Angekommen

Angekommen

„Eigentlich“, sagt Iris Fox, „habe ich schon immer geschrieben und mir Geschichten ausgesponnen. Aber das geschah nie bewusst, immer in meinem Kopf.“ Dabei steht die junge Frau, die mit ihrer Familie im niedersächsischen Syke wohnt und als Nachtbereitschaft in der Altenhilfe arbeitet, mit beiden Beinen im Leben. Ernsthaft gefolgt ist sie ihren Schreib-Impulsen nie – bis zu jenem Tag im Februar 2014, als sie der Plot einer Kurzgeschichte nicht mehr losließ: „Ich habe mich an den Küchentisch gesetzt, den Laptop aufgeklappt und losgeschrieben – ohne zu ahnen, wohin mich das führt.“ Rasch entwickelten die Figuren ein Eigenleben – aus ein paar Zeilen wurden Seiten, Kapitel reihte sich an Kapitel.

Aufs Urteil der besten Freundinnen wollte sich Fox nicht verlassen; nachdem sich ein Bekannter der Familie, Lektor im Ruhestand, des Manuskripts angenommen hatte, wurde gefeilt und geschliffen. „Ich habe Personen rausgeschrieben, Lieblings-Szenen gestrichen“, erinnert sich Fox. Irgendwann stand die Frage unübersehbar im Raum: „Wie bringe ich meinen Roman bei einem Verlag unter? Habe ich überhaupt eine Chance?“ Im Netz stieß sie auf die Ausschreibung des Bundesverbands junger Autoren und Autorinnen zum Speed Dating „Autor trifft Verleger“ auf der Leipziger Buchmesse. Fox fasste sich ein Herz und reichte Leseprobe und Exposé ihres Romanmanuskripts ein. „Wenn ich’s nicht probiere“, sagte sie sich, „finde ich nie heraus, ob ich das schaffe.“

Das Zehn-Minuten-Date

Der BVjA, der 2017 sein 30jähriges Bestehen feiert, möchte angehenden Autoren durch Informationen und Kontakte den Weg ins Literaturgeschäft erleichtern – wobei „jung“ keine Frage des Alters ist. Zu den rund 600 Mitgliedern gehören auch gestandene Schriftstellerinnen und Schriftsteller wie Tanja Kinkel oder Markus Orths, die dem Verband seit ihrer Debütanten-Zeit verbunden geblieben sind. Anfangs hatten auch sie keine Erfahrung mit dem Betrieb und, was noch schwerer wiegt, kaum Kontakte. „Genau hier sollte unser Meet & Greet zwischen Autoren und Verlagen auf der Leipziger Buchmesse ansetzten“, erklärt BVjA-Sprecher Tobias Kiwitt. 90 angehende Autoren trafen zur Premiere 2015 auf Lektoren und Programm-Macher aus rund 20 Verlagen, darunter auch renommierte Häuser wie Ullstein oder Piper. 2016 wechselte man in einen größeren Saal im CCL. Das Procedere: Jeder vom BVjA ausgewählte Autor kann maximal bei drei Verlagen pitchen, jedes Date dauert zehn Minuten.

Perfekter Einstieg im Digitalverlag

Nach ihrer Leipziger Feuertaufe landete Iris Fox’ Roman-Manuskript 2015 im Lektorat von Forever by Ullstein, einem auf Frauenunterhaltung spezialisierten Digital-Imprint des Publikumsverlags. Doch nach mehreren Wochen kam die Absage. Es zeugt vom Mut und Beharrungsvermögen der jungen Autorin, dass sie am Ball blieb: Sie überarbeitete ihr Manuskript, und bewarb sich 2016 erneut – wieder bei Forever. „Im Gespräch mit der Lektorin bin ich ganz offen mit der Vorgeschichte umgegangen“, sagt sie. Diesmal funkte es: Kurz nach der Buchmesse im März flatterte die Zusage ins Haus. „Ein emotionaler Moment für einen Underdog“, lacht Fox. Nach drei Monaten intensiver Arbeit mit der Lektorin Luisa Pagel erschien Mitte Juli ihr Romandebüt „Love Happens – Zwei sind einer zu viel“ als E-Book. Parallel zum Launch des Romans chattete sie auf dem Portal Lovelybooks mit ihren Leserinnen. „Für eine Newcomerin wie mich ist ein Digitalverlag, der rasch reagieren kann, der ideale Einstieg“, ist Iris Fox überzeugt. Seit mehr als einem Jahr arbeitet sie, nun auch Mitglied im BVjA, an einem neuen Projekt: Ein neues Pärchen, neue Probleme. „Die Geschichten laufen im Alltag mit.“

