Autor: Nils Kahlefendt

Annelies Verbeke mit ihrem schon im letzten Oktober im Mainzer Golden Luft Verlag erschienenen Erzählband (c)nk

„Vor allem Frauen“ 
15. März 2024
Alles außer flach (3): In einer kleinen Serie stellen wir kreative Köpfe aus den Niederlanden & Flandern, Gastland der Leipziger Buchmesse, vor. Heute: Die flämische Schriftstellerin Annelies Verbeke
Autor: Nils Kahlefendt

Annelies Verbeke mit ihrem schon im letzten Oktober im Mainzer Golden Luft Verlag erschienenen Erzählband (c)nk

„Vor allem Frauen“ 
15. März 2024
Alles außer flach (3): In einer kleinen Serie stellen wir kreative Köpfe aus den Niederlanden & Flandern, Gastland der Leipziger Buchmesse, vor. Heute: Die flämische Schriftstellerin Annelies Verbeke

„Ich hatte einen blinden Fleck in Bezug auf all die Frauen, die vor mir geschrieben haben“, sagt Annelies Verbeke im prächtigen, holzgetäfelten Veranstaltungsraum von Flanders Literature in der Langen Leemstraat von Antwerpen. Verbeke, geboren 1976 im belgischen Dendermonde, schreibt Romane, Kurzgeschichten, Theaterstücke und Drehbücher. Ihre Werke wurden in 26 Sprachen übersetzt und vielfach ausgezeichnet, unter anderem mit dem J.M.A. Biesheuvel-Preis. Annelies Verbeke ist Mitglied der niederländisch-flämischen Kollektivs Fixdit, einer Vereinigung von zwölf Autorinnen, die sich für mehr Gleichberechtigung in der Literaturbranche einsetzt.

Das während der Corona-Pandemie gegründete Fixdit-Kollektiv startete einen von Annelies Verbeke und Jannah Loontjens betriebenen Podcast über Klassiker des 20. Jahrhunderts aus der Feder von Frauen – und veröffentlichte unter dem Titel Optimistic Anger ein Manifest, in dem Geschlechtervorurteile und -ungleichheit vor ihrem historischen Hintergrund und im internationalen Kontext diskutiert werden: Wer waren die weiblichen Vorgängerinnen und warum wurden sie nicht kanonisiert? Welche Autorinnen aus aller Welt prägen die Arbeit des Kollektivs? Und in welchen Genres drücken sie sich aus? Gibt es so etwas wie ‚weibliche Literatur’? Und vor allem: Was können Schreibende, Lesende und Buchhändlerinnen tun, um diese weiblichen Stimmen zu verstärken? Eine vielstimmige Debatte über literarische Polyphonie brach sich Bahn. „Es brauchte lange, bis ich begriff, dass man etwas tun muss, um den Kanon zu verändern“, sagt, Verbeke. „Von allein passiert nichts.“ 

Nach Leipzig reist Annelies Verbeke mit einem kleinen, feinen Band aus dem noch relativ jungen Golden Luft Verlag (Mainz). Ein Verlag, der sich der Edition ausgewählter literarischer Texte in schönen Ausgaben verschrieben hat und sich dabei vor allem der kleinen Form verschrieben hat – Prosastücke, Lyrik und Erzählungen –, die in der heutigen Literaturlandschaft oftmals übersehen wird. Das Spektrum der Autorinnen und Autoren reicht von Klassikern wie Stefan Zweig und Franz Kafka über Wiederentdeckungen wie Emmanuel Bove und Jean Rhys bis hin zu renommierten zeitgenössischen Schriftstellern wie John Burnside und Esther Kinsky.

Die beiden für Verbekes Band ausgewählten Erzählungen sind ihrem Erzählwerk „Treinen en kamers“ (Züge und Räume) aus dem Jahr 2021 entnommen, in dem jeder Text durch eine Vorlage aus der Weltliteratur inspiriert wurde. „Verlorener Gesang“ besingt in klassischer Versform, die Homers Odyssee nachempfunden ist, das ewige Flüchtlingsdrama in den Lagern auf griechischen Inseln. Es ist ein berührendes Klagelied aus der Sicht eines verzweifelten Helfers. In „Mantel der Liebe“ findet eine Frau in einem vollbesetzten Zugabteil einen ihr heimlich zugesteckten Dolch. Langsam reift in ihr eine schreckliche Erkenntnis. Er stellt die Aufforderung dar, sich in Anverwandlung ihres Studiengegenstands, der mesopotamischen Dichterin Enheduanna, damit selbst zu töten.

Im Literaturhaus Leipzig werden zu Messe starke weibliche Stimmen aus den Niederlanden und Flandern zu erleben sein: Unter dem von Connie Palmens aktuellem Buch entlehnten Titel „Vor allem Frauen“ führt der Abend mit Connie Palmen, Annelies Verbeke, Mariken Heitman und Jasmin Galonski Autorinnen aus zwei Generationen zusammen – eine Feier der weiblichen Literatur. 

