Film statt Feier

Film statt Feier

Wie sind Sie durch das schwierige Jahr 2020 gekommen?

Constanze Neumann: Wir haben recht schnell gemerkt, dass Bücher auch im Lockdown „Grundnahrungsmittel“ sind, vielleicht mehr als zu anderen Zeiten. Viele großartige Buchhändlerinnen und Buchhändler haben auf unterschiedlichsten Wegen dafür gesorgt, dass unsere Bücher an die Leserinnen und Leser kamen. Nach dem anfänglichen Schock im März war das eine beruhigende und schöne Erkenntnis, die uns durch dieses stille und teils traurige Jahr getragen hat.

Der Aufbau Verlag ist im Herbst 2020 runde 75 Jahre alt geworden – konnten Sie dennoch feiern?

Neumann: Natürlich haben wir ein großes Fest geplant, das ausfallen musste. Der Fokus lag dann ganz auf den Büchern: Wir hatten eine Jubiläumsreihe mit vier schmalen Bänden einiger wichtiger Autorinnen und Autoren (Hans Fallada, Philipp Winkler, Kristen Roupenian, Gregor und Gabriele Gysi) und haben lesend gefeiert, unter dem Motto „Man muss sein Herz an etwas hängen, das es verlohnt“, ein Wort unseres Autors Hans Fallada, dass das, was wir Tag für Tag mit Leidenschaft tun, gut zum Ausdruck bringt. Statt Feier haben wir einen Film über die vergangenen 75 Jahre drehen lassen: Einblicke in die bewegte Geschichte des Verlags.

Was haben Sie in Corona-Zeiten gelernt?

Neumann: Eine ganze Reihe neuer technischer Möglichkeiten, um digital im Austausch zu bleiben. Flexibilität und Kreativität im Umgang mit neuen Herausforderungen. Manchmal etwas mehr Geduld. Aber nicht immer.

Was hat Sie am meisten überrascht?

Neumann: Was alles entbehrlich ist, wie schnell sich das gesamte Verlagsteam im Homeoffice auf das Wesentliche konzentriert und weiter Monat für Monat wie geplant unsere Bücher erscheinen konnten. Eine großartige Leistung aller Kolleginnen und Kollegen!

Was erhoffen Sie sich fürs neue Jahr?

Neumann: Natürlich erhoffe ich mir viele persönliche Begegnungen, den Austausch mit Autorinnen und Autoren, aber auch mit den Kolleginnen und Kollegen, eine Teamarbeit jenseits von Zoom und Teams. Vor allem aber, dass unsere Bücher ihre Leserinnen und Leser finden, auch in Zeiten, in denen in vielen Bundesländern wieder die Buchhandlungen geschlossen sind.

Welche Projektionen haben Sie für die Leipziger Buchmesse Ende Mai? Was würden Sie sich wünschen?

Neumann: Ich wünsche mir natürlich ein Stück Messe-Normalität – das müssen keine überfüllten Straßenbahnen hinaus zu den Messehallen sein, aber die Möglichkeit, unsere Bücher in Leipzig zu präsentieren. Gerade für die Aufbau Verlage, zu denen nun auch der Chr. Links Verlag zählt, ist die Leipziger Messe eine besonders wichtige und eine großartige Möglichkeit, unseren Leserinnen und Lesern zu begegnen. Und ich hoffe, dass es wieder viele Lesungen geben kann.

Constanze Neumann, geboren 1973 in Leipzig, studierte Anglistik, Romanistik und Germanistik und promovierte im Fach Anglistik. Sie lebte drei Jahre als Literaturübersetzerin aus dem Italienischen in Palermo, veröffentlichte eine Gebrauchsanweisung für Sizilien und 2017 den Roman „Der Himmel über Palermo“. Nach einem Volontariat im Piper Verlag war sie fünf Jahre als Lektorin für deutschsprachige Literatur bei S. Fischer und danach sechs Jahre lang als Cheflektorin bei Hoffmann und Campe. Seit 2017 leitet sie den Aufbau Verlag und den Blumenbar Verlag. Seit 2020 gehört sie zum Sprecherkreis der IG Belletristik und Sachbuch des Börsenvereins.

Kulturkomplizen

Kulturkomplizen

Womit sind Sie gerade beschäftigt?

