Burkhard Jung wurde 1958 in Siegen/Westfalen geboren und 1991 als Schulleiter an das Evangelische Schulzentrum Leipzig zum Aufbau einer Grund- und Mittelschule sowie eines Gymnasiums in kirchlicher Trägerschaft berufen. Seit 2006 bekleidet Burkhard Jung das Amt des Oberbürgermeisters der Stadt Leipzig. In dieser Funktion ist er zudem Mitglied des Aufsichtsrates der Leipziger Messe.
Was verbinden Sie mit Leipzig liest?
Es ist das wichtigste Lesefest in Europa, etwas Vergleichbares findet man nicht. Aber vor allem zeigt „Leipzig liest“, dass auch Tweets und Posts die Literatur nicht verdrängen.
Was bedeutet Leipzig liest für die Stadt?
Literatur heißt Austausch – und ein Literaturfest ist ein Austausch in einer ganzen und für eine ganze Stadt. Leipzig als Messestadt ist ein Marktplatz der Güter, „Leipzig liest“ ist ein Marktplatz der Ideen, der Argumente, der Diskussionen.
Was war Ihr schönster Leipzig-liest-Moment?
Ich freue mich jedes Jahr auf die Veranstaltungsreihe „Buchmesse schmeckt“ in der Moritzbastei, bei der ich aus einem Buch zur Mittagszeit lese. Auch wenn es heißt „Beim Essen liest man nicht“ – zuhören können die Gäste natürlich immer.
Worauf freuen Sie sich zur kommenden Buchmesse?
Was die Leipziger Buchmesse auszeichnet, sind die vielen Autoren, die in die Stadt kommen. Es ist im besten Wortsinn eine Buchmesse, die Bücher und die, die sie schreiben, stehen im Mittelpunkt. Wo sonst in Deutschland hat man die Möglichkeit, so vielen seiner Lieblingsautoren gegenüber zu sitzen.
Unabhängige Verlage stehen für eine bunte Bücherlandschaft. In Leipzig sind die Kleinen mit originellen Veranstaltungsformaten und immer wieder neuen, ausgefallenen Leseorten echte Publikums-Renner. UV – Die Lesung der unabhängigen Verlage genießt längst Kultstatus. Im märchenhaften Jugendstil-Ambiente des Lindenfels Westflügel, übers Jahr bespielt vom Figurentheater Wilde & Vogel und eben mit dem Theaterpreis des Bundes ausgezeichnet, lesen am Messefreitag Autoren aus Deutschland, Österreich und der Schweiz. Das Haus platzt dann regelmäßig aus allen Nähten – fast so, als würde ein Pop-Festival stattfinden.
Seit sechs Jahren legen sich das Organisations-Team um die Leipzigerinnen Irina Kramp und Christine Koschmieder, die 2014 mit weiteren Mitstreitern einen Verein gegründet haben, für die UV-Lesung ins Zeug. Und das verflixte Siebente? Steht schon in den Startlöchern: Am 18. März wird sich das große schmiedeeiserne Jugendstiltor des Westflügels ab 20.00 Uhr öffnen. Eine spannende Lese-Nacht ist garantiert.
Das internationale Medienunternehmen Bertelsmann ist Partner der ersten Nachwendestunde der Leipziger Buchmesse, der damalige Club Bertelsmann zugleich Mitinitiator des Lesefestes „Leipzig liest“. Zudem stellt Bertelsmann gemeinsam mit Deutschlandradio Kultur und dem ZDF seit 16 Jahren Autoren und ihre jüngsten Werke auf dem „Blauen Sofa“ in der Glashalle der Leipziger Buchmesse vor. Christiane Munsberg, 1956 in Osnabrück geboren, zeichnet seit 2003 für die Veranstaltungen des Medienunternehmens zur Leipziger Buchmesse verantwortlich.
Was verbindet Sie mit „Leipzig liest“?
Seit 1992 fahre ich für Bertelsmann als Aussteller zur Leipziger Buchmesse, im Jahr 2000 feierte das „Das Blaues Sofa“, die gemeinsame Autorenplattform von Bertelsmann, Deutschlandradio Kultur und dem ZDF, bei der Leipziger Buchmesse seine Premiere, seit 2003 organisiere ich für Bertelsmann Veranstaltungen beim „Leipzig liest“. Sowohl bei der Buchmesse als auch beim Lesefest stehen für mich die Begegnungen und Gespräche im Vordergrund. In Leipzig trifft man so viele unterschiedliche und faszinierende Menschen: Autoren, Preisträger, Leser, Veranstalter, Pressevertreter und viele Kollegen aus der Buchbranche – es ist ein vielstimmiges, spannendes Gespräch, das mit der Eröffnung im Gewandhaus beginnt und das allabendlich im Messeclub endet.