Seriöse Alternative zu Druckkostenzuschussverlagen

Keine zweieinhalb Jahre von der Idee zum fertigen Buch – ein Idealfall. Doch bei weitem nicht der einzige: 11 Verträge konnten nach dem Speed-Dating im März unter Dach gebracht werden, weitere sind noch in Verhandlung. Wie bei der Auswahl der beteiligten Verlage schaut der BVjA auch hier ins Kleingedruckte und berät seine Mitglieder, wenn diese das wünschen. „Wir legen großen Wert auf die Seriosität der Verlage und Agenturen, die am Speed-Dating in Leipzig teilnehmen“, erklärt Tobias Kiwitt, selbst Autor und im Brotberuf Rechtsanwalt. „So genannte Druckkostenzuschussverlage werden beim Meet & Greet nicht zugelassen.“ Der BVjA hat sich der „Qualitätssicherung im Verhältnis von Autoren und Verlagen“ verschrieben und gehört so zu den Hauptinitiatoren des 2008 gegründeten Aktionsbündnisses Fairlag, das auf Missstände im Verlagswesen aufmerksam macht; Missstände, die oft einseitig zu Lasten branchenunerfahrener Newcomer gehen. „Wir wollen seriöse Alternativen fördern.“

Professionelles Feedback für Newcomer

Jedem Anfang, heißt es, wohnt ein Zauber inne: Als kleiner Junge hat Carl Wilckens mit Buntstift und heißen Händen die Buchstaben seines Lieblings-Kinderbuchs abgemalt, als Teenager schrieb er Geschichten, die sich zu wild wuchernden Romanen auswuchsen – und zeichnete Cartoons. „Zu phantastischen Welten habe ich mich immer hingezogen gefühlt“, sagt er. „Das Schöne am Schreiben ist, dass man sich seine ganz eigenen Welten erschaffen kann.“ Die ersten Leser seiner Romane sind die fünf Geschwister, die mit ihm in der niederrheinischen Provinz aufwachsen; die Mutter, die als Deutschlehrerin arbeitet, und eine Patentante fördern das Talent des Jungen nach Kräften. Doch wie geht man die ersten Schritte aus dem rein privaten Bereich des Schreibens heraus, in dem Freunde und Verwandte unverbindlichen Zuspruch leisten? Auch für den phantasiebegabten Jungen vom Niederrhein, der in Krefeld und Duisburg Maschinenbau studiert und in einem Startup jobbt, bleibt das Schreiben ein liebgewordenes Hobby.

Qual der Wahl

Daran ändert sich auch nichts, als Wilckens 2015 einen seiner Romane beim ersten Speed-Dating auf der Leipziger Buchmesse vorstellt. Einen Vertrag bekommt er noch nicht – dafür, zum ersten Mal, professionelles Feedback. Wilckens bleibt eisern, feilt am Stil, konsultiert Ratgeber für professionelles Schreiben. Sein Projekt ist ehrgeizig: Als Leser liebt er großangelegte Würfe wie die achtbändige, düstere Fantasy-Saga „The Dark Tower“ von Stephen King. „Ich habe mich immer wieder gefragt, was das Zentrum meines Universums, mein ‚Schwarzer Turm’ sein könnte“, erinnert sich Wilckens. Irgendwann war klar: Er wird seinen Helden ein Tagebuch finden lassen, das die Spur zu dessen verlorener Schwester weist. „Doch am Ende des Buchs fehlen genau 13 Seiten.“ Mit jeder aufgespürten Seite wird der Protagonist dem Geheimnis der Schwester näherkommen – macht, in Summe, 13 Bücher, die sich zu einem Fantasy-Zyklus fügen sollen. Als Wilckens im März 2016 Leseprobe und Exposé beim Speed-Dating vorstellte, konnte er sich sogar zwischen zwei Verlagsangeboten entscheiden – für den Newcomer eine fast luxuriöse Situation. Das Rennen machte am Ende der Hamburger Acabus Verlag, vor wenigen Wochen gab Wilckens den unterschriebenen Vertrag in die Post. „Das Angebot war zwar finanziell weniger attraktiv, aber ich hatte das Gefühl, dass der Independent-Verlag für das Projekt brennt.“

„Auf dem Teppich bleiben!“

Auf Carl Wilckens, ebenfalls frisch gebackenes Mitglied im BVjA, warten spannende Monate: Bereits im kommenden März, rechtzeitig zur Buchmesse, soll der erste Band seiner Saga zwischen Buchdeckeln sein. Den Lektorats-Prozess wird der Autor aus Südamerika begleiten: Eben ist er zu einem Auslands-Semester nach Lima aufgebrochen. Klausuren auf Spanisch, dazwischen Textarbeit in der Fantasy-Welt: „Das wird schwierig“, ahnt Wilckens. „Aber gemeinsam mit dem Verlag ist es zu schaffen.“ Einmal von der Schriftstellerei leben zu können, bleibt für den jungen Mann mit Sinn fürs Handfeste eine schöne Traumvorstellung. Zunächst gilt: „Schön auf dem Teppich bleiben.“

Iris Fox, 1982 in Elmshorn geboren, lebt mit ihrer Familie in Syke bei Bremen. Nach Schulabschluss und Ausbildung zur medizinischen Fachangestellten arbeitete sie zunächst im medizinischen Bereich und wechselte nach ihrer Elternzeit als Nachtbereitschaft in eine Einrichtung der Altenpflege. Ihr erster Roman „Love Happens – Zwei sind einer zu viel“ ist soeben im E-Book-Verlag Forever by Ullstein erschienen.

