Autor: Nils Kahlefendt

Foto: Martin Jehnichen

Mach’ dein Ding!
10. Juli 2019
Messe-Köpfe, Folge 13: MCC-Projektassistentin Sassette Scheinhuber hat als Veranstaltungskauffrau das Ohr an der Szene
Autor: Nils Kahlefendt

Foto: Martin Jehnichen

Mach’ dein Ding!
10. Juli 2019
Messe-Köpfe, Folge 13: MCC-Projektassistentin Sassette Scheinhuber hat als Veranstaltungskauffrau das Ohr an der Szene

Manchmal, weiß Sassette Scheinhuber, ist es einfach gut, zur richtigen Zeit am richtigen Ort zu sein. Als die Leipziger Buchmesse für die 2014 aus der Taufe gehobene Manga-Comic-Con (MCC) Verstärkung sucht, jobbt die angehende Veranstaltungskauffrau gerade als Aushilfe in der Vorab-Akkreditierung der Messe – und kauft sich in einer Arbeitspause ein paar druckfrische Mangas. Die wache Personalerin der Messegesellschaft bekommt das mit und spricht Scheinhuber an. Der Rest ist Formsache: Die junge Frau im zweiten Lehrjahr organisiert Workshops, Vorträge, Bühnenprogramme und kümmert sich um den Künstler-Bereich MCC Kreativ – quasi aus dem Stand. „Ich hatte noch nie so viel Verantwortung in einem Team bekommen.“

Von AC/DC zu Metal-Core

Aufgewachsen ist Scheinhuber in Sermuth bei Grimma, einem 600-Seelen-Örtchen, an dem sich die Freiberger und die Zwickauer Mulde vereinigen. Ihren Mittelschul-Abschluss macht sie in Colditz. Das Lernen fällt ihr leicht, sie liest viel und gern, hat einen anderen Musikgeschmack als der Mainstream. Eine Freundin bringt sie auf die Manga-Spur; Freitagnachmittag schauen die Mädchen zusammen Animes auf RTL II, auf der Buchmesse wird gecosplayed. „Im Bus nach Leipzig wurde man schon manchmal schräg angeguckt“, erinnert sich Scheinhuber lachend. „Aber ich hab’ mein Ding gemacht.“ Bei den Eltern entdeckte sie AC/DC und Kiss; heute besucht sie Metal-Core-Konzerte im Conne Island oder im Täubchenthal. Seit zwei Jahren gibt es sogar ein großes Festival auf dem Leipziger Messe-Gelände, das „Impericon-Festival“ in Halle 1. „Live-Veranstaltungen sind ungeheuer intensiv, einfach toll.“

BWL und Versammlungsstättenverordnung

Rückblick: Nach einem 14tägigen Schülerpraktikum bei der Messe „Modell Hobby Spiel“ bewirbt sich Sassette Scheinhuber für die Ausbildung zur Veranstaltungskauffrau bei der Leipziger Messe. Drei Jahre lang durchläuft sie diverse Abteilungen des Hauses; alle zwei Wochen besucht sie die Berufsschule in Riesa. Sie lernt die Grundlagen des Berufs vom BWL-Einmaleins bis zur Bilanzierung. Und nebenbei ganz praktische Dinge: Etwa, was alles in der typisch deutsch durchgeregelten „Versammlungsstättenverordnung“ drinsteht. Als Ausbildungsbetrieb ist die Messe in der Branche sehr geschätzt, Scheinhuber stehen nach der Ausbildung viele Türen offen. Soll sie im Messegeschäft bleiben, sich in einer Konzert- oder Eventagentur versuchen, im Sport- und Vereinswesen? „Überall, wo es Veranstaltungen gibt, wird jemand gesucht, der Ahnung davon hat“, sagt sie selbstbewusst.