Was war Ihr schönster Leipzig liest-Moment?
Das war 2006. Günter Grass brachte seinen autobiographischen Roman „Beim Häuten der Zwiebel“ heraus und schenkte uns zwei spektakuläre Buchpremieren auf unserem „Blauen Sofa“: zuerst in Berlin und danach im Schauspiel Leipzig. Grass lag Leipzig sehr am Herzen, außerdem studierte damals seine Enkelin Luisa in der Messestadt. In Berlin war‘s sehr aufregend, in Leipzig dagegen einfach nur schön – nicht nur, weil Grass mir danach ein Küsschen gab.
Worauf freuen Sie sich zur kommenden Buchmesse?
Als Verlage sich fragten, ob beide Buchmessen in Frankfurt und Leipzig für das Geschäft notwendig seien, konnte ich erleben, in welchen Scharen die Leipziger ihre Buchmesse bevölkerten. In diesem Jahr feiert die Buchmesse ihren 25. Geburtstag nach der Wende! Darauf hätte ich vor 20 Jahren nicht gewettet und deshalb freue ich mich wieder auf die vielen Gespräche mit vielen Buch-Aficionados. Wir erleben gerade, wie sich Autoren und Verlagsbranche auf ihre Leser und Kunden zubewegen. Durch E-Commerce, Social Media und literarische Soziale Netzwerke sind diese Gruppen in einen intensiven Dialog getreten und entwickeln daraus neue Produkte. Dialog ist wichtig : und schön. Aber die persönliche Begegnung ist das Sahnehäubchen in der Kommunikation. In unserer Branche gibt es nirgends so viele Sahnehäubchen wie an den vier Tagen von der Leipziger Buchmesse und „Leipzig liest“. Darauf freue ich mich jedes Mal aufs Neue.
1991 – vor 25 Jahren startete die erste Ausgabe des Lesefestes „Leipzig liest“ auf Initiative von Club Bertelsmann und der Stadt Leipzig. Persönliche Begegnungen, spannende Debatten und unvergessliche Momente erleben seither Besucher, Macher und Mitwirkende. Zur Jubiläumsausgabe vom 17. bis 20. März haben wir einige Macher und Mitwirkende gefragt, welche Bedeutung das mittlerweile größte Lesefest Europas für sie hat und welche spannenden, emotionalen oder witzigen Erlebnisse sie mit „Leipzig liest“ verbinden. Den Interviewreigen eröffnet Oliver Zille. Der heutige Buchmessedirektor übernahm vor 25 Jahren die Verantwortung für die Leipziger Buchmesse und kennt das Lesefest Leipzig seit der ersten Stunde.
Was bedeutet für Sie Leipzig liest?
Das Lesefest ist und bleibt das Herz unserer Leser- und Autorenmesse. Während auf der Messe selbst darüber verhandelt wird, wie in Zukunft gelesen wird und wie man sich über Literatur künftig am besten informiert und austauscht, wie man Bücher und Inhalte kauft oder leiht oder gar selbst zum Autor wird, stehen beim Lesefest der Autor und sein neues Werk im Mittelpunkt. Und die Konzentration ist viel stärker gebündelt. Für die Verlage ist es ein guter Marketingverstärker, für die Autoren, die teilweise über Jahre an einem Buch gearbeitet haben ist es eine wichtige Selbstbestätigung und immer auch ein Praxistest, für die Leser eine wunderbare Gelegenheit, neue Autoren persönlich kennen zu lernen und mit Ihnen ins Gespräch zu kommen. Und ich bin fest überzeugt davon, dass ein so breit angelegtes Lesefest für Jedermann die allerbeste Werbung für das Medium Buch ist und bleibt.
Was ist Ihr schönster Leipzig liest-Moment?
In 25 Jahren hatte ich davon sehr viele, wo anfangen, wo aufhören? Als Messemann war und ist es für mich immer besonders spannend, wenn neue Veranstaltungsreihen und Leseformate das erste Mal an den Start gehen. Dann ist man natürlich gespannt, wie es den Akteuren dabei geht und vor allem auch wie das Publikum reagiert. Da geht mir sehr vieles durch den Kopf, wie 1992 das erste Berliner Zimmer mit Gregor Gysi und Heiner Müller, das aufgrund des riesigen Publikumszustroms zunächst in den Alten Rathaussaal und von dort dann flugs auf den Marktplatz verlegt werden musste, oder 2005 die erste Verleihung zum Preis der Leipziger Buchmesse, an deren Erfolg für die Entwicklung von Messe und Lesefest sehr viel hing, die Lange Leipziger Lesenacht in der Moritzbastei seit 2006 oder auch die im vergangenen Jahr gestartete Veranstaltungsreihe im Forum “Die Unabhängigen“. Aber wenn ich mich persönlich auf einzelne Autorenlesungen konzentrieren will, dann kann ich das bei meinem Messeterminkalender ehrlicherweise besser übers Jahr und außerhalb der Messezeit tun. Bei den vielen interessanten Themen und Namen auf der Messe ist das manchmal mehr als bedauerlich. Aber über die Zeit musste ich mich auch daran gewöhnen.