Wann & Wo

22. März, 15 Uhr, Messestand Gastland Niederlande / Flandern (Halle 4, D 300/C 301): Kopje Koffie mit Annelies Verbeke

22. März, 19 Uhr, Literaturhaus Leipzig: Vor allem Frauen. Lesung und Gespräch mit Connie Palmen, Annelies Verbeke, Mariken Heitman und Jasmin Galonski

Beitrag teilen

Weitere Beiträge, die Sie interessieren könnten

International Slider

Der Dauerglücksfall

Norwegen, das Gastland der kommenden Leipziger Buchmesse, wirft kräftige Schatten voraus: Gerade wurde in Sachsen der erste Norwegische Lesekreis gegründet – ein Beispiel, das Schule machen soll.

Leipzig liest Slider

Alles außer flach! 

Buchmesse-Nachschlag, Teil 5: Der opulente Gastlandauftritt der Niederlande und Flanderns war eine intelligent orchestrierte Charme-Offensive fürs deutsche Lesepublikum

Literarisches Leben Slider

„Gute Bücher übersetzen ist leicht!“ 

20 Jahre Preis der Leipziger Buchmesse (4): 2018 ging der Preis in der Sparte Übersetzung an Sabine Stöhr und Jurij Durkot für ihre Übertragung von Serhij Zhadans Roman „Internat“. Inzwischen hat der Ukrainer, der lange mit Worten und Musik für die Sache seines Landes gekämpft hat, zur Waffe gegriffen.

Slider Wir

Back to the Roots 

Von der klassischen ‚PK’ bis ‚unter drei’: Der Thüringer Felix Wisotzki, Pressesprecher der Leipziger Buchmesse, organisiert die Kommunikation des Branchen-Großereignisses. Mit der Arbeit fürs Buch ist der studierte Amerikanist zu einer frühen Leidenschaft zurückgekehrt

Leipzig liest Slider

Fest des freien Wortes 

Buchmesse-Nachschlag, Teil 4: Mit Leipzig liest swingte eine ganze Stadt vier Tage lang im Takt der Literatur. Die heißgeliebte fünfte Jahreszeit – sie war zurück!

Literarisches Leben Slider

Fortüne & Phantasie 

Buchmesse-Nachschlag, Teil 3: In Zeiten zunehmender Markt-Konzentration stehen Independent-Verlage für eine bunte, vielfältige Bücherlandschaft. In Leipzig kommen auch die Kleinen groß raus

International Slider

Wahres Wunder Freundschaft

Buchmesse-Nachschlag, Teil 1: Die Buchmesse eröffnete mit Bundeskanzler Olaf Scholz und der Verleihung des Leipziger Buchpreises zur Europäischen Verständigung an Omri Boehm. Der Gaza-Konflikt platzte in einen Festakt hinein, in dem es um Identitätspolitik und ihre Überwindung ging

Leipzig liest

„Comic ist ein Medium, kein Genre!“ 

Alles außer flach (5): In einer kleinen Serie stellen wir kreative Köpfe aus den Niederlanden & Flandern, Gastland der Leipziger Buchmesse, vor. Heute: Die flämischen Comic-Pionierinnen Ephameron und Judith Vanistendael

Leipzig liest Slider

Und dann hat’s BUMM! gemacht

Alles außer flach (4): In einer kleinen Serie stellen wir kreative Köpfe aus den Niederlanden & Flandern, Gastland der Leipziger Buchmesse, vor. Heute: Matthijs de Ridder, der die flämische Avantgarde-Ikone Paul van Ostaijen an die Pleiße holt

Leipzig liest Slider

Please look at the Basement! 

Alles außer flach (2): In einer kleinen Serie stellen wir kreative Köpfe aus den Niederlanden & Flandern, Gastland der Leipziger Buchmesse, vor. Heute: Der flämische Schriftsteller und Bildende Künstler Maarten Inghels

Leipzig liest Slider

Digitale Literaturwelten 

Alles außer flach (1): In einer kleinen Serie stellen wir kreative Köpfe aus den Niederlanden & Flandern, Gastland der Leipziger Buchmesse, vor. Heute: Poetische VR und eine Geschichten-Erzählmaschine

Literarisches Leben Slider

Starke Frauen

Kurt Wolff Preis für den AvivA Verlag: Seit einem Vierteljahrhundert bringt Britta Jürgs mit Energie und Spürsinn die weiblichen Stimmen der Weltliteratur zur Geltung 

Slider Wir

Eine Frau für alle Fälle

Seit 15 Jahren hat Maria Rehm, die Dame am Drehkreuz, keine Buchmesse verpasst. Im strengen blauen Kostüm ist sie stets auch ein Stück weit im diplomatischen Dienst