Carl Wilckens, Jahrgang 1990, ist im niederrheinischen Alpen aufgewachsen. Nach dem Abitur begann er ein Maschinenbau-Studium in Krefeld und Duisburg; gegenwärtig absolviert er ein Auslandssemester in Lima (Peru). Im Frühjahr 2017 wird im Hamburger Acabus Verlag der erste Band seiner Fantasy-Saga „13“ (Arbeitstitel) erscheinen.

Der Bundesverband junger Autoren und Autorinnen (BVjA), 1987 gegründet, verfolgt das Ziel, Autoren jeden Alters durch Informationen und Kontakte den Weg in den Literaturbetrieb zu erleichtern. Dazu gehören eigene Publikationen ebenso wie die Organisation von Autorentreffen, Seminaren und Lesungen. Zur Leipziger Buchmesse lädt der BVjA seit 2015 Newcomer und Verlage ein, im Rahmen eines Autoren-Pitchs neue Buchprojekte zu planen.

Illustration: Anna Kutukova / Shutterstock.com
Fotos: Forever by Ullstein, Andrea Zmrzlak

Geschichte für die Zukunft

Geschichte für die Zukunft

Heute: Das Institut für digitales Lernen (Eichstätt).

Im Fußball würde man dem Institut für digitales Lernen (Eichstätt) so etwas wie „einen Lauf“ bescheinigen: Vor 12 Monaten räumte dessen multimediales Geschichtslehrbuch mbook in Frankfurt den Deutschen E-Book-Award ab, zur Leipziger Buchmesse im März heimste man den digitalen Sonderpreis beim Deutschen Schulbuchbuchpreis ein. So gesehen, war die Teilnahme bei Neuland 2.0, dem ersten Startup-Village der Leipziger Buchmesse im März 2016 „ein rundes Paket“, wie Florian Sochatzy, einer der geschäftsführenden Gesellschafter des Instituts, einschätzt. „Wir haben uns in Leipzig sehr wohl gefühlt.“

Geschichtsbuch per Flatrate

Was trotz des preisgekrönten Piloten fehlte, waren öffentlich zugängliche Produkte. Das hat sich geändert. Seit August gibt es unter www.mbook.schule ein multimediales Geschichtsbuch per Flatrate. „Mit den Jahreslizenzen haben wir ein ganz neues Vertriebsmodell aufgesetzt“, erklärt Sochatzy. Und das ganz einfach, so wie es internetaffine Lehrer schon längst mit Netflix & Co. tun. „Unser Lizenzbuchungsprozess liegt unter einer Minute dreißig – von ‚ich bin auf der Seite’ bis ‚Ich bin mit meiner Klasse im mbook.“ Während andere Produkte des Instituts für digitales Lernen den zumeist langwierigen föderalen Zulassungsprozess für Lehrbücher durchlaufen, ist die Geschichts-Flatrate der Eichstätter nicht zugelassen – ganz bewusst: „Ich kann mit der Tageszeitung oder meinen Socken unterrichten, wenn ich das möchte“, sagt Sochatzy. Bei einem schnellen Digitalmedium müsste jede noch so kleine Änderung erneut zugelassen werden – ein nicht beherrschbares Verfahren. Mit den entsprechenden Stellen in den Kultusministerien bleibt man dennoch im Gespräch, etwa über generelle Kriterien für die Zulassung multimedialer Schulbücher. Das Feedback der User ist positiv: Gerade Schulen, die digital gut unterwegs sind, schätzen das Angebot – etwa deutsche Auslandsschulen von Stockholm bis Shanghai. Derzeit übertragen die Eichstätter das Prinzip mbook auf weitere Fächer wie Deutsch und Mathematik.

„Wie wird Bildung künftig aussehen?“

Mit dem Konzept Edu-Couch hat sich das Institut für digitales Lernen gegen 150 internationale Einsendungen durchgesetzt und die Wildcard der Frankfurter Buchmesse gewonnen. Am Stand in Halle 3 diskutierten Bildungstheoretiker und –praktiker, Medienprofis und Politiker – die Talks wurden live gestreamt und sind nach der Messe auf den Seiten des Instituts verfügbar. „Es reicht nicht, nur über Bücher oder technische Ausstattung zu reden“, ist Sochatzys Kollege Marcus Ventzke überzeugt: „Es geht darum, wie Bildung künftig aussehen wird, was wir anders machen müssen, damit das System nicht in Gänze gegen die Wand fährt.“ Den Vorstoß von Bundesbildungsministerin Johanna Wanka (CDU), im Rahmen eines „Digitalpakts“ mit den Ländern die digitale Bildung in den kommenden Jahren mit fünf Milliarden Euro zu fördern, haben die Eichstätter freudig aufgenommen. „Wir brauchen nicht mehr Bildungsforschung“, sind sie überzeugt. „Jetzt kommt es darauf an, die Erkenntnisse, die wir haben, in der Praxis umzusetzen.“

Foto: Nils Kahlefendt

Flirt mit dem Leser

Flirt mit dem Leser

Noch immer kann die Buchbranche von der Werbepower großer Markenartikler nur träumen. Dennoch hat die Verlagswerbung in den letzten Jahren von einem immensen Professionalisierungsschub profitiert: Die Kampagnen sind größer geworden, das Modell Gießkanne hat ausgedient. Die Crux: Je höher das Budget, desto größer die Versuchung, auf Bewährtes zu setzen – was kreative Spitzenleistungen nicht unbedingt fördert. Aber: Müssen gute Ideen auch zwangsläufig teuer sein? Buchmenschen haben es mit tollen Inhalten und einer intelligenten Zielgruppe zu tun, mit der sich raffiniert flirten lässt. Seit 16 Jahren sucht der BuchMarkt Award die besten, ausgefallensten, keinesfalls aber die teuersten Werbeideen – Ideen, von denen sich lernen lässt, Bücher so in Szene zu setzen, dass beim Lese-Publikum Begehrlichkeiten geweckt werden. Einige Sieger der letzten beiden Jahrgänge stellen wir Ihnen hier vor.