Worauf freuen Sie sich zur kommenden Buchmesse?
Am meisten freue ich mich natürlich auf unsere Gäste, auf anregende Gespräche mit unseren Ausstellern und mit Fachbesuchern, auf möglichst neugierige Journalisten, ich freue mich darauf neue Autoren für mich als Leser zu entdecken und ich freue mich auf “unser“ Publikum, auf offene und begeisterungsfähige Leser aller Altersstufen. Darüber hinaus wünsche ich mir natürlich, dass unsere vielen Projekte, die wir in diesem Jahr neu beginnen, einen möglichst guten Start haben, allen voran unser Programmschwerpunkt “Europa 21“zu Zuwanderung und Integration.
OK, Harold ist vom Tod fasziniert und fährt einen zum Leichenwagen umgerüsteten Cadillac. Aber: Ein Theaterstück, frei nach Hal Ashbys berühmtem Film „Harold und Maude“, aufgeführt in der Kapelle eines altehrwürdigen Friedhofs – geht das? Volker Mewes, der seit 1987 in der Leipziger Friedhofsverwaltung arbeitet, sieht darin kein Problem. Im Gegenteil: „Das Abschiednehmen gehört zum Leben. Es ist keinem geholfen, sich dem zu verschließen. Wir haben lange darüber nachgedacht, wie man den Friedhof und unsere außergewöhnlichen Räume für die Bürger öffnen kann – als Kultur-Ort, unabhängig von den einschneidenden Momenten um Tod und Trauer.“
Monumentale Melancholie
Wenn Friedhöfe auch Spiegelbilder der sozio-kulturellen Eigenart einer Stadt sind, gilt das für den Leipziger Südfriedhof, der 2016 130 Jahre alt wird, ganz besonders: Das rund 80 Hektar umfassende Areal nahe des Völkerschlachtdenkmals hat die Form eines Lindenblatts; sie zählt neben Hamburg Ohlsdorf und Stahnsdorf bei Berlin zu den größten parkähnlichen Friedhöfen Deutschlands. Den Mittelpunkt bildet die 1910 eröffnete Kapellenanlage mit ihrem über 60 Meter hohen Glockenturm. Das neoromanische Ensemble hatte die Klosteranlage Maria Laach in der Eifel zum Vorbild und gilt als Deutschlands imposantestes Friedhofsbauwerk. Unzählige Gräber von bedeutsamen Leipziger Persönlichkeiten befinden sich auf dem Südfriedhof, so zum Beispiel die der Verlegerfamilien Baedecker und Ullstein oder der Mundartdichterin Lene Voigt.
Von Jason Dark bis Bernhard Hoëcker
Nicht nur für Besucher des Wave-Gotik-Treffens, einem Musik- und Kulturfestival, das seit den frühen Neunzigern tausende Fans nach Leipzig lockt, gehören abendliche Führungen über den Südfriedhof zum Pflichtprogramm. Seit Mitte der Nullerjahre zählt die Kapellenanlage im Süden der Stadt zu den interessantesten Locations von Leipzig liest. Das Spektrum der Veranstaltungen ist breit und reicht von der Krimi-Lesung bis zu schrägen Comedy-Formaten: Wenn Geisterjäger John Sinclair oder der Schauspieler Bernhard Hoëcker hier auftreten, sind nicht zusätzliche Stühle notwendig. „Es kam schon vor, dass sich 300 Leute in der Hauptkapelle drängten“, erinnert sich Mewes, „bis hinauf zu den Emporen war alles belegt“. Normaler Weise ist die Hauptkapelle für rund 160, die intimere, als „Sprechkapelle“ konzipierte Westkapelle für 60 Plätze ausgelegt.
Zwei Lesungen messetäglich
Bis zu sieben Veranstaltungen gehen pro Buchmesse-Jahrgang über die Bühne, übers Jahr sind es ein gutes Dutzend, bis hin zu sommerlichen oder vorweihnachtlichen Konzerten. „Voll ist es eigentlich immer“, sagt Volker Mewes. Der Mann, der sich offiziell „Sachbearbeiter für Friedhofsrecht und Grundsatzfragen“ nennt, lässt es sich nicht nehmen, gelegentlich selbst eine Lesung zu besuchen. Zuletzt lauschte er einem Spoken-Word-Poeten. Enttäuscht war er noch nie. „Für mich ist es bereichernd. Ich finde es toll, unser historisches Ambiente für Leipzig liest-Nachtschwärmer zu öffnen.“
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