Am Anfang stand, fern aller krachlederner Assoziationen, ein Ausflug nach Bayern: Ein „Novemberfest“ mit Kunstmann aus München und dem Maro Verlag aus Augsburg, moderiert vom erfolgreichen „großen Bruder“ in Gestalt von Hanser-Verleger Michael Krüger, gab 1997 den Startschuss für die bücher.macher. Komplettiert wurde der Abend durch eine Ausstellung und, natürlich, mit Lesungen; später am Abend legten die Geschwister Gerth vom Weilheimer Hausmusik-Label ihre Lieblingsplatten auf – zu einer Zeit, wo Notwist, heute eine der erfolgreichsten deutschen Indie-Bands, noch als Geheimtipp vom Lande galten.
Neue Hosen, alte Zöpfe
„Wie überlebt man gute Bücher?“, Klaus Wagenbachs klassische Frage, stand quasi leitmotivisch über diesem Happening – und nur ein halbes Jahr später leuchteten Wagenbachs rote Socken wie kleine Glühwürmchen im Garten des Leipziger Literaturhauses. Mit einem Sommerfest unter freiem Himmel, einer Ausstellung und einer Podiumsdiskussion gingen die bücher.macher in Runde zwei: „Buchgestaltung = Produktdesign?“ Über die Janusköpfigkeit der „geheiligten Ware Buch“, neue Hosen und alte Zöpfe stritten neben der Verleger-Legende aus Berlin Gottfried Honnefelder, der eben bei DuMont ein opulentes Literatur-Programm an den Start gebracht hatte, und Buchgestalter Rainer Groothuis; die skurrilen Leuchtplastiken der Berliner Künstlergruppe Shining strahlten mit den Verlegersocken um die Wette. Spät wurde es, sehr spät; nur hin und wieder brandete Torjubel durch die Sommernacht. Es war Fußball-WM in Frankreich, und noch hatten die Deutschen Hoffnung.
Alles, was zählt
Der Name des Veranstaltungsformats, das damals für den Börsenverein im frisch bezogenen Leipziger Literaturhaus entwickelt wurde, war Programm: In spannenden Konstellationen wollte bücher.macher Verlage mit unverwechselbarem Gesicht nach Leipzig holen. Geplant war jedoch keine Null-Acht-Fünfzehn-Präsentation: Möglichst allen Aspekten des Büchermachens sollte Raum gegeben; nicht nur Verleger und Autoren, auch Lektoren, Werbe- und Vertriebsprofis, Hersteller und Buchkünstler einbezogen werden. Ein Konzept, das im Lauf der Jahre behutsam zu „Themenabenden“ modifiziert werden sollte. Es folgten Veranstaltungen zur damals gerade dezent losbrechenden Welle der Netzliteratur („Überleben im Internet“) und der Rolle des Guten, Schönen und Baren im Literaturbetrieb („Literatur und Geld“) – Wolfgang Ferchl, damals Verleger bei Eichborn, hatte den „Verlag mit der Fliege“ gerade an die Börse gebracht, Georg M. Oswald, der heute den Berlin Verlag leitet, sorgte mit seinem Roman „Alles was zählt“ für die passende Umrahmung.
Schöne neue Bücher-Welt?
2001 gingen die bücher.macher erstmals auf der Leipziger Buchmesse vor Anker. Eine Zeit, von der Nora Rawlinson, Chefredakteurin des US-Branchenmagazins „Publishers Weekly“, schrieb: „Ich habe den Eindruck, dass deutsche Verleger immer amerikanischer werden.“ Den bücher.machern gelang ein kleiner Scoop, als sie Peter Olson, der am Abend zuvor im Gewandhaus sprach und sich gerade anschickte, als erster Nichtdeutscher in den New Yorker Random House-Chefsessel zu steigen, zusammen mit Michael Naumann, Arnulf Conradi, Günter Berg und Antje Kunstmann aufs Podium holten. Mit feinem Florett wurde um die „New Book Economy“ und die Rolle des Verlegers in einer hart durchkalkulierten Welt gestritten. Christoph Links notierte in seinem Messetagebuch für die „Berliner Seiten“ der FAZ: „Ich gehe nach zwei Stunden aus dieser Selbstverständigungsrunde mit dem beruhigenden Gefühl hinaus, in einem Sechs-Personen-Unternehmen mit lediglich 30 Titeln im Jahr ganz gut aufgehoben zu sein, da mir niemand für fremde Renditegelüste einen spitzen Bleistift in den Rücken rammt.“
Gründerzeit
Das Konzept, aktuelle Branchenthemen für ein breites Publikum aus Profis und Messebesuchern aufzubereiten, ging auch in den Folgejahren auf: Herausgefordert vom schlagfertigen, nie um eine Pointe verlegenen Moderator Denis Scheck diskutierten die bücher.macher etwa über Literatur im Fernsehen („Bücherflimmern“), die grassierende Eventisierung im Literaturbetrieb („Laute Bücher“) oder Bücher, die – wie Maxim Billers „Esra“ – zum Fall für den Staatsanwalt geworden waren („Bücher vor Gericht“). Mit einem Panel zu den Independents, die seit Anfang der Nullerjahre die Verlagswelt aufmischten („Günderzeit“), kehrte die Reihe 2005 zu ihren Wurzeln zurück. Neben „Jungen Wilden“ wie Daniela Seel (Kookbooks) oder Michael Zöllner (Tropen) saß natürlich auch der Große Wildweise Häuptling Klaus Wagenbach auf dem Podium.
Das Beste beider Welten
Seit 2012 wird das bücher.macher-Podium von der Leipziger Buchmesse veranstaltet. Das im Wechsel von Felicitas von Lovenberg und ihrem FAZ-Kollegen Andreas Platthaus moderierte Panel ist ein Fixpunkt am ersten Messetag – wer sich auf das, was die Gespräche der nächsten vier Tage mitbestimmen wird, schon ein wenig einschwingen will, ist hier goldrichtig. Noch immer stehen besonders Aspekte des unabhängigen Verlegens im Fokus. Die Euphorie der Nullerjahre, in denen junge Print-Verlage an den Festen der Buchhandels-Welt rüttelten, ist längst in der digitalen Welt angekommen – eine Entwicklung, die sich auch in Themen und Gästen der bücher.macher wiederspiegelt. Wie sich auch im digitalen Raum intelligent mit Literatur arbeiten lässt, ohne die Errungenschaften der Papier-Welt aus den Augen zu verlieren: Darüber wird auf dem Podium beherzt gestritten und diskutiert.
Die vollkommene Lesemaschine
Manchmal begegnen sich vermeintlich alte und neue Welt dabei ganz überraschend. So wie 2013: Da wäre Star-Autor Dave Eggers zum Podium über die „Zukunft der Bücher“ beinahe zu spät gekommen. Der Mann, der alte Ausgaben von Nabokovs „Lolita“ sammelt, hatte sich im Gewühl der Antiquariatsmesse verloren. Seine Beute: Eine Handvoll Insel-Bändchen aus Anton Kippenbergs Verlag. Versonnen streichelte Eggers die papierbezogenen Einbände, als er zu den Überlebenschancen des physischen Objekts Buch befragt wurde: „Wir haben dieses Gen, von schönen Dingen angezogen zu werden. Wir wollen sie anfassen, aufbewahren, uns an sie erinnern, sie an unsere Kinder und Enkel weitergeben.“
Bildquellen:Nils Kahlefendt