Autor: Nils Kahlefendt

Foto: Martin Jehnichen

Fragen Sie Frau Krämer!
21. Februar 2019
Messe-Köpfe, Folge 11: Als erfahrene Sekretärin und Projektassistentin wahrt Petra Krämer Ruhe auch im Auge des Orkans
Autor: Nils Kahlefendt

Foto: Martin Jehnichen

Fragen Sie Frau Krämer!
21. Februar 2019
Messe-Köpfe, Folge 11: Als erfahrene Sekretärin und Projektassistentin wahrt Petra Krämer Ruhe auch im Auge des Orkans

„Wer zum Chef will“, sagt Petra Krämer lachend, „muss an mir vorbei.“ Und das, könnte man ergänzen, schon ziemlich lange. Seit 27 Jahren, um genau zu sein: 1992 stieß Krämer als Sekretärin und Projektassistentin zur Mannschaft um Oliver Zille, damit ist sie nach dem Buchmesse-Direktor die Dienstälteste im Team. Eine Berufsbiografie, wie sie in unseren heutigen, schnelllebigen Zeiten kaum noch geschrieben wird – und eine mit ungewöhnlichem Beginn. Eigentlich ist Petra Krämer Facharbeiterin für chemische Produktion; ihre Lehre absolvierte sie, als ans Ende der DDR noch längst nicht zu denken war, im Leipziger Arzneimittelwerk. Doch im „Pillendrehen“, wie sie es scherzhaft nennt, sah sie keine Perspektive. Nach Ende der Ausbildung wechselte sie relativ rasch als „Werkstattschreiberin“ zum VEB Kombinat GISAG (Gießereianlagen und Gusserzeugnisse) in Leipzig. Als die Sekretärin des stellvertretenden Betriebsleiters ausfiel, übernahm Krämer ihren Job – und blieb, nachdem sie, berufsbegleitend, in der Abendschule noch Schreibmaschine und Steno gepaukt hatte. Ende 1982 dann der – im Rückblick entscheidende Tipp der Schwiegermutter, die im Leipziger Messeamt arbeitete: „Herbert Simon, Hauptbuchhalter der Messe und einer unserer stellvertretenden Generaldirektoren, sucht händeringend eine Sekretärin – das wäre doch was für dich?“

Wer schreibt, der bleibt?

Petra Krämer kam, sah – und siegte. Seit 1983 arbeitet sie für die Firma unterm Doppel-M. 1985 kommt ihre Tochter zur Welt, 1987 sitzt sie dann im zentralen „Schreibzimmer“ des Messeamts. Wer schreibt, der bleibt – auch diese zentrale Weisheit erweist sich in den Wende-Wirren als trügerisch; das „Schreibzimmer“ wird aufgelöst, die Damen finden sich in allen möglichen Abteilungen der auf Marktwirtschaftskurs gebrachten Messegesellschaft wieder. Eines Tages schneit Oliver Zille vorbei: „Hätten sie Lust, zu uns zu kommen?“ Seitdem ist Petra Krämer der gute Geist des Buchmesse-Teams. Und sie ist weit mehr als das: Als Projektassistentin ist sie unter anderem für die Routinen der Fachbesucherbetreuung zuständig, von Mailings bis zu hartnäckigen Nachfragen in der Hotline. Überhaupt: Fragen – es gibt wohl keine, die Petra Krämer in den zurückliegenden 27 Messe-Jahren noch nicht gestellt wurde: „Wie komm’ ich denn zum Messegelände?“ – „Wo kriege ich denn einen Ausstellerausweis?“ – „Können sie mir für heute Abend eine interessante Veranstaltung empfehlen?“ Wenn man nicht mehr weiterweiß, gründet man in Leipzig keinen Arbeitskreis – sondern fragt Petra Krämer, die lebende Auskunftei. Bei ihr gilt: Geht nicht gibt’s nicht!

Nach der Messe ist vor der Messe

Eine weitere dieser ewigen Wahrheiten: „Nach der Messe ist vor der Messe.“ Schon bald nach dem letzten Gong beginnt die Neuplanung, Budgets werden abgerechnet, Statistiken erstellt. Kärrnerarbeit. „Es muss alles seriös zu Ende gebracht werden, ehe man, teilweise fast zeitgleich, mit dem Neuen beginnt.“ Wie bewahrt Krämer im Auge des Messe-Orkans Gelassenheit und Übersicht? „Ich mache den Job schon zu lange, um wirklich aus der Ruhe zu kommen“, sagt sie. „Und wenn ich abends aus dem Haus gehe, lasse ich die Arbeit hier. Das war nicht immer so.“ Unerwartetes passiert während der vier tollen Tage von ganz allein. Wenn etwa auf dem Massen-Event Buchmesse doch mal ein Kind abhandenkommt, wird Petra Krämer zur temporären Ersatz-Mama, bis die Eltern aufgetrieben sind. „Die meisten Such-Fälle sitzen allerdings mit heißen Ohren in ein Buch versunken, ohne Gefühl für Zeit und Raum“, weiß Krämer. Für die eigene Lektüre nutzte die Grünauerin lange Zeit die rund 50minütige Straßenbahnfahrt zur Arbeit. Seit drei Jahren kurvt sie im eigenen PKW und auf Schleichwegen zum Messegelände. Daran wird sich auch zu ihrer 28. Buchmesse im kommenden März nichts ändern – egal, ob es nun stürmt und schneit, oder die Sommerkleider aus dem Schrank geholt werden.

Petra Krämer absolvierte von 1977 bis 1978 eine Lehre im Leipziger Arzneimittelwerk, qualifizierte sich berufsbegleitend zur Sekretärin und arbeitete in dieser Position von 1978 bis 1982 im VEB Kombinat GISAG Leipzig und seit 1983 bei der Leipziger Messe. Seit 1992 ist sie Sekretärin und Projektassistentin im Buchmesse-Team. Petra Krämer ist verwitwet und hat eine erwachsene Tochter.

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