Herr Pienkoß, wie haben die Mitgliedsverlage des Verbands Bildungsmedien die Herausforderungen der Corona-Krise bislang bewältigt – eine Zeit, in der viele lang gewohnte Großveranstaltungen nicht stattfinden konnten?
Christoph Pienkoß: Unsere Verlage decken das komplette Spektrum ab – von der frühkindlichen Bildung über die Schule bis zur Erwachsenen- oder Berufsbildung. Am Anfang haben wir gehofft, dass in drei Monaten alles überstanden ist – dann war das erste Jahr herum. Selbst im letzten Winter haben wir alles Mögliche absagen müssen. Was tut man, wenn Messen oder Bildungskongresse mit 1000 Teilnehmerinnen und Teilnehmern einfach wegfallen? Man behilft sich zunächst mit virtuellen Formaten. Angesichts des akuten Lehrkräftemangels und der Zeitnot, unter der viele Pädagoginnen und Pädagogen leiden, waren solche digitalen Formate natürlich ein hilfreicher Notanker. Sie waren durchaus ein geeignetes Instrument, um Bildungs-Veranstaltungen bis zu einem gewissen Grad zu ersetzen…
Wenn man ein Meeting mit sechs oder acht Kolleg*innen hat, die sich bereits kennen, kann man das wunderbar mit Zoom, Webex oder Teams machen. Was schwierig zu kompensieren ist, sind all die Dinge, die gerade Messen so wertvoll machen: Zufallskontakte, die Gespräche abseits der fixen Termine, mit Kollegen oder Kunden.
Christoph Pienkoß, Geschäftsführer des Verbands Bildungsmedien
Die Betonung liegt auf „bis zu einem gewissen Grad“, richtig?
Pienkoß: Ganz genau! Sie wissen selbst, dass sich bestimmte Formate perfekt eingespielt haben: Wenn man ein Meeting mit sechs oder acht Kolleg*innen hat, die sich bereits kennen, kann man das wunderbar mit Zoom, Webex oder Teams machen. Was schwierig zu kompensieren ist, sind all die Dinge, die gerade Messen so wertvoll machen: Zufallskontakte, die Gespräche abseits der fixen Termine, mit Kollegen oder Kunden. Genau deswegen gehen wir 2023 wieder nach Leipzig! Zumal die Leipziger Buchmesse stets mit einem starken Bildungs-Fokus aufgetreten ist: 2019 waren hier rund 30.000 Lehrkräfte vor Ort, das sind mehr als zehn Prozent des Messe-Publikums! Diese Menschen mag man auch auf anderen Wegen erreichen können – mit einem großen Anker wie der Leipziger Buchmesse erreicht man sie besonders gut.
In Pandemie-Zeiten war das Thema „Bildung“ ein heiß umstrittenes, denken wir nur an die Diskussionen um Schulschließungen, Distanzunterricht und die digitale Ausstattung der Schulen…
Pienkoß: Was die Digitalisierung anbelangt, ist der gesamte Bereich Bildung in allen Bundesländern sicher noch eine ganze Weile in der Transformation. Bildungsmedien wurden weiterhin gebraucht, ob digital oder hybrid. Anfangs stand „das Schulbuch“ auch in der Diskussion. Wer aber meinte, die Digitalisierung in den Schulen scheitere an den Verlagen, liegt völlig falsch. Der Bund hat insgesamt 6,5 Milliarden Euro für den 2019 beschlossenen Digitalpakt Schule bereitgestellt – es ist allgemein bekannt, dass der Abruf nicht so flott geht, wie man sich das vorgestellt hat. Vor allem im Bereich der digitalen Endgeräte sind die Töpfe nahezu ausgeschöpft. Was aber, wenn auf den schönen Tablets und Notebooks nur Youtube und Spotify läuft? Dabei gibt es längst gute, differenzierende, softwarebasierte Lernmittel – die aber bis 2019 mangels Infrastruktur an den Schulen häufig nur an Pilot-Schulen zum Einsatz kamen. Da haben wir in den fast drei Jahren unter Pandemie-Bedingungen einen deutlichen Bewusstseinswandel in der Bildungslandschaft hingelegt: Es gibt jede Menge spezifischen Content – wenn in den Schulen die Voraussetzungen geschaffen werden, damit zu arbeiten!
Was habe Sie, mit dieser Lernkurve im Hinterkopf, für die Leipziger Buchmesse im April 2023 in der Pipeline?
Pienkoß: Der VBM ist auf der Buchmesse vor allem mit zwei Aktivitäten vertreten: Der Gemeinschaftsstand kleinerer Verlage bietet spannenden Nischen-Anbietern die Möglichkeit, ihr ganz spezifisches Portfolio für Schule & Co. anzubieten. Dazu organisieren wir zusammen mit der Leipziger Buchmesse erstmals ein „Forum Unterrichtspraxis“ in Halle 2. In dem Programm vier Messetage abdeckenden Programm geht es um die Herausforderungen, die die Lehrenden heute ganz konkret umtreiben: Das sind – natürlich! – die schon angesprochenen Digital-Themen. Aber zum Beispiel auch Fragen zur Resilienz: Wie schaffe ich es, in „schwierigen“ Klassen klarzukommen – und trotzdem noch Spaß an meiner Arbeit zu haben?
Im März 2019 gab es im Rahmen der Buchmesse unter dem Motto „Zukunft gestalten!“ den Deutschen Lehrertag, eine Gemeinschaftsveranstaltung, die der VBM zusammen mit dem VBE Bundesverband und dessen Landesverbänden in Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen organisiert hat…
Pienkoß: Die Pandemie hat, wie schon erwähnt, Spuren im Veranstaltungsgeschäft hinterlassen. Wir haben gemeinsam mit der Leipziger Buchmesse, die jetzt wieder ins Laufen kommen muss und wird, entschieden, dass ein praxisnahes Forum mitten in den Hallen aktuell das bessere Format ist – es zieht die Leute einfach schneller und direkter an, als eine Parallelveranstaltung im Kongresszentrum. Aber wir bereiten sehr wohl schon jetzt für das Jahr 2024 wieder einen Deutschen Lehrertag in Leipzig vor. Ich bin da optimistisch: Das Bedürfnis nach direkten Begegnungen ist mit Händen zu greifen – bei allen Unsicherheiten, die die Menschen gerade umtreiben. Auf der Learntec Ende Mai in Karlsruhe etwa hat ein Fachgespräch im Schnitt 45 Minuten gedauert! Die Besucherinnen und Besucher haben oft ein profundes Vorwissen, sie kommen mit viel spezifischeren Fragen und haben deutlich mehr Beratungsbedarf als früher. Noch vor 15 Jahren konnte man erleben, wie Messebesucher stumm Info-Material in ihre Taschen packten: Diese Zeiten sind wirklich vorbei.