Schwarzes Gold

Bereits seit mehreren Jahren erlebt die eigentlich totgesagte Schallplatte eine erstaunliche Renaissance. Als optisches und haptisches Erlebnis kommt ihr in einer weitgehend von digitalen Inhalten bestimmten Welt wachsende Bedeutung zu. Zu 99 Prozent ist es Musik in allen Spielformen, die in Vinyl gepresst wird. Der Hörverlag zeigt, dass es auch anders geht: Zum 100. Geburtstag von Orson Welles im Mai 2015 legten die Münchner eine limitierte Vinyl-Edition des 1938 vom Meister inszenierten Kult-Hörspiels War of the Worlds vor. Die Produktion nach der Vorlage von H. G. Wells gilt als Meilenstein der Medienkunst. Für eine schwarze Scheibe sind die knapp 60 Minuten Spielzeit ideal. Und die Gestaltung im Retro-Look passt wunderbar zur akustischen Patina des Originals. In der Kategorie Buchcover gewann das Sammlerstück 2015 Gold.

Berliner Blüten

Im Herbst 2013, die Digitalisierung und ihre Folgen für die Branche waren in aller Munde, starteten Joachim Fürst und Marc Iven, Inhaber der Autorenbuchhandlung am Savignyplatz, ein aufwändig gestaltetes Kundenmagazin. Und zwar ganz retro – auf Papier. Sein Titel: Geistesblüten. Seither erscheint das Heft zwei Mal pro Jahr, im Frühjahr und Herbst. Jede Ausgabe ist einem Schwerpunkt gewidmet – auf „Zufall“ und „Frauen“ folgten „Leidenschaft“ und „Umbrüche“. Neben Rezensionen und Buchtipps sind Vorabdrucke und Exklusivinterviews zu lesen. Jede Seite atmet Phantasie und Leidenschaft – ein Statement für die Buchhandlung als Kulturort, 2015 ausgezeichnet mit Silber in der Kategorie POS-Werbung.

Gelungene Liebeserklärung

Buchmarktaward 2015 foto@uwefrauendorf.de

„Sagen Sie Ihrem Buchhändler, dass Ihr Leben ohne ihn keinen Sinn hat“, „Ein Schnitzel verschlingen Sie in zwehn Minuten. Einen Roman eher nicht“, „Nur ein Buch, aber hallo!“ – Es waren zunächst 42 solcher Sprüche, schwarz auf weiß, sämtlich aus der Feder von Verleger Philipp Keel, die seit September 2014 den Diogenes-Hardcovern beilagen. Nach dem riesigen Echo entschied der Verlag, auch Plakate, Papiertüten und Kartensets als Werbemittel für den Handel zu produzieren – was ursprünglich nicht geplant war. Inzwischen sind über 100 Sprüche in einer Druckauflage von mehr als 1,5-Millionen in der Welt; längst sind sie auch ein Dauerbrenner auf Twitter und Facebook. Eine Charme-Offensive, die mit der Power einer echten Branchenkampagne daherkommt – und 2015 mit Gold in der Kategorie POS-Werbung prämiert wurde.

Echter Schatz

Buchmarkt Award 2016 foto@uwefrauendorf.de

Was für ein Versprechen! Cornelia Funkes letzter Streich Spiegelwelt ist kein Buch, sondern eine Schatzkiste. Grünes Leinen, jugendstilartige Ornamente, dazu die Aufforderung: „Tauche ein in das lebendige Buch“. In der Kiste stecken ein Band mit Goldprägung und offener Fadenheftung und, eingeschlagen in Pergament, jede Menge Karten, Zettel und Fotos. Es gibt ein „Compendium wundersamer und höchst gefährlicher Pflanzen“ mit Bildern und Beschreibungen, ein „Handbuch der Menschenfresser“ in Faksimile-Handschrift, gezeichnet in schrecklicher Gestalt. Wie eine Botschaft aus einer alten, längst versunkenen Welt wirkt die handwerklich solide gearbeitete Kiste. Tatsächlich ist Funkes Box die materialisierte Variante ihrer mit dem „Silbernen Löwen“ von Cannes ausgezeichneten MirrorWorld-App, die sie mit den Miranda-Filmstudios in Los Angeles entwickelt hat. Das ehrgeizige Projekt zeigt, wie die Bestsellerautorin mit Formaten experimentiert, in denen sich digitale und analoge Erzählwelten innovativ ergänzen. Dressler, Cornelia Funkes deutscher Verlag, räumte 2016 für „Spiegelwelt“ Gold in der Kategorie Buchcover ab.

