Nach Lehrjahren in Druckereien, Buchhandlungen und Verlagen gründete der 1901 in Karlsruhe geborene Otto Müller 1937 in Salzburg sein eigenes Unternehmen. Was ihm vorschwebte, war so etwas wie ein Universal-Verlag, in dem von der Lyrik bis zum Sachbuch, vom Unterhaltungsroman bis zur theologischen Studie alles seinen Platz haben sollte. Von der Gestapo verhaftet, wurde er unter der Auflage freigelassen, seinen Verlag zu liquidieren; erst im Frühjahr 1945 konnte er darangehen, sein Haus neu aufzubauen.
Als Arno Kleibel den Verlag seines Großvaters im Oktober 1986 übernahm, war er 25 Jahre jung und, trotz Buchhandels-Lehre, blutiger Anfänger in der Branche. Am ersten Arbeitstag ein Grundkurs Pressearbeit, das erste Interview auf der Frankfurter Buchmesse. Zurück in Salzburg der erste Autoren-Anruf, am Apparat: H.C. Artmann. Der Autor, dessen 100. Geburtstag bei unseren Nachbarn heuer groß gefeiert wird, hatte das Buch, mit dem er berühmt wurde, 1958 bei Otto Müller verlegt: „Med ana schwoazzn Dintn“, Startauflage 4000 Exemplare, innerhalb von sechs Monaten wurde dreimal nachgedruckt.
Viel erfolgreicher, zumal nach Premiere der ersten Verfilmung mit Fernandel und Gino Cervi, war in den 1950er Jahren Giovanni Guareschis „Don Camillo und Peppone. Heute schätzt man das Salzburger Traditionshaus für ausgezeichnete Belletristik, von Georg Trakl über Srečko Kosovel bis zu Ana Marwan. Eben hat die junge Bachmann-Preisträgerin des Jahres 2022 den Herausgeber-Staffelstab der bei Otto Müller verlegten Zeitschrift „Literatur und Kritik“ von Karl-Markus Gauß übernommen.
Entdeckt ein kleinerer österreichischer Verlag wie Otto Müller ein großes literarisches Talent wie die 1977 im siebenbürgischen Hermannstadt geborene Iris Wolff, weckt das rasch die Begehrlichkeiten von Verlagen im Nachbarland – seit „Die Unschärfe der Welt“ (2020) erscheinen Wolffs Bücher bei Klett-Cotta in Stuttgart. „Verpuppt“, der zweite Roman von Ana Marwan, ist jedenfalls Ende Jänner bei Otto Müller erschienen – die Klagenfurt-Siegerin wird damit auch in Leipzig zu erleben sein.
Warum Österreich vor allem ein Land der kleinen Verlage ist und wie diese gefördert werden, erfahren wir bei Robert Stocker, Leiter der Literaturabteilung im Ministerium für Kunst, Kultur, öffentlichen Dienst und Sport. „Die 1992 ins Leben gerufene Verlagsförderung“, sagt Stocker, „ist ein interessantes Modell, auch auf europäischer Ebene“. Damals brachen größere Player und Finanziers im Verlagssektor weg: So wurde im Oktober 1991 – nach über 100 Jahren wechselvoller Geschichte – die sozialdemokratische Arbeiter-Zeitung (AZ) eingestellt; Anfang der Nullerjahre ist der Bundesverlag verkauft worden. Die Verlagsförderung basiert auf drei Säulen: Sie ist zum einen als Kultur- nicht als Wirtschaftsförderung angelegt, es werden ganze Programme gefördert, förderwürdig sind auch Werbe- und Vertriebsmaßnahmen. Rund 35 bis 40 Publikumsverlage erhalten so in mehreren Tranchen pro Jahr insgesamt rund drei Millionen Euro.
Lesetipps:
H. C. Artmann: Med ana schwoazzn dintn. Gedichte. Otto Müller Verlag, 96 Seiten, 23 Euro.
Ana Marwan: Verpuppt. Roman. Aus dem Slowenischen von Klaus Detlef Olof. Otto Müller Verlag, 220 Seiten, 24 Euro.