„Meine erste Liebe“, sagt Heather Metje, „war das Theater“. Metje, seit letzten März als Abteilungsleiterin in einer Schlüsselfunktion im Team der Leipziger Buchmesse, sagt das nicht, weil wir uns im „Pilot“, dem Restaurant im Leipziger Schauspielhaus in der Bosestraße, zum Gespräch verabredet haben. Sondern deshalb, weil sich die Leidenschaft für die Bretter, die angeblich die Welt bedeuten, wie ein roter Faden durch ihr bewegtes Leben zieht. Geboren in Oklahoma City, der Hauptstadt des gleichnamigen US-Bundesstaats, zog es sie in den 1990er Jahren nach New York: An der New York University/Tisch School of Arts (NYU Tisch) studierte sie Schauspiel – wechselte aber nach zwei Jahren vom hochenergetischen, immer etwas zu schnellen, zu lauten Big Apple nach Kalifornien. In Los Angeles nahm sie ein Studium der Liberal Arts mit einem Schwerpunkt in Psychologie auf – eine hierzulande noch nicht sehr bekannte, breit angelegte Bachelor-Ausbildung, die auf Grundlagen des wissenschaftlichen Arbeitens und Wissenschaftsreflexion setzt. Das Theater und ihr Interesse für Menschen und ihre Geschichten verlor sie auch in dieser Zeit nicht aus den Augen. Dem Bachelorabschluss in Los Angeles folgte schließlich ein Jura-Abschluss, jetzt wieder in New York, wo sie nach dem Studium auch als Rechtsanwältin arbeitete. If I can make it there, I’m gonna make it anywhere.
Mancher Lebenslauf würde an dieser Stelle enden, frei nach Georg Büchners Lenz-Novelle: So lebte er hin. Heather Metje startete stattdessen parallel zu ihren beruflichen Verpflichtungen mit einer eigenen NGO durch, Artfully Unforgotten nannte sich das spannende Projekt. Im „Pilot“ erzählt sie, wie es dazu kam: Die junge Anwältin war nach Ruanda gereist, und wurde in einem Waisenhaus mit den Folgen des Völkermords konfrontiert: 1994 töteten Angehörige der Hutu-Mehrheit in annähernd 100 Tagen rund 75 Prozent der in Ruanda lebenden Tutsi-Minderheit. Von bis zu 800.000 Toten ist die Rede, genaue Zahlen zu diesem Genozid existieren nicht. „Ich habe Interviews geführt, Bilder und kleine Videos erstellt“, erinnert sich Heather Metje. „Zurück in New York habe ich die Geschichten dieser vergessenen Kinder Künstlerinnen und Künstlern erzählt, die sie in ihren Arbeiten weitergetragen haben. Anschließend gab es eine Auktion der entstandenen Kunstwerke, das erlöste Geld ist in Projekte in Ruanda geflossen.“ Ein ähnliches Projekt für Frauen und Kinder führte Heather Metje später noch nach Afghanistan.
2008 lernte Heather Metje in den Staaten ihren späteren Mann kennen, einen Deutschen. 2011 zog das Paar zusammen – in Düsseldorf wurden noch vierzehn Tage Umzugskisten gepackt, dann wagten die beiden den Sprung nach Leipzig, wo ihr Mann Leiter des Büros des Rektors und Kanzlers an der HHL Leipzig Graduate School of Management wurde. Heather lernte Deutsch – und begann, an der Universität Leipzig eine Doktorarbeit zu schreiben. Die alte Theater-Begeisterung hatte sich zurückgemeldet. Es war wesentlich Sonja Staar, Kustodin der Kunstsammlung der Gedenkstätte Buchenwald, die sie mit einer Aufführung von William Shakespeares „Was ihr wollt“ aus dem Sommer 1944 bekannt machte – nicht im Deutschen Nationaltheater Weimar, sondern wenige Kilometer entfernt, im Konzentrationslager Buchenwald. Die Akteure dieser und anderer Aufführungen waren – Häftlinge des KZ. Heather Metje tauchte tief ab in die Geschichte, und verteidigte 2017 erfolgreich ihre Dissertation „The Stories They Told – German Language Theater in Buchenwald Concentration Camp“. Die Geburt ihrer beiden Kinder, sagt sie, war „die beste Motivation“, ihre Forschungen erfolgreich abzuschließen. Bis Anfang 2025 arbeitete Heather Metje dann in einem ganz anderen Metier: In der Abteilung Internationale Beziehungen der HHL koordinierte sie Austausch-Programme und Summer-Schools; später übernahm sie die Leitung des Qualitätsmangements mit der Verantwortung für die Akkreditierungen der ältesten und bekanntesten Wirtschaftshochschule in Ostdeutschland. Es lief, wie man so sagt.