Tolle Kooperation

Ein „Buch über Klimawandel für Leute, die sonst keine Bücher über Klimawandel lesen“ nennt Naomi Klein, die mit ihrem Bestseller „No Logo!“ selbst zur globalen Marke wurde, ihr jüngstes Werk. Schon bei der Umschlaggestaltung von Die Entscheidung: Kapitalismus vs. Klima brach S. Fischer aus dem herkömmlichen Rahmen aus: Statt des üblichen Info-Textes auf der U 4 schrieb man in großen Lettern lediglich den Satz „Dieses Buchändert alles“. Klar, dass es auch für eine Print-Anzeige etwas Besonderes sein sollte. Die ursprüngliche Idee, einen echten Zeitungstext zur Klimaveränderung mit dem Slogan zum Buch zu überschreiben, ließ sich nicht umsetzen. Doch das ganzseitige Anzeigenmotiv, dass am 12. März 2015 in der Wochenzeitung der Freitag erschien, war ein echter Hingucker: Ein Klima-Artikel im originalen Zeitungslayout, darüber in seitenfüllenden Versalien: „Dieses Buch ändert alles“. Petra Wittrock, Marketing-Managerin bei S. Fischer, freut sich noch immer über eine „außergewöhnliche Kampagne“ und die „super Kooperation“ mit den Zeitungs-Kollegen. Und, natürlich, über Gold beim BuchMarkt Award 2016 in der Kategorie Printwerbung.

Verkaufshilfe de luxe

Kein Zweifel, Guntram Vespers Opus magnum Frohburg ist ein durch Jahrzehnte tragendes Lebensbuch, ein wild wuchernder und doch klug komponierter Jahrhundertroman. Wie, so fragte man sich beim Frankfurter Verlag Schöffling & Co., kann man dem Buchhandel ein derart reiches erzählerisches Material in klassischer B2B-Kommunikation nahebringen? Ein solcher Schatz ist kaum auf vier Vorschauseiten zu kommunizieren, die einem Spitzentitel maximal eingeräumt werden. Die Frankfurter produzierten ein 24-seitiges Dossier, schön gedruckt, üppig illustriert mit Landkarten, faksimilierten Seiten aus Arbeitskladden und Manuskript des Autors, historischen Fotos – zwei randvolle Kisten mit Material aus Vespers Privatarchiv hatte Verleger Klaus Schöffling dafür aus Göttingen herbeigeschafft. Der Folder sorgte für Furore: Schnell war klar, dass begeisterte Buchhändler mit seiner Hilfe auch beim Endkunden werben wollten; die Vertreter schrieben eifrig Bestellungen. Am Ende gab es für das gewichtigste Buch des Frühjahrs den Preis der Leipziger Buchmesse. Dazu für eine der tollsten Verkaufshilfen der Saison Bronze in der Kategorie Printwerbung.

Unser Aufmacher-Foto zeigt die Jury des BuchMarkt Awards 2016 (v.l.): Michael Lemling (Buchhandlung Lehmkuhl), Elmar Krekeler (Die Welt), Sabine Wimmer (Ullstein), Sven Kröger (Agentur Hafen), Simone Becher (bürosüd), Torsten Casimir (Börsenblatt) und Ricarda Witte-Masuhr (Bastei Lübbe).

Bildquellen: Uwe Frauendorf, Leipzig

„Da steht eure Zielgruppe !“

„Da steht eure Zielgruppe !“

Kreativität und Leidenschaft: Cosplay ist vom Hobby weniger Fans zur weltweiten Community geworden. Für Szene-Kenner Fritjof Eckardt sind die besten Coser echte Künstler.

Herr Eckardt, klären Sie uns auf: Was ist Cosplay?

Fritjof Eckardt: Cosplay („Kostümspiel“) ist ein Kunstwort, das aus den englischen Begriffen „costume“ und „play“ zusammengesetzt ist. Ein Cosplayer stellt einen Charakter aus einem Anime (japanischer Zeichentrickfilm), einem Manga (japanischer Comic), einem Videospiel oder einer japanischen Band dar. Für die meisten Cosplayer ist die Herstellung des Kostüms und der Requisiten sehr wichtig; im Zentrum stehen Auftritte in Wettbewerben, die Dokumentation in Fotos und Videos – und natürlich der Austausch, das Treffen mit Gleichgesinnten

Wie hat sich Cosplay in Deutschland entwickelt?

Eckardt: Während die Manga-Kultur schon 300 Jahre alt ist, kann man Cosplay als Kind der Popkultur bezeichnen. Ab Ende der 1990er Jahre begann der Cosplaytrend, zunächst zögerlich, auch in Deutschland Fuß zu fassen. Den meisten Fans begegnete man damals an den Universitäten, insbesondere unter Informatikstudenten, die Zugang zu schnellem Internet hatten. Neben der Ausstrahlung verschiedenster Anime im deutschen Fernsehen sorgte später auch die rasche Entwicklung des Internets und entsprechender Communities dafür, dass sich Cosplay auch außerhalb Japans zunehmend verbreitete. Die Website www.animexx.de ist mit weit über 100.000 Online-Mitgliedern die größte Manga-Communitie im deutschsprachigen Raum – und auch bei Cosplayern sehr beliebt. Das Internet zeigt den Leuten: Ich bin nicht allein! Und über neue Tools und soziale Netzwerke ist das Phänomen immer größer geworden.