Heike Strecker: Wir sind, wie sich das gehört, während der üblichen Öffnungszeiten von 10 bis 18 Uhr im Laden erreichbar. Vor der Tür haben wir unseren Ladentisch, so dass die Kunden klingeln und kontaktlos abholen können.

Kaffee und Kuchen fallen flach?

Strecker: Kaffee außer Haus gibt es, Kuchen lohnt sich zurzeit nicht. Die Straßen sind wie leergefegt; zum Glück sind die Leute diszipliniert. Im Zweifelsfall essen wir alles selber.

Strecker: Natürlich haben auch wir im ersten Lockdown ausgeliefert. Eine anstrengende, hektische Zeit, die – unterm Strich – nicht so viel gebracht hat. Es ging darum, Präsenz zu zeigen. Und deshalb war’s wichtig. Im April waren wir froh, unter Auflagen wieder aufsperren zu können; im Mai konnten wir sogar unseren Café-Betrieb weiterführen, natürlich mit Hygienekonzept. Einen enormen Schub gab es für uns, als im Frühsommer alle, die eigentlich verreisen wollten, in Deutschland blieben: Da wir an einem touristischen Hotspot sitzen und viele die Provinz für sich entdeckt haben, war es ein guter Sommer für uns. Alles in allem haben wir, mit allen Höhen und Tiefen, ein gutes Jahr gehabt. Bis zum 16. Dezember war der Teufel los – dann mit einem Schlag: Ruhe. Wie ein Marathonläufer, der 20 Meter vorm Ziel stürzt.

Wie erging es ihrem ehrgeizigen „Kempowski täglich“-Projekt? Ab dem ersten Januar sollte es bei Ihnen jeden Tag, mit Ausnahme von Montag und Sonntag, kurz nach sechs eine Passage aus dem „Echolot“ geben. Zuvor ihr Mann Christian mit einer Jazz-Improvisation auf der Trompete…

Strecker: Wir sind erwartungsfroh ins Jahr gestartet. In den Lockdown-Phasen konnten wir lange nur auf Facebook und Youtube lesen. Über den Sommer gab es eine schöne Phase mit Publikum, zur 100. „Kempowski täglich“-Lesung kamen fast 100 Leute auf den Kirchhof. Wir haben unsere 193 Veranstaltungen eisern durchgezogen – bis auf 14 Tage Sommerurlaub. Am Silvesterabend fiel die Klappe.

Was hat sie am meisten überrascht?

Strecker: Die Treue der Stammkundschaft und die Renaissance des kleinen stationären Sortiments. Das hätten wir im Frühjahr nie und nimmer erwartet.

Wie schaut Ihre Lernkurve aus?

Strecker: Wir haben beschlossen, uns über Barsortiments-Anbindung einen Onlineshop einzurichten. Wir haben zwar seit Anfang September unseren ersten Buchhändler Azubi, sind aber insgesamt nur zu viert. Der Shop wird unsere Arbeit erleichtern.

Was erhoffen Sie sich von 2021?

Strecker: Dass Impfstoff und Disziplin eine Wendung fürs Corona-Geschehen bringen. Sonst fahren wir – wie die Politik auch – auf Sicht. Wir hoffen inständig, dass wir Schritt für Schritt wieder öffnen und Veranstaltungen anbieten können. Wir haben auch wieder ein größeres Projekt geplant, damit beginnen wir aber erst nach dem Lockdown: Einmal die Woche, immer mittwochs, soll es einen Lyrik-Abend in der Buchhandlung geben. Immer eine halbe Stunde, aber als Überraschungsprogramm. Dazu wollen wir auch unsere „Kulturkomplizen“ mit ins Boot holen.

Und Ende Mai kommen Sie mit selbstgebackenem Kuchen nach Leipzig?

Strecker: Absolut.

Kennengelernt haben sich Heike und Christian Strecker im American Diner des Hotels, das Heike Anfang der Neunziger betrieb. Aus dem Einzelhandel kommend, hatte Heike Strecker in Wendezeiten kurz eine „Wort-und-Werk“-Filiale geleitet hatte, arbeitete dann in Dingelstädt im christlichen Sortiment der Schwiegereltern in spé. 2004 eröffneten sie mit ihrem Mann in einem leer stehenden Schreibwarengeschäft in der Mühlhausener Altstadt, direkt gegenüber der Marienkirche, die eigene Buchhandlung. Der Relaunch nach 15 Jahren resultiert aus einer gemeinsamen Leidenschaft: „Wir sind beide irrsinnig gern Gastgeber.“

Fotos: Nils Kahlefendt, Buchhandlung Strecker

„Außendienst im Innendienst“

„Außendienst im Innendienst“

Womit Sind sie gerade beschäftigt?

