Im vergangenen Oktober hatte der Digitaldienstleister Bookwire sein Geschäftsfeld um den neuen Service We Audiobook You (kurz WAY) erweitert, der es Verlagen ermöglichen soll, vom Wachstumsmarkt Hörbuch zu profitieren – durch Audiobook-Produktionen zum Festpreis. Inzwischen wurde bereits eine dreistellige Anzahl an Titeln für dutzende Verlage produziert, insgesamt mehr als 23.000 Minuten. Zur Leipziger Buchmesse 2019 gewann das Angebot den digital publishing award in der Kategorie B2B. Nach Auffassung der Jury bedient WAY ein klares Problem: Dass Produktionen von Hörbüchern „für viele Verlage unerschwinglich sind“ – und das in einer Zeit, „in der Audio einer der großen Wachstumsmärkte ist“. Wir haben mit dem Geschäftsführer und Co-Gründer von Bookwire John Ruhrmann über den Preis und die Bewegungen am Audio-Markt gesprochen.
Waren Sie überrascht, beim digital publishing award zur Leipziger Buchmesse ausgezeichnet zu werden?
John Ruhrmann: Uns hat es sehr gefreut. Als wir anfingen haben wir natürlich nicht daran gedacht für einen solchen Preis überhaupt in Frage zu kommen. Wir haben uns viel mehr gefragt, wie wir es Buchverlagen erleichtern können, sich Multiformat-technisch besser aufstellen zu können, selbst wenn das Format Audiobook im Verlag nicht vorhanden ist und dementsprechend auch kein Wissen dazu. So haben wir in einem kleinen Team mit großem Enthusiasmus „Bookwire We Audiobook You (WAY)“ entwickelt. Die Anregung zur Bewerbung beim DPA kam von ganz anderer Stelle aus dem Bookwire Team – das Projektteam wäre selbst gar nicht auf die Idee gekommen. Als wir dann den Preis gewonnen haben, war es das I-Tüpfelchen auf ein tolles Projekt und eine große Freude und Bestätigung.
Wie beurteilen sie den runderneuerten Preis? Es hat sich ja fast alles verändert, von den Kategorien über die Juror*innen bis hin zum Vergabe-Ort.
Ruhrmann: In unserer Branche wird zu wenig herausgestellt, was in Sachen Digitalisierung konkret läuft – neue Geschäftsideen, neue Möglichkeiten. Dafür ist dieser Preis hervorragend geeignet. Bookwire wurde ja gegründet, weil wir an Bücher, an Geschichten – egal, in welcher Form sie erzählt werden – glauben. Und daran, dass man, um sie zu erzählen, auch die richtigen Strategien und Technologien braucht.
Wie hat sich das Projekt WAY seit Herbst 2018 verändert?
Ruhrmann: Mit WAY bekommen Verlage einen Service, über den sie den wachsenden Audiomarkt bespielen können, wenn sie die Rechte selbst auswerten wollen, aber nicht die dafür nötige Struktur besitzen. Ganz am Anfang haben wir gedacht, dass unsere Idee auf Deutschland beschränkt bleibt. Aber Bookwire ist ja zum Beispiel auch in England, Spanien oder in einer Reihe lateinamerikanischer Länder unterwegs. Gerade auch in diesen Märkten, die noch nicht so weit entwickelt sind wie der deutschsprachige Hörbuchmarkt, wird WAY inzwischen gut angenommen. Wir bieten die Möglichkeit, gleichsam „industriell“ organisiert mit klarem Prozess Hörkunst zu produzieren.
In einem Interview sprachen Sie jüngst vom „Golden Age of Audio“. Das hat man nach den Boom-Jahren und der dann folgenden Konsolidierung am Hörbuchmarkt so länger nicht gehört…
Ruhrmann: Hörbuch- oder Hörspielunterhaltung hat ja eine lange Tradition, Orson Welles’ Hörspiel „War of the World“ wurde an Halloween 1938 ausgestrahlt. Ich habe als Jugendlicher in der Stadtbibliothek gearbeitet und hatte es dort noch mit Hörbuch-Audio-Kassetten zu tun. Das mutet jetzt schon prähistorisch an. Durch die CD, die seit einiger Zeit unter Druck gerät, hat das Hörbuch dann lange im Sortiment stattgefunden. Das neue Verkaufsfenster ist das Smartphone bzw. smart devices. Da hat der Umzug des Hörbuchs jetzt teilweise auch stattgefunden auf Plattformen wie Audible, Spotify, Tolino usw. Es passt in die Lebenswelt der Menschen: Man hat sein Abspielgerät immer dabei; die Qualität ist super und abnutzungsfrei. Wir erreichen vermehrt jüngere Leute, die vielleicht eigentlich Musik hören wollen – und dabei entdecken: Wow, das Buch von Benjamin von Stuckrad-Barre oder Montana Black gibt’s hier ja auch! Und die verbringen dann eben nicht zehn Stunden damit, ein neues Musikalbum zu hören – sondern ein Hörbuch.
Digital ist besser, um einen alten Song von Tocotronic zu zitieren…?
Ruhrmann: Wenn man den stattfindenden Umzug von der Fläche ins Internet nicht mitmachen kann, läuft man Gefahr, abgehängt zu werden. Es sind aber alles lösbare Probleme, wenn man gute Inhalte, eine gute Strategie und die richtige Technologie hat. Wichtig ist, dass die Geschichten erzählt werden – egal in welcher Form. Wenn das heute verstärkt digital geschieht, ist es doch im Sinn der Sache. Was dafür bezahlt wird und was das wert ist – diese Diskussion ist da gewesen, seitdem wir mit Kauri-Muscheln gehandelt haben. Ich denke: So wertvoll wie heute waren Inhalte, Geschichten und Informationen lange nicht mehr.
Auf der Jahrestagung der IG Hörbuch haben sie über „Das Hörbuch und der Aufstieg der Smart-Speaker“ gesprochen. Was haben Sie aktuell in der Pipeline?
Ruhrmann: Es geht jetzt darum, auf Smart-Speakern Skills zu etablieren, die dem Nutzer darüber hinaus auch auf Handy oder Tablet Hörbuchinhalte näherbringt. Wir arbeiten an solch einem Hörbuch-Skill für Alexa. Wenn man von über 100.000 Millionen Geräten ausgeht, auf denen Amazon Alexa installiert ist, kann man sich in etwa das Potenzial vorstellen, was da noch zu heben ist.
Vielleicht gibt’s dafür dann wieder mal einen Award?
Ruhrmann: Es wäre vermessen, dass wir gleich nochmal abräumen, da es sehr viele gute Produkte und Geschäftsideen gibt. Aber Sie haben mich auf eine gute Idee gebracht: Wenn es so gut wird, wie wir uns das wünschen, müssten wir uns wohl wieder bewerben (lacht).