Was war Ihr erster Kontakt mit Cosplay?

Eckardt: Auf einer Veranstaltung in Düsseldorf habe ich zum ersten Mal in Deutschland Live-Cosplayer gesehen. Kurz danach war ich in Japan auf der Comiket, der weltgrößten Dōjinshi-Messe. Mein erstes Kostüm Anfang der Nullerjahre war nach heutigen Maßstäben allerdings äußerst amateurhaft – wir mussten mit Styropor schnitzen, mit Salzteig, Holz und Sekundenkleber haben wir Zauberstäbe und Schilde zusammengebaut. Heute kann man mit thermoplastischen Werkstoffen und 3-D-Druckern arbeiten.

Was hat Cosplay mit Ihnen gemacht, was hat Sie begeistert?

Eckardt: Ich fand die Möglichkeit, in eine andere Rolle hineinzuschlüpfen, jemand komplett anderes zu sein, sehr reizvoll.

Man taucht in andere Welten ein, noch aktiver als beim Lesen?

Eckardt: Man entdeckt sein Interesse für Kreatives. Das reicht von der Gestaltung der oft sehr aufwändigen Kostüme über Fotografie bis zum Webdesign. Vielen Cosplayern gibt ihr Hobby zudem Selbstbewusstsein. Nach den ersten gelungenen Auftritten können sich schüchterne, introvertierte Teenager durchaus in sozial aktive Menschen mit breiter Brust verwandeln – auch im Alltagsleben oder im Beruf. Für manche ist es der Einstieg in eine kreative Laufbahn, etwa als Schneider oder Modedesigner.

Ab einem gewissen Komplexitätsgrad kann Cosplay zu einer eigenen Art von Kunst werden?

Eckardt: Absolut! Es gibt Cosplayer, die in ihrer Präsentation einen enormen Professionalitätsgrad erreicht haben. Wenn man es ernsthaft betreibt, lernt man viele Fähigkeiten, die im heutigen Berufsleben eigentlich vorausgesetzt werden: Wie gehe ich mit Kritik um? Wie vermarkte ich mich online? Wie arbeite ich im Team?

In Leipzig trifft die Buchmesse-Klientel auf ein ausgelassenes, ziemlich buntes Völkchen – für manchen Verleger oder Buchhändler ein Kulturschock. Was würden Sie denen sagen?

Eckardt: Da steht eure Zielgruppe! Die meisten Cosplayer sind ja nicht nur Japan-Fans: Sie lesen Fantasy- und Science-Fiction-Romane, sie lesen Bücher über Reisen in fremde Welten, kaufen Kochbücher oder Krimis. Cosplayer kommen aus allen Schichten der Gesellschaft: Menschen, die arbeiten, lernen, in Urlaub fahren, Familie haben – wer weiß schon, wer sich hinter dem martialischen Schwertkämpfer verbirgt, der einem gerade gegenübersteht? Die Durchlässigkeit zwischen Buchmesse und MCC ist für mich der richtige Ansatz – beide Welten können voneinander profitieren.

Fotos: privat (Fritjof Eckardt), Leipziger Buchmesse

Unternehmen Zukunft

Unternehmen Zukunft

Es sind keine Kunstsammler, die sich letzten November in den Räumen von Judy Lübkes legendenumwehten Galerie Eigen+Art drängen. Geld ist allerdings doch im Spiel: Die einen haben es, die anderen hätten es gern. Investoren aus ganz Deutschland sind aufs Gelände der alten Baumwollspinnerei im Leipziger Westen gekommen, um sich am Demo-Day die Business-Modelle von sechs Start-ups präsentieren zu lassen. Das Spektrum reicht von digitaler Interaktion in der Außenwerbung bis zum intelligenten digitalen Job-Portal für Arbeitsplatzsuchende und Firmen. Hier, wo Künstler wie Neo Rauch quasi um die Ecke ihre Ateliers haben, tüfteln junge Start-ups in kreativer Atmosphäre sechs Monate an neuen Geschäftsideen. Ihre temporäre Homebase: der SpinLab-Accelerator. Zur Halbzeit hat jede Firma genau sechs Minuten Zeit, potenziellen Geldgebern zu vermitteln, was schon geleistet wurde – und wo man hinwill.