Regina Vogel: Heute wäre ich, wie auch die übrige Woche, in Berlin gewesen. Nach einigem Ringen habe ich beschlossen, bis auf weiteres alle Buchhandlungstermine abzusagen. Ich biete stattdessen Telefon- oder Skype-Termine an; einige Termine habe ich hoffnungsvoll in den März geschoben.

Wie wird das angenommen?

Vogel: Grundsätzlich herrscht großes Verständnis. Ich habe bisher schon viele sehr gute Telefontermine gehabt.

Wie sind sie durch das Corona-Jahr 2020 gekommen?

Vogel: Das fühlt sich für mich noch gar nicht abgeschlossen an – es geht ja weiter. Bislang bin ich gesundheitlich wie ökonomisch durch alles gut durchgekommen – natürlich mit vielen Umstellungen. Im Prinzip mache ich seit März – bis auf wenige Wochen im Sommer – Außendienst im Innendienst. Ich habe gerade mit meinen Kollegen Michel Theis und Christiane Krause vom Büro Indiebook gesprochen, mit denen zusammen ich Deutschland bereise; wir alle drei haben festgestellt, wie sehr uns der Kulissenwechsel fehlt. Wir sind es einfach gewohnt, unterwegs zu sein, andere Bilder zu haben, anderen Menschen zu begegnen – nun sitzen wir auf einmal in unseren Wohnungen und haben nur noch virtuelle Kontakte. Das ist schon eine gewaltige Umstellung; das Schöne am Vertreterberuf ist doch normalerweise, dass man in ganz vielen Bereichen ganz unterschiedlich unterwegs ist. Und im Wechsel zwischen Verlags-Konferenzen und Buchhandelsbesuchen sind auch die Gespräche immer anders. Es ist eigentlich ein unglaublich lebhafter Beruf, der jetzt gerade sehr reduziert stattfindet. Immerhin: Er kann stattfinden!

Was hat Sie am meisten überrascht?

Vogel: Was mich gefreut und überrascht hat: Dass die kleinen Buchhandlungen – die ja die natürlichen Partner der Independent-Verlage sind, unheimlich viel Kraft und Energie aufgebracht haben, um Wege zu finden, an ihre Kunden ranzukommen. Und dass sie es bravourös geschafft haben, Kundenbindungen aufzubauen.

Wie geht es weiter? Was erhoffen Sie sich fürs nächste Jahr?

Vogel: Es ist schwierig. Wir haben alle nicht die Glaskugel in der Hand und können sagen: Dann und dann geht’s weiter. Wir vermitteln ja gegenwärtig auch zwischen Verlagen und Buchhandlungen, beraten beide. Wir geben den Verlagen Feedback, wie ihre Programme angenommen werden – und wie man das Jahr weiter planen kann. Es ist natürlich nicht einfach, einer aktuell geschlossenen Buchhandlung zu sagen, welche Bücher sie braucht.

Und Leipzig?

Vogel: Die Leipziger Buchmesse ist unsere Hoffnung, das merkt man bei allen Gesprächen. In Klammern immer mitgesprochen: Vorausgesetzt, bis dahin kann man wieder etwas entspannter miteinander umgehen. Ein Satz fällt immer, egal, ob es sich um Buchhandlungen oder Verlage handelt: Hoffentlich sehen wir uns in Leipzig! Und wenn es in einer abgespeckten Form ist. Aber das wäre ein Ziel!

Regina Vogel, 1965 in Wuppertal geboren, ist gelernte Buchhändlerin. Nach ihrem Umzug nach Leipzig 1992 übernahm sie die Leitung der Buchhandlung an der Thomaskirche und war Mitbegründerin der Messebuchhandlung. Seit 2013 arbeitet sie als freie Verlagsvertreterin für unabhängige Verlage (www.buero-indiebook.de). Seit 2019 ist sie Mitglied der Jury für den Deutschen Buchhandlungspreis. Regina Vogel wohnt in Leipzig.

Spätes Happy End

Spätes Happy End

Wie haben Sie 2020 geschafft?

