber nicht immer kommerziell verwertbaren Facetten des Verlegens, Schreibens, Veröffentlichens bekannt gemacht. Das reicht von ganz „handfesten“ Panels, bei denen man konkrete Sachen lernt – bis zu inspirierenden Runden, die Menschen zu einem bestimmten Thema miteinander ins Gespräch bringen.
Können Sie für beides ein Beispiel nennen?
Frohmann: Wenn etwa Referierende aus Literaturagenturen kommen, steigen die schon sehr konkret ins Procedere ein: Wie findet man eine Agentur, hat man überhaupt eine Chance, wie soll man sich präsentieren? Das ist ja auch ein Grund, warum ich Leander gebeten habe, mich fürs kommende Jahr nicht mehr zu buchen: Ich habe schon das Gefühl, dass die Leute mich interessant finden, aber die meisten suchen doch nach etwas anderem: dem großen Verleger, der Star-Autor xy herausgebracht hat. Oder nach den Dienstleistern, die ihnen hier konkret was beibringen, was sie sich sonst als Beratung teuer bezahlen lassen müssten. Sie suchen nach so etwas wie der Eintrittskarte in diese Welt. Ich glaube, ich passe menschlich und vom Spirit her total gut rein und werde auch weiter daran mitarbeiten, aber als Referentin bin ich bei der Autorenrunde meiner Selbsteinschätzung nach keine Top-Kandidatin.
Sie waren ab 2013 als Referentin dabei?
Frohmann: Genau.
Was haben Sie angeboten?
Frohmann: 2014 habe ich über ästhetische Internet-Phänomene wie Meme-Culture, Hashtags und Twitteratur gesprochen. Ich wollte zeigen, wie man die Begegnung mit solchen Sachen – auch wenn man nicht wie ich organisch in diese Bewegung im Netz reingeraten ist – als etwas Inspirierendes für sich entwickeln kann. Die Leute in der Tischrunde haben mich am Anfang angeschaut, als ob ich von einem anderen Stern komme. Zum Schluss hatten sie richtig Spaß. Und offenbar auch verstanden, was ich meine: Dass man seinen Schreibprozess auch erweitern kann, ohne sich zu verbiegen, indem man beispielsweise mal auf Social-Plattformen herumexperimentiert. Mein Standardsatz: Nicht vom Format her denken! Niemand muss twittern oder Snapchat machen. Aber trotzdem ruhig mal einen Account anlegen, das eine Weile beobachten und ausprobieren, vielleicht erlebt man dabei erstaunliche Sachen.
Das war in der Bandbreite der angebotenen Themen eher ein freies Angebot… Nicht: „Der Weg zum Erfolg in fünf Schritten“.
Frohmann(lacht): Soll ich einen Vortrag halten über „Wie mache ich einen Verlag, der kein Geld verdient, aber als kulturell bedeutend wahrgenommen wird?“ – Nein, die Leute kommen schon in erster Linie dahin, weil sie früher oder später vom Schreiben leben wollen und wissen möchten, wie das geht. Kolleginnen wie Zoë Beck oder Isabel Bogdan werden da regelrecht überrannt.
Was zieht die – zum Teil doch sehr prominenten – Referenten an?
Frohmann: Das Honorar kann es nicht sein. Das ist symbolisch und finanziert eher die Fahrkarte. Aber darum geht es nicht. Das Ganze hat wirklich eine Art Klassentreffen-Charakter. Man trifft immer auf einen Schlag einen ganzen Pulk interessanter Menschen: solche, die man schon kannte, oder solche, die sich – oft außerhalb des offiziellen Programms – als spannend entpuppen. Ich achte ja bei meiner Arbeit immer auch darauf, ob ich Menschen nett finde. Und da sind verdammt viele nette Leute! Das ist im Vergleich zu meinen anfänglichen Messebesuchen als Verlegerin eine beglückende Erfahrung. Ein weiterer Motor für die Referierenden dürfte der Kontakt zu Usern und Consumern aka Leserinnen und Lesern sein, der ja nicht selbstverständlich ist. Bei der Leipziger Autorenrunde passiert das scheinbar wie von selber. O. k., man kann auch einmal im Jahr ein Verlagsfest machen und sich da „unters Volk“ mischen. Bei der Autorenrunde aber tritt man stärker aus den Hierarchien heraus und kann so ganz andere, für die eigene Arbeit sehr nützliche Erfahrungen machen.
Frau Frohmann, vielen Dank für das Gespräch!
Christiane Frohmann ist Autorin, Verlegerin und Referentin. Gemeinsam mit Leander Wattig konzipiert sie bei Orbanism Veranstaltungen.