Autor: Nils Kahlefendt

Foto: Isabelle Grubert

Geschichten-Erfinder mit Leidenschaft
16. Januar 2019
Der Kinderbuchautor, Zeichner und Vorleser Ingo Siegner über Kreativität, Ruhm und seine Anfänge als freier Künstler.
Autor: Nils Kahlefendt

Foto: Isabelle Grubert

Geschichten-Erfinder mit Leidenschaft
16. Januar 2019
Der Kinderbuchautor, Zeichner und Vorleser Ingo Siegner über Kreativität, Ruhm und seine Anfänge als freier Künstler.

Sie sind im niedersächsischen Großburgwedel bei Hannover aufgewachsen; Wikipedia verzeichnet dort zwar Dirk Roßmann, Gründer der gleichnamigen Drogeriemarktkette, Christian Wulff oder den Fußballer Steven Cherundolo – aber nicht Ingo Siegner, den Schöpfer des kleinen Drachen Kokosnuss. Wurmt Sie das?

Ingo Siegner: Da muss ich wohl mal hingehen (lacht). Nein, das sehe ich gelassen. Das hat mit meinem alltäglichen Leben nichts zu tun …

Sie gelten als der Mann mit den drei Berufen: Kinderbuchautor, Zeichner, Vorleser. Es heißt zwar „im Anfang war das Wort“ – bei Ihnen war es aber das gesprochene Wort, oder?

Siegner: Ich wurde durch meine jüngeren Geschwister zum Vorleser. Ich habe die Szenen dann meist ein bisschen theatralisch ausgeschmückt, mit verstellter Stimme gelesen. Das waren die Ursprünge, so mit zehn, zwölf Jahren.

Und wie kamen Sie zum Zeichnen?

Siegner: Das war etwas später. Als Jugendlicher habe ich gern Comics abgezeichnet. Das waren vor allem Asterix und Obelix. Ich war überrascht, dass ich das gut hinbekam. Das Zeichnen hat mich dann begleitet, von der Geburtstags-Einladung bis zum Party-Flyer unserer Studenten-WG. Da hieß es meist: „Ingo, kannst du die Einladung zeichnen?“ So ist das, über viele Jahre, langsam gewachsen.

Beruflich ging es aber erst in eine andere Richtung. Sie haben eine Lehre zum Sparkassenkaufmann absolviert, später studiert und als Kinderbetreuer gejobbt. Wie kam es zu Ihrem Coming-out als freier Künstler?

Siegner: Ursprünglich wollte ich ja Olympiasieger im Marathon werden (lacht), aber das hat nicht geklappt. Die Initialzündung war vermutlich ein Abend in Südfrankreich; ich war als Kinderbetreuer für einen Reiseveranstalter tätig und habe abends eine Geschichte, die ich mir in der Mittagspause ausgedacht hatte, einer Kindergruppe erzählt – und einigen Eltern. Die sagten unisono: „Mensch, da solltest du was draus machen!“ Die kopierten Bildergeschichten, die daraus entstanden, kamen dann viel später und eher zufällig, über einen Literaturagenten, in die Hände eines Verlags.

Angesichts Ihrer Millionenauflagen wirken diese Anfänge ja beinahe rührend. Haben Sie eine Erklärung für den Erfolg?

Siegner: Das hört sich alles so locker-flockig an. Aber ich glaube, die Dinge, die man in der Kindheit und Jugend mit einer gewissen Leidenschaft macht, die lernt man auch gut. Insofern ist der Grundstein damals gelegt worden. Nachdem ich versucht habe, den klassischen Weg zu gehen – Schule, Beruf, Studium, Jobs – habe ich mich darauf besonnen, was mir immer Spaß gemacht hat. Da war ich fast Mitte 30. Und jetzt, auch nach dem 26. Kokosnuss-Band, hat sich die Liebe zu dem, was ich mache, nicht verbraucht. Die Leidenschaft zu schreiben, Geschichten zu erfinden, ist nach wie vor da. Und wichtig ist natürlich, dass man einen guten Verlag und jede Menge neugieriger Buchhändlerinnen an seiner Seite hat.

Wie können Eltern die Kreativität der eigenen Kinder erkennen und fördern?

Siegner: Vorlesen ist wichtig, ganz klar. Das kann man gar nicht hoch genug einschätzen. Die Fähigkeit, sich in Geschichten hineinzuversetzen, zuzuhören, Empathie und Fantasie zu entwickeln, wird ziemlich früh angelegt.

Sie absolvieren über 100 Auftritte pro Jahr – wie schafft man so ein Mammutprogramm?

Siegner: Ich jongliere ein bisschen mit den Elementen Schreiben, Illustrieren, Vorlesen… Aber es macht halt auch Spaß: Ich lese gern in Schulen, in Buchhandlungen, Bibliotheken, Kindergärten – das ist abwechslungsreicher, als Sie denken.

Wie kriegt man einen Sack Flöhe mucksmäuschenstill?

Siegner: Ich bin in einer privilegierten Situation. Ich muss den Kindern keine Mathematik oder Rechtschreibung beibringen – ich bin der Typ, der Abenteuergeschichten erzählt. Aber Spaß beiseite: Die Kinder ernst nehmen und lieben – das ist der Schlüssel. Ich will meinen kleinen Zuhörerinnen und Zuhörern nichts beibringen – die sollen eine schöne, lustige, spannende Stunde haben.