Britta Jürgs: Es war natürlich ein schwieriges Jahr, weitgehend ohne Veranstaltungen, ohne Buchmessen, ohne persönliche Begegnungen – ohne all das, was sonst ein Verlagsjahr ausmacht: Dass man das, an dem man die ganze Zeit arbeitet, schließlich präsentieren kann. Diese doch so wichtige Resonanz fehlte über weite Strecken. Speziell für AvivA hat das Jahr allerdings mit einem wunderbaren Höhepunkt aufgehört: Ende November wurde der Verlag mit dem Großen Berliner Verlagspreis ausgezeichnet. Das hat viel wettgemacht – nicht zuletzt durch das beachtliche Preisgeld von 35.000 Euro.

Wie lief die Preisvergabe im zweiten Lockdown ab?

Jürgs: Die Preisverleihung fand in einer Sondersendung bei radioeins von rbb statt.

Was erhoffen Sie sich für 2021?

Jürgs: Ich hoffe, dass Veranstaltungen, Messen und Büchermärkte wieder stattfinden können. Und dass wir unsere Schätze endlich wieder persönlich und live vermitteln können. Wichtig ist natürlich, dass die Zahlen runtergehen! Wir freuen uns jedenfalls auf die Leipziger Buchmesse Ende Mai.

Was haben Sie da vor?

Jürgs: AvivA ist bereits angemeldet, jetzt gilt es zu überlegen, auf welche Veranstaltungen wir uns konzentrieren. Ich würde gern ein Buch nach Leipzig bringen, das schon im Herbst erschienen ist, Margaret Goldsmiths Roman „Patience geht vorüber“ – das ist zugleich unser Titel zum Indiebookday. Wir hatten zu diesem Titel noch keine richtige Veranstaltung. Das Lesepublikum ist da, aber das lebendige Gespräch über unsere Bücher ist eigentlich unverzichtbar.

Womit sind Sie gerade beschäftigt?

Jürgs: Mein Büro befindet sich im selben Haus wie meine Wohnung, insofern muss ich mich nicht eigens auf Homeoffice umstellen. Aktuell sitze ich an den beiden Büchern, die zum traditionellen Leipzig-Termin im März erscheinen sollen: Ein Erzählungsband von Margarete Beutler („Ich träumte, ich hätte einen Wetterhahn geheiratet“), einer noch zu entdeckenden Autorin, die eng mit Erich Mühsam befreundet war. Und der Roman „Christian Voß und die Sterne“ von Hertha von Gebhardt, deren 125. Geburtstag am 2. Februar 2021 ist. Vorgestern habe ich mit Kristine Listau, Jörg Sundermeier (Verbrecher Verlag) und Jan Karsten (CulturBooks) unseren gemeinsamen Vorschauversand gemacht. Wir haben uns dazu bei den Verbrechern im Mehringhof getroffen – mit reichlich Luft überm Kopf und Masken. Verrückt: Das letzte Mal, dass wir uns persönlich getroffen haben, war beim Eintüten der Frühjahrsvorschauen 2020!

Britta Jürgs, geboren in Frankfurt am Main. Studium der Germanistik, Romanistik und Kunstgeschichte in Frankfurt am Main, Paris und Berlin. 1997 Gründung des AvivA Verlags. Herausgeberin von Büchern zu Frauen in der Kunst- und Literaturgeschichte. Redakteurin und Herausgeberin der VIRGINIA Frauenbuchkritik. Auf der Frankfurter Buchmesse 2011 Auszeichnung als „BücherFrau des Jahres“. Seit 2015 Vorsitzende der Kurt Wolff Stiftung.

„Nach vorn denken“

„Nach vorn denken“

Womit sind Sie gerade beschäftigt?

Tom Kraushaar: Ich habe zwischen den Jahren sehr viele Manuskripte und Bücher gelesen, die in den nächsten Jahren bei uns erscheinen sollen. Da auch die London Book Fair auf Ende Juni verschoben wurde, möchte ich im Januar noch mit möglichst vielen unserer internationalen Partner sprechen. Ich bin heute Vormittag im Büro; unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter können im Homeoffice arbeiten, so oft sie das wünschen, das funktioniert gut. Hier im Verlag gilt die Regel: Pro Raum eine Person. Momentan sind deutlich weniger Leute im Haus, als wir Räume haben.

Wie haben sie 2020 gemeistert?

