Autor: Nils Kahlefendt

Der Verlagsgründer schaut zu: Verleger Arno Kleibel mit Autorin Ana Marwan (c)nk

Von Trakl bis Marwan
8. Februar 2023
Gebrauchsanweisung für Österreich, Gast der Leipziger Buchmesse 2023, Folge 2: Der Salzburger Verlag Otto Müller gilt mit seinem ambitionierten Programm als einer der wichtigsten Literaturverlage der Alpenrepublik
Autor: Nils Kahlefendt

Der Verlagsgründer schaut zu: Verleger Arno Kleibel mit Autorin Ana Marwan (c)nk

Von Trakl bis Marwan
8. Februar 2023
Gebrauchsanweisung für Österreich, Gast der Leipziger Buchmesse 2023, Folge 2: Der Salzburger Verlag Otto Müller gilt mit seinem ambitionierten Programm als einer der wichtigsten Literaturverlage der Alpenrepublik

Nach Lehrjahren in Druckereien, Buchhandlungen und Verlagen gründete der 1901 in Karlsruhe geborene Otto Müller 1937 in Salzburg sein eigenes Unternehmen. Was ihm vorschwebte, war so etwas wie ein Universal-Verlag, in dem von der Lyrik bis zum Sachbuch, vom Unterhaltungsroman bis zur theologischen Studie alles seinen Platz haben sollte. Von der Gestapo verhaftet, wurde er unter der Auflage freigelassen, seinen Verlag zu liquidieren; erst im Frühjahr 1945 konnte er darangehen, sein Haus neu aufzubauen. 

Als Arno Kleibel den Verlag seines Großvaters im Oktober 1986 übernahm, war er 25 Jahre jung und, trotz Buchhandels-Lehre, blutiger Anfänger in der Branche. Am ersten Arbeitstag ein Grundkurs Pressearbeit, das erste Interview auf der Frankfurter Buchmesse. Zurück in Salzburg der erste Autoren-Anruf, am Apparat: H.C. Artmann. Der Autor, dessen 100. Geburtstag bei unseren Nachbarn heuer groß gefeiert wird, hatte das Buch, mit dem er berühmt wurde, 1958 bei Otto Müller verlegt: „Med ana schwoazzn Dintn“, Startauflage 4000 Exemplare, innerhalb von sechs Monaten wurde dreimal nachgedruckt. 

H. C. Artmann, einer der Hausgötter von Otto Müller, hätte 2021 seinen 100. Geburtstag gefeiert (c)nk

Viel erfolgreicher, zumal nach Premiere der ersten Verfilmung mit Fernandel und Gino Cervi, war in den 1950er Jahren Giovanni Guareschis „Don Camillo und Peppone. Heute schätzt man das Salzburger Traditionshaus für ausgezeichnete Belletristik, von Georg Trakl über Srečko Kosovel bis zu Ana Marwan. Eben hat die junge Bachmann-Preisträgerin des Jahres 2022 den Herausgeber-Staffelstab der bei Otto Müller verlegten Zeitschrift „Literatur und Kritik“ von Karl-Markus Gauß übernommen. 

Die Rechte am Werk Georg Trakts hatte Otto Müller schon 1937 erworben (c)nk

Entdeckt ein kleinerer österreichischer Verlag wie Otto Müller ein großes literarisches Talent wie die 1977 im siebenbürgischen Hermannstadt geborene Iris Wolff, weckt das rasch die Begehrlichkeiten von Verlagen im Nachbarland – seit „Die Unschärfe der Welt“ (2020) erscheinen Wolffs Bücher bei Klett-Cotta in Stuttgart. „Verpuppt“, der zweite Roman von Ana Marwan, ist jedenfalls Ende Jänner bei Otto Müller erschienen – die Klagenfurt-Siegerin wird damit auch in Leipzig zu erleben sein.  

