„Es gibt Länder, wo was los ist / Es gibt Länder, wo richtig was los ist / Und es gibt – Brandenburg“ Mehr als einmal musste sich Lara Mühlinghaus von Freunden mit Rainald Grebes inoffizieller Landeshymne aufziehen lassen. Dabei sollte der 3000-Einwohner-Flecken Fichtenwalde bei Beelitz nur eine Zwischenstation für ihre Eltern sein, die es aus Berlin aufs Land zog. Am Ende verbrachte Lara ihre Kindheit und Jugend jottwede, wo sich Freunde von Lost Places wie Beelitz Heilstätten und Spargel-Aficionados ‚Gute Nacht’ sagten.
Mit dem Bus nach Potsdam, wo sie zunächst eine Montessori-Schule besuchte und dann fürs Abi drei Jahre an eine Gesamtschule wechselte, dauerte es eine gute Stunde. Klar, dass man unter diesen Begleitumständen, noch dazu in einem literaturaffinen Haushalt, zur Vielleserin wird. „Verlagslektorin“ oder „Autorin“ waren denn auch die ersten Berufswünsche. Ein „Girls Day“-Schnuppertag in der achten Klasse an der Hochschule für Film und Fernsehen „Konrad Wolf“ in Potsdam änderte alles: „Das coolste Erlebnis war das Synchronstudio. Ich brannte ab da für die Filmbranche, wollte Aufnahme- oder Produktionsleiterin werden.“
Fürs Bachelor-Studium bewarb sich Lara Mühlinghaus zunächst auf „was mit Medien“ – unter anderem in Leipzig, einer Stadt, die sie magnetisch anzog, aber das klappte damals noch nicht. Angenommen wurde sie im Studiengang Medienkultur an der Bauhaus-Universität Weimar. Das Studium ist kein klassischer medienpraktischer oder künstlerischer Studiengang und bereitet nicht auf ein konkretes Berufsbild vor, „es war“, erinnert sich Lara, „theoretischer ausgerichtet, als ich es mir vorgestellt hatte“. Dennoch zieht sie diszipliniert durch und schließt, kurz vor Ausbruch der Corona-Pandemie, mit einer Bachelor-Arbeit über den Serien-Konsum via Video-on-Demand-Plattformen ab. Nebenbei arbeitet sie für den studentischen Radio-Sender Bauhaus.fm und wirft sich mit anderen Film-Begeisterten in diverse Off-Filmprojekte. Ein Pflichtpraktikum führt sie dann vom Film weg: Für sechs Monate arbeitet Lara im Projektmanagement einer Berliner Event-Agentur – hier hat sie ihre ersten Berührungen mit dem Messe-Geschäft. Wegen Corona wechselt Lara Mühlinghaus für ihr Masterstudium nicht die Stadt – sondern nur die Ausbildungseinrichtung: An der Hochschule für Musik „Franz Liszt“ belegt sie den Studiengang Kulturmanagement – zunächst, in Lockdown-Zeiten, komplett digital. Immer, wenn sich die Maßnahmen lockern, organisiert Lara Konzerte, kleine Festivals, beim Kultur- und Wissenschaftsfestival Forecast im Berliner Radialsystem; beim Weimarer Festival „JuLi im Juni“ für junge Literatur übernimmt sie die Projektleitung mit Verantwortung für acht Kommiliton:innen. Im Februar 2023 schließt Lara Mühlinghaus ihre Masterarbeit ab. Ihr Thema: Die Auswirkungen der Corona-Pandemie aufs Management von Kultur-Festivals. „Damals dachte ich, man wäre gut beraten, wenn man sich frühzeitig auf mögliche künftige Krisen vorbereitet. Mein Ziel war die Entwicklung eines brauchbaren Handlungs-Leitfadens. Ich fand es erstaunlich, wie viele Festivals trotz aller Corona-Widrigkeiten stattfinden konnten – wenn sie etwa ein schlüssiges Hygiene-Konzept fuhren.“
Als sie die Stellenanzeige für eine Projektassistenz bei der Leipziger Buchmesse entdeckt, lebt Lara Mühlinghaus bereits in Leipzig. Wenn schon Jobsuche, dann wenigstens in der Lieblingsstadt. Im Dezember 2023 erhält sie den Zuschlag, im Januar 2024 fängt sie an – auf einer von zwei neu geschaffenen Projektassistentinnen-Stellen, mit dem Fokus auf Aussteller-Management. Nach knapp drei Monaten ihre erste Buchmesse – es ist, wie wir es an dieser Stelle schon oft gehört haben, eine intensive Zeit des Neu-Lernens, jeden Tag ein Stück besser Werdens. Als Ende des rasend schnell vergehenden ersten Jahres die Stelle im Projektmanagement von Leipzig liest vakant wird, bewirbt sich Lara Mühlinghaus. Und tritt die Stelle unmittelbar nach der Buchmesse, am 1. April 2025, an. „Klar, bei meiner Vorgeschichte hatte ich das Lesefestival natürlich immer im Blick. Es war eine Chance, die ich nutzen wollte. Und die Tatsache, dass ich bereits im Team war und viele Abläufe kannte, hat sicher nicht geschadet.“
Nach der Buchmesse ist vor der Buchmesse: Dieser Klassiker im Sprüchebuch der Messe-Weisheiten gilt, logisch, auch für Lara Mühlinghaus. Manöverkritik, die Erarbeitung neuer Konzepte, die Weiterentwicklung der Veranstaltungs-Datenbank, natürlich die Entdeckung neuer, spannender Veranstaltungsorte – ohne die alten aus dem Blick zu verlieren – das sind nur einige der Aufgaben, die übers Jahr anstehen. „Nach dem Marken-Relaunch der Buchmesse wollen wir natürlich auch die Marke Leipzig liest weiter schärfen.“ Obwohl man in der glücklichen Lage ist, immer wieder nachkommende Bewerbungen für neue potenzielle Veranstaltungs-Orte sichten zu können, soll deren Zahl nicht laufend erhöht werden. „Wir setzen auf Qualität, nicht auf Quantität um jeden Preis.“ Im März 2026 wird Lara Mühlinghaus nun wieder eine Premiere erleben, die erste Buchmesse in ihrer neuen Position. Zur Frankfurter Buchmesse stehen Termine mit wichtigen Partnern an. Lampenfieber ist kein Thema. Obwohl: „Herausfordernd und aufregend bleibt es schon. Leipzig liest ist einfach eine andere Hausnummer als die Projekte, für die ich bislang gearbeitet habe.“ Allerdings: Dass sie sich im aktuellen Hier und Jetzt ihres Berufswegs ausgesprochen wohl fühlt, möchte Lara Mühlinghaus nicht dementieren: „Ich wollte immer schon Festivals organisieren. Dass ich das jetzt in Verbindung mit der Leipziger Buchmesse tun kann, ist schlicht großartig.“