Kraushaar: Mit Blick auf die Zahlen: sehr gut! Wir sind genau bei unserem schon sehr guten Vorjahresumsatz gelandet, und das will nach so einem Jahr etwas heißen. Natürlich gab es Bücher, deren Vermittlungsstrategie stark auf die Leipziger Buchmesse ausgerichtet war. Mit Bettina Hitzers „Krebs fühlen“ haben wir ja die Gewinnerin des Preises der Leipziger Buchmesse in der Kategorie Sachbuch im Programm – davon hätte der Verlag in einem ‚normalen’ Jahr wohl deutlich stärker profitiert. Dafür gab es bei unserem Fantasy-Imprint Hobbit Presse zweistellige Zuwächse. Da haben sich positive und negative Effekte ausgeglichen.

Aber es geht nicht nur um die Zahlen, richtig?

Kraushaar: Die persönlichen Gespräche fehlen uns enorm. Digitale Formate funktionieren dann gut, wenn sie an bereits bestehende persönliche Bindungen anknüpfen. Wir setzen seit Jahren sehr stark auf solche Kontakte. In Lockdown-Zeiten hat sich gezeigt, wie eminent wichtig so eine funktionierende Kommunikationsbasis ist. Wir haben in der Vergangenheit wichtige Dinge getan, die wir im letzten Jahr nicht tun konnten. Insofern wäre es trügerisch zu sagen: Alles super gelaufen. Die Gelegenheit, Fundamente für die Zukunft zu legen, hatten wir nur sehr eingeschränkt.

Momentan hält man eher Kontakt zu den Leuten, die man schon vor Corona kannte – auf Messen ist das anders…

Kraushaar: Solche Großveranstaltungen verknüpfen zwei Systeme, die für die Zukunft des Buches essentiell sind: Den Buchmarkt als ökonomisches System – und den Literaturbetrieb als soziokulturelles System. Der Buchmarkt sorgt, simpel gesprochen, dafür, dass die Teilnehmer des Literaturbetriebs Geld verdienen. Der Literaturbetrieb wiederum ringt um ‚kulturelle Werte’ – und sorgt so, wiederum vereinfacht, dafür, dass ‚bessere’ Bücher gekauft und gelesen werden, als der Markt allein es regeln würde. Wird diese Verbindung gekappt, verkümmert der Betrieb im Elfenbeinturm, während der Markt zum Durchlauferhitzer für den Mainstream wird.

Also sollten wir uns in nicht allzu ferner Zeit wieder ins wirkliche Leben jenseits der Zoom-Konferenzen wagen. Worauf hoffen Sie für 2021?

Kraushaar: Ich möchte ungern Prognosen abgeben, man steht dann leicht als blauäugiger Optimist oder destruktiver Pessimist da. Unsere Programme sind stark, insofern glaube ich an ein positives Jahr für Klett Cotta. Und ich hoffe darauf, dass wir – sobald das irgend möglich ist – reisen und unsere Kontakte persönlich pflegen können. Ich denke dabei vor allem an unsere Autorinnen und Autoren und unsere Partner im Buchhandel, die sich in diesem schwierigen Jahr enorm engagiert haben.

Die Tropen-Party im GfZK-Café, bei der man noch mit angezogenen Beinen stehen konnte, war die materialisierte Messe-Ausgelassenheit. Mit welchen Projektionen blicken Sie heute Richtung Leipzig?

Kraushaar: Für uns wäre es aus den schon beschriebenen Gründen wichtig, dass im späten Frühjahr eine Messe stattfindet. Wir werden flexibel sein müssen, was unsere Planung betrifft. Gerade jetzt in diesen trüben, von immer neuen Hiobs-Zahlen bestimmten Tagen sollten wir nicht vergessen, nach vorn zu denken. Was können wir dafür tun, dass möglichst bald vieles wieder gut läuft? Die Graswurzelarbeit der Buchhandlungen, der Literaturhäuser und Festivals wird immer wichtiger – die Phantasie all der Leute, die den Laden letztlich zusammenhalten.

Ein wenig sollte man auch ins Gelingen verliebt sein?

Kraushaar: Unbedingt! Wir müssen, auch als Branche, rational begründbare, vernünftige Lösungen entwickeln, die auch von Hoffnung und Zuversicht geprägt sind.

Tom Kraushaar, geboren 1975 in Düsseldorf, ist verlegerischer Geschäftsführer des Verlags Klett-Cotta.