Nahtloser Übergang

Als im Sommer 2014 eine Projektassistenz für die MCC ausgeschrieben wird, ist Scheinhuber noch mitten in der Ausbildung – und etwas verunsichert: Macht es Sinn, sich zu bewerben? „Mehr als Absagen können wir Ihnen nicht“, heißt es in der Personalabteilung. Und: Nur Mut! Das Vorstellungsgespräch läuft blendend. Wenn der zweite Einsatz bei der MCC gut laufe und sie die Ausbildung bestehe, heißt es da, werde man sie gern übernehmen. Und so geschieht es: Als Sassette Scheinhuber im November 2014 erneut zum MCC-Team stößt, wird sie schon in ihren künftigen Job eingearbeitet. Am 1. Juli 2015 besteht sie die letzte mündliche Prüfung. Am 2. Juli beginnt ihre Arbeit als Projektassistentin bei der MCC. „Besser“, sagt sie, „hätte es nicht laufen können.“ Längst haben sich auch ihre Eltern im Muldental mit der nicht ganz alltäglichen Arbeit ihrer Tochter angefreundet. „Wenn es nach meinem Vater gegangen wäre“, lacht sie, „dann wäre ich jetzt entweder verbeamtet oder bei der Wasserwirtschaft.“ Inzwischen freuen sie sich mit ihrer Tochter über den MCC-Job – und kommen natürlich jeden März zur Buchmesse.

An einem Strang

Unter Federfühung der beiden Projektmanagerinnen Michiko Wemmje und Lea Peterknecht kümmert sich Sassette Scheinhuber bei den rund 350 Ausstellern der MCC ums Administrative. Und immer noch um MCC Kreativ. Das Dreier-Team sitzt auch im Großraumbüro nahe beieinander, man spricht viel und intensiv; Kommunikation wird im Messegeschäft großgeschrieben. „Wenn ein Aussteller mit einer Projektidee kommt, kann ich Input aus der Szene heraus geben, in die ich aus meiner Cosplayer-Zeit immer noch gute Kontakte habe. Oder wenn wir merken: K-Pop wird groß – dann organisieren wir halt eine K-Dance Area, in der die Choreos der Bands in so genannten Flashmobs nachgetanzt werden.“

Noch einmal die Schulbank drücken

Die eigenen Interessen zum Beruf machen – was könnte es Besseres geben? Es läuft gut für Sassette Scheinhuber, sie ist sehr zufrieden mit ihrem Job. Dennoch – oder vielleicht gerade darum – hat sie im letzten Sommer ein berufsbegleitendes Bachelor-Fernstudium an der IUBH Bad Honnef aufgenommen. Es ist auf weitere vier Jahre und als reines Online-Studium angelegt. Jetzt, im Sommer, geht es, aber in der heißen Buchmesse-Vorbereitungszeit schlaucht es schon. „Sich nach zehn Stunden auf der Arbeit abends noch mal aufraffen – das ist hart.“ Aber immer wieder gibt es auch Erfolgserlebnisse. So wie im Dezember, als Scheinhuber eine Mathe-Klausur mit 1,3 bestanden hat. Job, Studium und Freund unter einen Hut bekommen, dazu noch das ein oder andere Live-Konzert – das alles ist nicht immer einfach. Sassette Scheinhuber geht ihren Weg einfach weiter, Schritt für Schritt. „Mal sehen, was in vier Jahren kommt.“

Sassette Scheinhuber ist in Sermuth bei Grimma aufgewachsen, in Colditz zur Schule gegangen und wohnt inzwischen in Leipzig. Bei der Leipziger Messe GmbH absolvierte sie von 2013 bis 2015 eine Ausbildung zur Veranstaltungskauffrau – und wurde im Juli 2015 vom Fleck weg als Projektassistentin für die MCC engagiert. Derzeit absolviert sie ein berufsbegleitendes Bachelor-Studium an der IUBH Bad Honnef.

Beitrag teilen


Für vier Märztage feiert Leipzig Buchmesse. Aber auch an den meisten der 361 buchmessefreien Tage des Jahres sind wir für Sie da. In loser Folge stellen wir Ihnen an dieser Stelle vor, wer hinter den Kulissen in Leipzig die Fäden zieht, was uns um- und antreibt.