Reiseziele per App entdecken

SPINLAB , Startup knowhere

Der Druck ist beträchtlich, der Adrenalinspiegel entsprechend hoch. Für Robert Weber und seine Kollegen vom Hamburger Start-up knowhere keine ganz neue Erfahrung: Nachdem sie 2014 an einem Pitch im texanischen Austin teilnehmen konnten, entschlossen sich die fünf IT-Profis zur Gründung der eigenen GmbH. Im Beta Haus, einem Co-Working-Space an der Hamburger Sternschanze, fand knowhere seine Heimat. Der Name ist Programm: Mit Hilfe einer App sollen Urlauber passende Reiseziele finden – auch wenn sie noch nicht wissen, wohin sie eigentlich wollen. Die intelligente Software erkennt visuelle und persönliche Vorlieben der Nutzer – um dann, ohne lange Recherche, zu den passenden Destinationen zu führen. In Zeiten, da das Smartphone für immer mehr Menschen zum ständigen Begleiter geworden ist, könnte knowhere auch für Reise-Verlage interessant sein. Bislang haben die findigen Hamburger die Entwicklung ihrer App, die nun in die Open-Beta-Phase gehen soll, komplett selbst finanziert. Auf der Suche nach einem passenden Accelerator – einer jener weltweit wie Pilze aus dem Boden schießenden schnellen Brüter, die Start-ups über einen bestimmten Zeitraum durch Coaching zu rasanterer Entwicklung verhilft – hat sich knowhere bis nach Talinn und Barcelona umgetan. Dass man sich für das SpinLab-Programm beworben hat, erklärt Robert Weber mit der „Super-Location“. Auch die Tatsache, dass man hier nicht, wie bei anderen Acceleratoren durchaus üblich, Firmenanteile abgeben muss, spielte eine Rolle. „Ich könnte natürlich auch zuhause in Hamburg arbeiten. Aber hier ist man einfach fokussierter, motivierter.“ Was nicht zuletzt am engen Kontakt mit den anderen Teams auf dem Spinnereigelände liegt. „Auch wenn wir an unterschiedlichen Produkten arbeiten, stehen wir strukturell vor ähnlichen Problemen. Der Austausch hilft enorm.“

Starke Community von Gleichgesinnten

SPINLAB Leipzig, Eric Weber, Managing Director Spinlab.

Das helle, von wuchtigen Eisenträgern durchzogene 700-Quadratmeter-Büro in Halle 14 des Spinnereigeländes wirkt auf den ersten Blick wie die Blaupause der hippen Start-up-Welt zwischen Brooklyn und Kapstadt: An offenen Schreibtisch-Inseln beugen sich junge Menschen über ihre Rechner, leise Gespräche, mal auf Deutsch, mal auf Englisch, konzentrierte Geschäftigkeit. Eine überdimensionale Schaukel, bunte Sitzsäcke, Teeküche und nüchterne Besprechungsräume hinter Glasscheiben. Selbst den unvermeidlichen Kickertisch gibt es – doch im Moment denkt keiner ans Chillen. Hinter dem langen Tresen an der Stirnseite der Halle klebt SpinLab-Geschäftsführer Eric Weber Quittungen. „In einem kleinen Team und einer extrem dynamischen Struktur geht es glücklicher Weise sehr, sehr bunt zu“, lacht Weber, der kaum älter wirkt als die Gründer, denen er zur Seite steht. „Ich bin hier Facility Manager, Berater, Foundraiser, der Feelgood-Mann. Und manchmal eben auch Buchhalter.“ Nach seinem BWL-Studium wechselte Weber an die HHL Leipzig Graduate School of Management, wo er neben seiner Promotion für das hochschulübergreifende Gründernetzwerk SMILE arbeitete. Als die Leipziger Baumwollspinnerei und die HHL im November 2014 die SpinLab Accelerator GmbH gründeten, lief alles auf den jungen Wissenschaftler zu: „Ich habe mir einen Traumjob geschaffen, der unglaublich herausfordernd ist. Ich lerne täglich neu.“ Die Start-ups – sämtlich junge Firmen mit innovativen, technologieorientierten Geschäftsideen – finden im SpinLab ideale Arbeitsbedingungen. „Wir haben eine starke Community von Gleichgesinnten, das schafft Vertrauen.“ Kein Wunder, dass vier Teams aus der ersten Runde als Mieter in der Spinnerei geblieben sind. „Unser Mentoren-Netzwerk aus rund 70 Unternehmern und Investoren bietet wöchentlich Workshops zu diversen Themen an – von Steuerrechtsproblemen bis zu IT, Marketing oder Preisfindung.“ Dazu kommen rund 15 „Premiumpartner“ – renommierte Unternehmen von Porsche, Postbank, E.ON oder KPMG bis zu Microsoft. Noch in diesem Jahr soll ein eigenes Recruting-Netzwerk seine Arbeit aufnehmen.

Dringend gesucht: Neue Geschäftsideen

SPINLAB Leipzig – StartUp MEROLT – Telefonzentrale,

Wer Visionen hat, meinte einst Helmut Schmidt, solle zum Arzt gehen. Eine Stadt wie Leipzig, die neuerdings gern „Hypezig“ genannt wird, ist auf Visionen angewiesen: 2019, in nur drei Jahren, wird neu über den Solidarpakt verhandelt; schon jetzt scheint es zunehmend unrealistisch, Großkonzerne mit Fördermitteln nach Mitteldeutschland zu locken. „Langfristig“, so Eric Weber, „wird man den eigenen Nachwuchs brauchen“. Start-ups mit international skalierbaren Geschäftsideen könnten der Weg sein. Firmen wie Unister oder der T-Shirt-Versender Spreadshirt sind heute Big Player am Ort, sie starteten quasi aus der Garage. Neue Wege des Handelns, des Arbeitens müssen sich entwickeln. Das hat man längst auch in der Medien- und Kreativwirtschaft erkannt: Konzerne wie Madsack oder Springer, die jungen Gründern mit dem Leipziger Basislager Coworking (seit 2015) oder dem 2013 in Berlin gegründeten Axel Springer Plug and Play Accelerator neue Arbeits- und Vernetzungsmöglichkeiten geschaffen haben, sind auch im SpinLab engagiert. Dass auch die Buchbranche von Start-ups lernen kann, steht für Kai Wels, Leiter Lektorat und Produktentwicklung beim Berliner Beuth Verlag, außer Frage: „Der Wille, Dinge einfach mal zu machen, ist faszinierend. An Start-ups lässt sich relativ gut studieren, wie sich Ideen, Produkte und Prozesse entwickeln lassen. Viele dieser Unternehmen sind noch klein, das schafft eine ganz andere Dynamik. Die fehlt bei vielen etablierten Häusern – auch wenn sie jetzt nach und nach erkennen, dass sie damit nicht mehr in der gewünschten Geschwindigkeit auf Marktveränderungen reagieren können.“