Profi für Förderanträge: Robert Stocker, Leiter der Literaturabteilung im Ministerium für Kunst und Kultur (c)nk

Warum Österreich vor allem ein Land der kleinen Verlage ist und wie diese gefördert werden, erfahren wir bei Robert Stocker, Leiter der Literaturabteilung im Ministerium für Kunst, Kultur, öffentlichen Dienst und Sport. „Die 1992 ins Leben gerufene Verlagsförderung“, sagt Stocker, „ist ein interessantes Modell, auch auf europäischer Ebene“. Damals brachen größere Player und Finanziers im Verlagssektor weg: So wurde im Oktober 1991 – nach über 100 Jahren wechselvoller Geschichte – die sozialdemokratische Arbeiter-Zeitung (AZ) eingestellt; Anfang der Nullerjahre ist der Bundesverlag verkauft worden. Die Verlagsförderung basiert auf drei Säulen: Sie ist zum einen als Kultur- nicht als Wirtschaftsförderung angelegt, es werden ganze Programme gefördert, förderwürdig sind auch Werbe- und Vertriebsmaßnahmen. Rund 35 bis 40 Publikumsverlage erhalten so in mehreren Tranchen pro Jahr insgesamt rund drei Millionen Euro. 

Lesetipps:

H. C. Artmann: Med ana schwoazzn dintn. Gedichte. Otto Müller Verlag, 96 Seiten, 23 Euro.

Ana Marwan: Verpuppt. Roman. Aus dem Slowenischen von Klaus Detlef Olof. Otto Müller Verlag, 220 Seiten, 24 Euro. 

Beitrag teilen


„Um ein Land kennenzulernen, gibt es viele Wege“, schreibt Karl-Markus Gauß zum Gastlandprojekt Österreich bei der Leipziger Buchmesse 2023. Der „Königinnenweg“ ist laut Gauß: die Literatur. Bis zum Beginn der Leipziger Buchmesse (27. – 30. April) nehmen wir den in Salzburg lebenden Autor beim Wort – und bringen Ihnen in loser Folge das Literaturland Österreich nahe.

Weitere Beiträge, die Sie interessieren könnten

International Slider

„Es geht immer ums Vollenden“ 

Buchmesse-Nachschlag, Teil 3: Unter dem Motto „meaoiswiamia“ feierte Österreich die Vielfalt seiner Literatur. Insgesamt kamen rund 200 Autorinnen und Autoren aus Österreich zu mehr als 110 Veranstaltungen auf dem Messegelände und in der Stadt.

Leipzig liest Slider

Endlich! Wieder! 

Buchmesse-Nachschlag, Teil 1: Die erste Gewandhaus-Eröffnung seit vier Jahren wurde mit überschäumender Freude gefeiert – überschattet vom Angriffskrieg auf die Ukraine. Aufmerksamkeitsdusche, reloaded.

Wir

„Kein Schreibtisch-Job“ 

Bitte nicht alle auf einmal: Als Referent für die Tageskassenkoordination kümmert sich Tom Geißler darum, dass wir Besucher möglichst reibungslos zu unseren Tickets und aufs Messegelände kommen. Das ist alles andere als trivial

International

Leben und Schreiben

Intelligent und unterhaltsam: Der Podcast „Literaturgespräche aus dem Rosa Salon“ mit Katja Gasser verkürzt die Zeit bis zum Gastlandauftritts Österreichs im Frühjahr.

Wir

Ideen Raum geben 

Es gibt nichts Gutes, außer man tut es: Als Teamleiter bei der Leipziger Messe-Tochter FAIRNET kümmert sich Christian Merkel darum, tolle Ideen auf die Straße zu bringen.

Wir

Brücke zum Osten

März-Splitter (1): Statt Messe-Eröffnung feierte Leipzig die Verleihung des Buchpreises zur Europäischen Verständigung

Leipzig liest

Ort des Lebens

Mit Literatur lockt Leipzig liest an mehr als 400 Locations. Eine der außergewöhnlichsten ist der Leipziger Südfriedhof.