Weitere Beiträge, die Sie interessieren könnten

Literarisches Leben Slider

„Gute Bücher übersetzen ist leicht!“ 

20 Jahre Preis der Leipziger Buchmesse (4): 2018 ging der Preis in der Sparte Übersetzung an Sabine Stöhr und Jurij Durkot für ihre Übertragung von Serhij Zhadans Roman „Internat“. Inzwischen hat der Ukrainer, der lange mit Worten und Musik für die Sache seines Landes gekämpft hat, zur Waffe gegriffen.

Slider Wir

Back to the Roots 

Von der klassischen ‚PK’ bis ‚unter drei’: Der Thüringer Felix Wisotzki, Pressesprecher der Leipziger Buchmesse, organisiert die Kommunikation des Branchen-Großereignisses. Mit der Arbeit fürs Buch ist der studierte Amerikanist zu einer frühen Leidenschaft zurückgekehrt

Leipzig liest Slider

Fest des freien Wortes 

Buchmesse-Nachschlag, Teil 4: Mit Leipzig liest swingte eine ganze Stadt vier Tage lang im Takt der Literatur. Die heißgeliebte fünfte Jahreszeit – sie war zurück!

Literarisches Leben Slider

Fortüne & Phantasie 

Buchmesse-Nachschlag, Teil 3: In Zeiten zunehmender Markt-Konzentration stehen Independent-Verlage für eine bunte, vielfältige Bücherlandschaft. In Leipzig kommen auch die Kleinen groß raus

International Slider

Wahres Wunder Freundschaft

Buchmesse-Nachschlag, Teil 1: Die Buchmesse eröffnete mit Bundeskanzler Olaf Scholz und der Verleihung des Leipziger Buchpreises zur Europäischen Verständigung an Omri Boehm. Der Gaza-Konflikt platzte in einen Festakt hinein, in dem es um Identitätspolitik und ihre Überwindung ging

Leipzig liest

„Comic ist ein Medium, kein Genre!“ 

Alles außer flach (5): In einer kleinen Serie stellen wir kreative Köpfe aus den Niederlanden & Flandern, Gastland der Leipziger Buchmesse, vor. Heute: Die flämischen Comic-Pionierinnen Ephameron und Judith Vanistendael

Leipzig liest Slider

„Vor allem Frauen“ 

Alles außer flach (3): In einer kleinen Serie stellen wir kreative Köpfe aus den Niederlanden & Flandern, Gastland der Leipziger Buchmesse, vor. Heute: Die flämische Schriftstellerin Annelies Verbeke

Leipzig liest Slider

Und dann hat’s BUMM! gemacht

Alles außer flach (4): In einer kleinen Serie stellen wir kreative Köpfe aus den Niederlanden & Flandern, Gastland der Leipziger Buchmesse, vor. Heute: Matthijs de Ridder, der die flämische Avantgarde-Ikone Paul van Ostaijen an die Pleiße holt

Leipzig liest Slider

Please look at the Basement! 

Alles außer flach (2): In einer kleinen Serie stellen wir kreative Köpfe aus den Niederlanden & Flandern, Gastland der Leipziger Buchmesse, vor. Heute: Der flämische Schriftsteller und Bildende Künstler Maarten Inghels

Leipzig liest Slider

Digitale Literaturwelten 

Alles außer flach (1): In einer kleinen Serie stellen wir kreative Köpfe aus den Niederlanden & Flandern, Gastland der Leipziger Buchmesse, vor. Heute: Poetische VR und eine Geschichten-Erzählmaschine

Literarisches Leben Slider

Starke Frauen

Kurt Wolff Preis für den AvivA Verlag: Seit einem Vierteljahrhundert bringt Britta Jürgs mit Energie und Spürsinn die weiblichen Stimmen der Weltliteratur zur Geltung 

Wir

Brücke zum Osten

März-Splitter (1): Statt Messe-Eröffnung feierte Leipzig die Verleihung des Buchpreises zur Europäischen Verständigung