Verschmelzung von Internet und lokalem Handel

SPINLAB, Start-up Accelerator in der Buntgarnspinnerei Leipzig. Start-up Sensape (interaktive Werbung) Matthias Freysoldt, Artur Lohrer (ohne Brille) , Justus Nagel

Echtes Neuland ist die Buchbranche für Matthias Freysoldt und seine Kollegen vom Leipziger Startup Sensape. Sie bringen Computern mittels Bildsensoren und spezieller Algorithmen das Sehen und Verstehen bei – Prototypen sind bereits erfolgreich im Handel und auf Messen im Einsatz. Für die Leipziger Buchmesse im März haben die jungen Tüftler aus dem SpinLab einen Bucherkenner gebaut, mit dem man über kleine Wisch-Gesten kommunizieren kann – sehr zur Freude des Publikums, das vorm „Sensape Chimp“ posiert wie in der Karaoke Bar. „Mit unserer Technologie geben wir dem traditionellen Einzelhandel Werkzeuge an die Hand, um den nächsten Schritt in die Zukunft zu gehen. Die Verschmelzung von Netz und lokalem Laden kann gerade für den Buchhandel sehr interessant sein.“

Wand an Wand: Künstler und IT-Tüftler

SPINLAB Leipzig Startup vizzlo.com , Gründer Hendrik Schulze und Robert Lillack

Zwischen den Nachwuchs-Düsentriebs in der Spinnerei wirkt einer wie Hendrik Schulze fast wie ein alter Hase. Zwei Firmen hat der Leipziger bereits erfolgreich zum Fliegen gebracht; die letzte zählte hundert Mitarbeiter, als sie von einem Technologiekonzern übernommen wurde. Eigentlich wollte Schulze dann ein Sabbatjahr einlegen, doch irgendwann juckte es ihm wieder in den Fingern. Zusammen mit seinem ehemaligen Entwicklungsleiter gründete er im letzten Sommer Vizzlo, das jüngste Baby. Schuld waren am Ende wohl die vielen Präsentationen, die Schulze als Firmenchef erarbeiten musste: „Ein Zeitkiller! Du steckst irrsinnig viel Aufwand in die Grafiken, während es eigentlich um den Inhalt geht.“ Die Online-Plattform Vizzlo soll das ändern: Mit ihrer Hilfe können Nutzer in weniger als einer Minute hochwertige Geschäftsgrafiken in ihre Programme integrieren – Weltkarten, Wachstumskurven, Meilensteinpläne. Was als Fingerübung begann, wurde zum Selbstläufer; bereits in den ersten drei Monaten nach der GmbH-Gründung akquirierte das Start-up rund 2500 Kunden. Die Firma wäre auch ohne SpinLab flügge geworden. „Inzwischen würde ich es bereuen, wenn wir uns nicht beworben hätten. Es ist genial.“ Schulze, der zu DDR-Zeiten als Schüler nebenan in den Kirow-Werken seinen Unterricht in „Produktiver Arbeit“ absolvierte, liebt die alten Industriegemäuer und die inspirierende Atmosphäre zwischen Künstlern und Technik-Tüftlern. Es tut gut, die eigenen Erfahrungen mit den Jüngeren teilen zu können. Doch Schulze bekommt auch viel zurück: „Spirit, Wissen, viele praktische Geschichten. Etwa, wenn mir die Leute von knowhere schnell mal bei Google Analytics helfen – dafür würde ich zwei Tage brauchen. Es ist ein Geben und Nehmen.“

Neuland 2.0 – Frischzellenkur für die Branche: Zur Leipziger Buchmesse 2016 präsentierten sich 14 junge Unternehmen, deren Geschäftsideen auch für die Buch- und Medienbranche relevant sind, erstmals in einem eigenen Start-up-Village. Das Spektrum reichte von der Plattform log.os bis zu Sensape aus der Leipziger Baumwollspinnerei. Ausgewählt werden die Firmen von den Fachjuroren Martin Kurzhals (StoryDOCKS GmbH), André Nikolski (Basislager Coworking) und Eric Weber (SpinLab – The HHL Accelerator). Nach der erfolgreichen Premiere von Neuland 2.0 wird es auch 2017 einen herausgehobenen Auftritt für innovative Ideen und Produkte aus der Startup-Szene geben.

Bilder: Martin Jehnichen