Hinweis: Zur kommenden Leipziger Buchmesse wird Ingo Siegner, der zur Zeit am 27. „Kokosnuss“-Band sitzt, beim Familiensonntag (24. März 2019) auftreten. Die Tickets sind kostenfrei, müssen aber aufgrund der begrenzten Kapazität im Ticketshop www.leipziger-buchmesse.de/ticket mit dem Aktionscode LBM19KOKOS erworben werden.

Beitrag teilen


Ingo Siegner wurde 1965 in Hannover geboren und wuchs mit seinen Geschwistern im nahen Großburgwedel auf. Nach dem Schulabschluss zog er in die niedersächsische Landeshauptstadt und absolvierte eine Ausbildung zum Sparkassenkaufmann. In Hannover und im elsässischen Mulhouse studierte er anschließend Geschichte und Französisch und begann parallel eine Tätigkeit als Kinderbetreuer für ein Reiseunternehmen. Als Zeichner ist Siegner Autodidakt, was dem Erfolg seines Werks keinen Abbruch tut. Besonders die Geschichten um den kleinen Drachen Kokosnuss entwickelten sich in kurzer Zeit zu Bestsellern; dazu eroberte die Buchserie die Bühne und wurde verfilmt. 2012 wurde Ingo Siegner zum Lesekünstler des Jahres ausgezeichnet.

Weitere Beiträge, die Sie interessieren könnten

Leipzig liest Slider

Zauber des Anfangs 

Beim Festival Literarischer Herbst bietet „Beste erste Bücher“ im Ost-Passage Theater eine Bühne für die großen Stimmen von morgen. 2025 wird das Format erstmals auch im Rahmen der Leipziger Buchmesse präsentiert.  

Bildung Slider

Die Welt erlesen 

Was mit Medien: In Kooperation mit der Jugendpresse Sachsen blicken Schülerzeitungs-Redaktionen hinter die Kulissen der Leipziger Buchmesse

International Slider

Der Dauerglücksfall

Norwegen, das Gastland der kommenden Leipziger Buchmesse, wirft kräftige Schatten voraus: Gerade wurde in Sachsen der erste Norwegische Lesekreis gegründet – ein Beispiel, das Schule machen soll.

Literarisches Leben Slider

„Gute Bücher übersetzen ist leicht!“ 

20 Jahre Preis der Leipziger Buchmesse (4): 2018 ging der Preis in der Sparte Übersetzung an Sabine Stöhr und Jurij Durkot für ihre Übertragung von Serhij Zhadans Roman „Internat“. Inzwischen hat der Ukrainer, der lange mit Worten und Musik für die Sache seines Landes gekämpft hat, zur Waffe gegriffen.

Slider Wir

Back to the Roots 

Von der klassischen ‚PK’ bis ‚unter drei’: Der Thüringer Felix Wisotzki, Pressesprecher der Leipziger Buchmesse, organisiert die Kommunikation des Branchen-Großereignisses. Mit der Arbeit fürs Buch ist der studierte Amerikanist zu einer frühen Leidenschaft zurückgekehrt

Leipzig liest Slider

Fest des freien Wortes 

Buchmesse-Nachschlag, Teil 4: Mit Leipzig liest swingte eine ganze Stadt vier Tage lang im Takt der Literatur. Die heißgeliebte fünfte Jahreszeit – sie war zurück!

Literarisches Leben Slider

Fortüne & Phantasie 

Buchmesse-Nachschlag, Teil 3: In Zeiten zunehmender Markt-Konzentration stehen Independent-Verlage für eine bunte, vielfältige Bücherlandschaft. In Leipzig kommen auch die Kleinen groß raus

International Slider

Wahres Wunder Freundschaft

Buchmesse-Nachschlag, Teil 1: Die Buchmesse eröffnete mit Bundeskanzler Olaf Scholz und der Verleihung des Leipziger Buchpreises zur Europäischen Verständigung an Omri Boehm. Der Gaza-Konflikt platzte in einen Festakt hinein, in dem es um Identitätspolitik und ihre Überwindung ging

Leipzig liest Slider

„Vor allem Frauen“ 

Alles außer flach (3): In einer kleinen Serie stellen wir kreative Köpfe aus den Niederlanden & Flandern, Gastland der Leipziger Buchmesse, vor. Heute: Die flämische Schriftstellerin Annelies Verbeke

Leipzig liest Slider

Und dann hat’s BUMM! gemacht

Alles außer flach (4): In einer kleinen Serie stellen wir kreative Köpfe aus den Niederlanden & Flandern, Gastland der Leipziger Buchmesse, vor. Heute: Matthijs de Ridder, der die flämische Avantgarde-Ikone Paul van Ostaijen an die Pleiße holt

Leipzig liest Slider

Please look at the Basement! 

Alles außer flach (2): In einer kleinen Serie stellen wir kreative Köpfe aus den Niederlanden & Flandern, Gastland der Leipziger Buchmesse, vor. Heute: Der flämische Schriftsteller und Bildende Künstler Maarten Inghels

Leipzig liest Slider

Digitale Literaturwelten 

Alles außer flach (1): In einer kleinen Serie stellen wir kreative Köpfe aus den Niederlanden & Flandern, Gastland der Leipziger Buchmesse, vor. Heute: Poetische VR und eine Geschichten-Erzählmaschine

Literarisches Leben Slider

Starke Frauen

Kurt Wolff Preis für den AvivA Verlag: Seit einem Vierteljahrhundert bringt Britta Jürgs mit Energie und Spürsinn die weiblichen Stimmen der Weltliteratur zur Geltung 

Comic & Manga

Der Klempner

Beziehungs-Kisten (IV): Comic-Helden können ein Leben verändern. Heute: Sebastian Röpke (Comic Combo) über Hellboy.