Irgendwann hat sich Heather Metje dennoch entschieden, noch einmal eine neue Herausforderung zu suchen. „Ich mag Geschichten“, sagt sie. „Und es bringt mir große Befriedigung, Dinge zu entwickeln, zu konzipieren – daraus schöpfe ich Energie.“ Sie entschied sich für eine Initiativbewerbung bei der Leipziger Messe. „Was bist du?“ wollte ihr Mann bei der Vorbereitung der Bewerbungsunterlagen von ihr wissen. Gute Frage, erinnert sich Heather Metje lächelnd: „Anwältin? Fundraiserin? Psychologin? Oder gar Schauspielerin? Mir wurde wieder einmal klar, dass ich in keine Schublade passe. Manchmal ist das vorteilhaft, manchmal macht es das Leben etwas schwerer.“ Auch wenn, im Rückblick, nicht immer alles einfach war – Heather ist ausgesöhnt mit ihrem Berufsweg. „Ich hatte Glück, so viele Chancen zu bekommen, in so unterschiedlichen Bereichen arbeiten zu können und so viele spannende Menschen kennenzulernen.“
Die Bewerbung ist erfolgreich; Anfang März 2025 tritt Heather Metje ihre neue Stelle bei der Leipziger Buchmesse an – nur wenige Wochen, bevor sich die Tore auf dem neuen Messegelände öffnen. „Es war ein schneller Deep-Dive“, erinnert sich Heather. Über ihre neuen Kolleginnen und Kollegen ist sie voll des Lobs: „Ich war zwar da – aber den wirklichen Stress hatten all die anderen, die die Messe seit Monaten geplant hatten.“ Doch im Messegeschäft ist das Jahr ein Zirkel: Egal, wann man einsteigt – es fühlt sich immer neu an. Ihren Team-Kolleginnen will sie „ein guter Sparringspartner“ sein. Wie sieht Heather Metje uns Büchermacher und -macherinnen eigentlich von außen, mit dem unbestechlichen Blick der Seiten-Einsteigerin? „Es ist zuallererst eine sehr warmherzige Branche“, sagt sie. Die Menschen, die ich bislang kennengelernt habe, glauben an ihr Produkt. Uns verbindet die Überzeugung, dass Bücher und Medien wichtig für die Gesellschaft sind.“ Das Netz unabhängiger Buchhandlungen, das in Deutschland noch dicht geknüpft ist, hält die Managerin für ein wertvolles Gut – aus den USA kennt sie Landstriche, in denen die Buchhandelslandschaft extrem ausgedünnt ist. In Leipzig mag sie die kleinen Buchhandlungen und nennt Siebter Himmel und Rotorbooks in der Kolonnadenstraße. „Meine Lieblingsstraße.“ Es sieht so aus, als würde sich die Wahlleipzigern Heather Metje gerade wieder einmal neu erfinden. Eine Übung, die mancher nur einmal im Leben hinbekommt, ihr aber sichtlich Spaß macht: „Hinter jeder Kurve wartet eine neue Herausforderung.“
















































