Wenn man sich die Besetzung des aktuellen bücher.macher-Podiums im CCL anschaute, konnte die Runde schon als Symbolbild herhalten: Vier Frauen, zwei Männer – Quote übererfüllt, alles paletti? Unter dem Titel „Patriarchendämmerung. Wie sich das Bild des Verlegers wandelt“ diskutierte Mara Delius, Leiterin der „Literarischen Welt“, zum Messeauftakt mit einer hochkarätig besetzten Runde über vermeintlich gläserne Decken, alte Hierarchien und neuen Teamgeist – und darüber, was nach dem Abschied der Alphatiere kommt. Mit dabei: Moritz Kirschner, Junior-Verleger bei Kunstmann, die Verlagsleiterinnen Kerstin Gleba (KiWi), Constanze Neumann (Aufbau) und Felicitas v. Lovenberg (Piper) sowie Thomas Rathnow, CEO der Verlagsgruppe Random House.
Frauen spielen in der zu 80 Prozent weiblichen Buchbranche eine ökonomisch wichtige Rolle. Sie kaufen mehr Bücher als Männer und lesen häufiger – in den Spitzenpositionen der Verlage waren sie bis vor kurzem eher selten vertreten. Das ändert sich gerade: Felicitas von Lovenberg, seit vier Jahren auf dem Chefsessel bei Piper, staunte, dass sie „die Älteste in dieser Verlegerinnen-Runde“ sei; als sie in der Bonnier-Gruppe begann, war sie mit Siv Bublitz (Ullstein) und Renate Herre (Carlsen) gleich auf Kolleginnen gestoßen. „Vielleicht ist Bonnier, was das angeht, schon immer schwedisch-zukunftsträchtig gewesen?“ Für Aufbau-Verlagsleiterin Constanze Neumann hat der nun langsam sichtbar werdende Wandel lange vor der #metoo-Debatte begonnen: „Seit ein paar Jahren ist die gläserne Decke nicht mehr da. Aber in so einer Position zu sein, ist immer noch anders als für einen Mann. Manchmal merkt man bei seinen Gegenübern ein gewisses Erstaunen.“ Eine Sicht, der KiWi-Verlegerin Kerstin Gleba zustimmte: „Die kulturellen Stereotype der Gesellschaft ändern sich sehr langsam. In manchen Köpfen ist der Typus des alles selbst bestimmenden Verlegers alter Schule noch sehr virulent.“ Zum Glück werde es inzwischen selbstverständlicher, dass Verlage von Frauen und Männern geleitet werden.
Random House-CEO Thomas Rathnow erinnerte daran, dass in seiner aus drei großen „Divisionen“ bestehenden Verlagsgruppe mit Nicola Bartels und Grusche Juncker zwei Verleger Frauen sind – die rund 100 Millionen Euro Umsatz verantworten. „Das zeigt ihre Bedeutung.“ Allerdings ist die Frage, „wie in Verlagen geführt wird“, für Rathnow wichtiger als die nach dem Geschlecht. Führung müsse entschieden sein – aber eben nicht in top-down-Manier alter, hierarchischer Art. „Wir brauchen eine Unternehmenskultur, die es ermöglicht, dass wir Gespräch, Transparenz, eine Durchlässigkeit von unten nach oben haben.“ Hier rannte Rathnow bei Kunstmann-Junior-Publisher Moritz Kirschner offene Türen ein. Er bekannte, als Sohn einer feministischen Verlegerin nicht vor sich hin zu dämmern, „bis ich mein Patriarchen-Dasein erfüllen kann“ – und begrüßte ausdrücklich den gewachsenen Frauenanteil in den Führungsetagen von Konzern-Verlagen.
Haben wir damit das Problem fehlender Gleichberechtigung überwunden, sind Initiativen wie #frauenzählen überflüssig geworden? „Ich glaube, es ist wichtig, dass der Umbruch fortgeführt wird“, warnte Kerstin Gleba. „Der Blickwinkel muss sich verändern – und das nicht nur in unserer Branche. Gab es jemals eine Chefredakteurin bei den Magazinen von SZ und ZEIT?“ Mit Blick auf Ostdeutschland stelle sich die Lage in der Branche noch einmal anders dar: „Man kann die Leute aus dem Osten in Führungspositionen an höchstens zwei Händen abzählen“, stellte Constanze Neumann fest. „Bei Frauen wird es noch mal weniger.“ Ein Umstand, der geändert werden müsse, wenn unser Land wirklich zusammenwachsen soll. Thomas Rathnow nahm das Diversity-Thema generell auf: „Wir müssen uns fragen: Wie agieren wir als Unternehmen, als Arbeitgeber?“ Letztlich würde das auch bedeuten, nicht mehr nur Angestellte aus dem akademischen Mittelstands-Milieu zu favorisieren. „Wir sind sehr weit davon entfernt, dass die Verlagsmitarbeiter einen Spiegel unserer Gesellschaft repräsentieren. Da muss man andere Impulse setzen.“