Blaue Zwerge

Blaue Zwerge

Man hat es bei all den Debatten über die Literaturfähigkeit der Graphic Novels fast vergessen: Comics dürfen auch ganz einfach intelligent unterhalten, ohne sich dafür schämen zu müssen. Diese Kunst beherrschte kaum einer so brillant wie der 1992 verstorbene Belgier Pierre Culliford, der unter dem Pseudonym Peyo als der geistige Vater der Schlümpfe bekannt wurde.

Mich begleiten die blauen Zwerge schon seit meiner Kindheit, in der ich ihre Abenteuer in Rolf Kaukas „Fix und Foxi“-Heften als Fortsetzungsgeschichten verfolgen durfte. Ihre multimediale Vermarktung von Vader Abraham bis zu den Techno-Schlümpfen, die dem ersten Zeichentrickfilm in den 1970er Jahren folgte, hatte die Genialität der 16 ersten Schlumpf-Alben, an deren Entstehung Peyo selbst mitgearbeitet hat, zu Unrecht eine Weile in den Hintergrund gedrängt.

Dem Splitter-Verlag aus Bielefeld ist es zu verdanken, dass man diese Abenteuer inzwischen in einer großartigen Neuausgabe wieder lesen und sich daran erfreuen kann, wie die Schlümpfe mittels ihres grandiosen Humors auch unsere Welt besser verstehen helfen: Kulturkonflikte („Rotschlümpfchen und Schlumpfkäppchen“), ausufernder Kapitalismus („Der Finanzschlumpf“) und Geschlechterrollen („Schlumpfinchen“) werden auf so großartige Weise seziert, dass man sie den RTL-Comedians unserer Zeit um die Ohren hauen müsste, falls sie sie nicht lesen können.

Über all das kann ich heute noch genauso herzlich lachen wie damals in meinem Kinderzimmer. Und: Nach dem Lesen komme ich mir auch heute noch jedes Mal ein wenig klüger vor.

Dr. Joachim Kaps, Jahrgang 1964, war freier Autor, Übersetzer, Ausstellungs-Kurator und Herausgeber der „Comixene“, 1996 wechselte er zu Carlsen Comics, wo er lange Jahre als Verlagsleiter arbeitete. Seit 2004 ist Kaps Managing Director von Tokyopop in Hamburg.

Bildquelle: Peyo 2014, licensed through I.M.P.S.

Hamburger Schule

Hamburger Schule

Ich bin, wie viele Jugendliche meiner Generation, mit „Petzi“ und „Micky Maus“ aufgewachsen, später kamen mit dem „Zack-Magazin“ franko-belgische Comics, Jean Giraud oder Hugo Pratts „Corto Maltese“ dazu.

Als ich Anfang der 90er in Hamburg mein Studium abschloss, entdeckte ich amerikanische Undergound-Zeichner wie Gilbert und Jaime Hernandez, die in den Achtzigern mit ihrer „Love & Rockets“-Serie eine Art Sittengemälde südkalifornischer Punks geschaffen hatten. Das traf mich wie ein Faustschlag. Zum ersten Mal dachte ich: Da schöpft jemand aus den gleichen Quellen, auch wenn er woanders lebt. Total spannend!

Jugendliches Aufbegehren fühlt sich wahrscheinlich überall gleich an – egal, ob in den Suburbs von L.A. oder am Hamburger Lerchenfeld. „Der Tod von Speedy“, die deutsche Ausgabe des ersten Bands der „Love & Rockets“-Serie, ist dann meine Abschlussarbeit an der Hamburger Hochschule für Bildende Künste geworden: Ich habe mich um die Rechte gekümmert, einen Übersetzer gesucht, alles handgelettert, in der Dunkelkammer der Hochschule wurden die Druckfilme hergestellt. Und plötzlich war ich Comic-Verleger.

Dirk Rehm, Jahrgang 1963, gründete 1991 in Berlin den Verlag Reprodukt, der sich seither mit Künstlern wie Daniel Clowes, Chris Ware, Barbara Yelin oder Mawil zu einer der wichtigsten Adressen für Comics abseits des Mainstreams entwickelt hat.