Am Anfang stand, fern aller krachlederner Assoziationen, ein Ausflug nach Bayern: Ein „Novemberfest“ mit Kunstmann aus München und dem Maro Verlag aus Augsburg, moderiert von Hanser-Verleger Michael Krüger, gab 1997 im Leipziger Literaturhaus den Startschuss für die bücher.macher. Komplettiert wurde der Abend durch eine Ausstellung und Lesungen, am Abend legten die DJs vom Weilheimer Hausmusik-Label ihre Lieblingsplatten auf. „Wie überlebt man gute Bücher?“, Klaus Wagenbachs klassische Frage, stand leitmotivisch über diesem Happening – und nur ein halbes Jahr später leuchteten Wagenbachs rote Socken wie kleine Glühwürmchen vom Podium. Das Konzept, aktuelle Branchenthemen für ein breites Publikum aus Profis und Messebesuchern aufzubereiten, ging auch in den Folgejahren auf. Seit 2012 wird das bücher.macher-Podium von der Leipziger Buchmesse veranstaltet. Das von Felicitas von Lovenberg, nun von Andreas Platthaus moderierte Panel ist ein Fixpunkt am ersten Messetag – wer sich auf das, was die Gespräche der nächsten vier Tage mitbestimmen wird, schon ein wenig einschwingen will, ist hier goldrichtig. Noch immer stehen besonders Aspekte des unabhängigen Verlegens im Fokus. Die Euphorie der Nullerjahre, in denen junge Print-Verlage an den Festen der Buchhandels-Welt rüttelten, ist längst in der digitalen Welt angekommen – eine Entwicklung, die sich auch in Themen und Gästen der bücher.macher wiederspiegelt. Beherzt gestritten und diskutiert wird dabei immer.
Was heißt eigentlich „unabhängig“?
Mit dem unerwarteten Brexit, der zugespitzten Lage in der Türkei oder der Wahl Donald Trumps hat das vergangene Jahr, häufiger als uns lieb war, gezeigt, dass kulturelle Vielfalt, Austausch und die Freiheit des Wortes, auf denen das Geschäft unserer Branche ja letztlich beruhen, keine Selbstverständlichkeiten sind. Gleichzeitig erlebt die Buchwelt den vermutlich massivsten strukturellen Umbruch seit Gutenberg – auch das ein weltweiter Prozess. Darüber, wie sich jenseits der bestsellergeriebenen Produktion großer Konzerne neue verlegerische Konzepte durchsetzen, womöglich neue Allianzen schmieden lassen, werden die bücher.macher 2017 sprechen. Und darüber, wie unabhängig „unabhängige Verlage“ eigentlich sind – Fragen, bei denen es guttut, den deutschen Blick zu erweitern.
Bibliodiversität – das neue Bio der Indie-Verlagswelt?
Den weitesten Weg nach Leipzig hat diesmal Susan Hawthorne, die seit 1991 gemeinsam mit Renate Klein im australischen Melbourne den feministischen Verlag Spinifex Press betreibt. Die deutsche Ausgabe ihres bereits in mehrere Sprachen übersetzten Buchs „Bibliodiversität. Manifest für unabhängiges Publizieren“ erscheint zur Messe im Verbrecher Verlag. Der Begriff, inspiriert vom strukturell verwandten der Biodiversität, umschreibt ein ‚organisches’ verlegerisches Konzept, dass sich vom ‚big business’ der großen Konzerne unterscheidet: Die Herstellung kultureller Vielfalt unter besonderer Berücksichtigung vermeintlich „kleiner“ Literaturen, ökologisches Bewusstsein, die Überwindung des Nord-Süd-Gefälles – am Ende gar so etwas wie das neue Bio der weltweiten Indie-Verlagsszene. Auf dem Podium trifft Hawthorne auf ihre junge Berliner Kollegin Nikola Richter (Mikrotext), die Literaturagentin Elisabeth Ruge und Muge Sokmen, Mitbegründerin von Metis Publishers (Istanbul), einem der führenden unabhängigen Verlage der Türkei, die in den letzten Monaten unter anderem für die Freilassung der Autorin Aslı Erdoğan gestritten hat. Dass „Bibliodiversity“ nun auch im Deutschen einzieht, freut Verleger Jörg Sundermeier (Verbrecher Verlag); ein Stachel gegen jene, die Indies für eine Quantité négligeable halten: „Wir sind vielleicht nicht mächtig – aber bibliodivers. Und was bist du?“
How Indie Are You? Die Zukunft der unabhängigen Verlage. Mit Susan Hawthorne (Spinifex Press), Nikola Richter (Mikrotext), Elisabeth Ruge (Elisabeth Ruge Agentur) und Muge Sokmen (Metis Publishers). Moderation: Andreas Platthaus (FAZ). Donnerstag, 23. März 2017, 14 Uhr, CCL, Mehrzweckfläche 4.
www.leipziger-buchmesse.de/buechermacher
Fotos: Naomi McKesher, Klaas Posselt, Stefan Nimmesgern, Metis Grafik: bureau david voss