Für Guntram Vesper war der Roman „Frohburg“ so etwas wie ein Lebensprojekt. An die zehn Jahre währte die Schreibarbeit, erst ab 2010 übertrug er seine handschriftlichen Manuskripte auf einen Computer. Sollte er dieses stetig weiter wuchernde Opus magnum überhaupt veröffentlichen? „Ich wusste, dass ich hier über meine heiligsten Bezirke schreibe. Und mich damit auch angreifbar mache. Sich mit über 70 Jahren noch einmal dem rauen Wind des Literaturbetriebs aussetzen? Das hatte er doch alles hinter sich. Vesper erzählte schnurrige Details aus der Werkstatt: Von der ersten Postkarte, mit der er Klaus Schöfflings Neugier weckte, geschrieben in der Sachsenbaude auf dem Kleinen Fichtelberg bei Oberwiesenthal, bis zum letzten Lektorat in Rekordzeit. Zwei Tage später schickte Vesper das Konvolut – als Mail-Anhang. Klaus Schöffling las während seines Urlaubs in Oberitalien. Und war begeistert. Ein wenig bangte Vesper dann doch vorm Erscheinen: „Geht das Buch spurlos unter? Zieht es ein paar Kreise?“
Als „Frohburg“ dann auf der Nominiertenliste des Preises der Leipziger Buchmesse auftauchte, war Guntram Vesper eigentlich schon zufrieden. „Mit der Nachricht war ich im siebten Himmel! So konnte es bleiben.“ Als am Messedonnerstag 2016 unter der Glashallenkuppel der Preis in der Kategorie Übersetzung an Brigitte Döbert für ihre kongeniale Übertragung von Bora Ćosićs ebenfalls bei Schöffling erschienenen Roman „Die Tutoren“ ging, dachte Vesper: „OK, das war’s jetzt. Es war eh’ nur eine Fünf-Prozent-Chance.“ Dann der Paukenschlag. Überraschung, Rührung, Umarmung des bärtigen Verlegers. „Ich war völlig perplex, hatte mir natürlich nichts zurechtgelegt.“ Am Messe-Samstag ging es weiter, ins echte Frohburg. „In Borna habe ich mir die ‚Welt’ gekauft; über Richard Kämmerlings’ Rezension stand: ‚Jahrhundertroman’. Was sollte jetzt noch folgen?“
Nun, es folgte eine Menge. Lesungen, Interviews, Radio und Fernsehen. Vespers Exemplar von „Frohburg“ – Leinen, extradicker Schutzumschlag, farbiges Vorsatzpapier, Lesebändchen – hat die mehr als 150 Auftritte der letzten Jahre übrigens tadellos überstanden. „Mehr kann sich ein Autor nicht wünschen.“ An eine Lesung kann er sich noch besonders erinnern: Am 23. April 2016, dem Welttag des Buches, las Vesper aus „Frohburg“ – in Frohburg. 500 Menschen stürmten die Fabrikationshalle der Tischlerei Graichen, aus der die Maschinen heraus- und Stuhlreihen hineingeschoben worden waren. Einer der Graichens war mit Vesper in eine Klasse gegangen, damals. Ebenso bewegend: Auf Vermittlung einer ehemaligen Mitschülerin konnte Vesper im letzten Sommer – nach 62 Jahren! – sein Geburtshaus in der Greifenhainer Straße wiedersehen. In der Wohnung im ersten Stock, wo die Großeltern lebten, war sogar die alte Schiebetür aus Kindertagen erhalten geblieben. Ãœber all’ das führt Vesper Tagebuch. „Über fünf Millionen Zeichen“, laut PC. Schon jetzt der doppelte Umfang von „Frohburg“. Für Guntram Vesper ermöglicht der sensationelle Erfolg seines Buchs so etwas wie eine Heimkehr. Es ist eine wichtige Begleiterscheinung des Preises, dass er nun entspannt und wach, ganz real, durch seine Vergangenheit gehen kann. „Für meinen schriftstellerischen Zugriff“, sagt er lachend, „liegt sie nun günstiger“.