Autor: Nils Kahlefendt

(c) Leipziger Messe GmbH

„Wir müssen wieder loslaufen!“
22. August 2022
Buchmesse-Direktor Oliver Zille über den Countdown zur Leipziger Buchmesse 2023 – und worauf Aussteller jetzt achten sollten.
Autor: Nils Kahlefendt

(c) Leipziger Messe GmbH

„Wir müssen wieder loslaufen!“
22. August 2022
Buchmesse-Direktor Oliver Zille über den Countdown zur Leipziger Buchmesse 2023 – und worauf Aussteller jetzt achten sollten.

Die Buchmesse in den Hallen stattfinden zu lassen, ist Ihr oberstes Credo. Wenn wir jedoch eines aus der Pandemie gelernt haben, dann, dass Pläne nicht immer aufgehen…

Oliver Zille: Wir sind gebrannte Kinder. Dabei hatte alles, was wir in der Vergangenheit getan haben, seinen Sinn und seine Begründung. Am Ende hat es nicht gereicht. Blicke in die Glaskugel helfen nicht. Aber das uns Mögliche haben wir in Gang gesetzt – übrigens im Einvernehmen mit der Branche. Es ist zwingend notwendig, Sichtbarkeit für Literatur herzustellen!

Ist Leipzig 2023, nach menschlichem Ermessen, gesichert?  

Zille: Wir sind überzeugt davon. Wir haben nach drei Jahren Zwangspause diese Buchmesse wieder zu etablieren. Der späte Termin soll garantieren, dass es eine physische Messe mit Publikum in den Hallen geben kann. Aber Messen sind auch vor der Pandemie kein Konstrukt gewesen, das man sich am grünen Tisch ausdenkt und dann in die Praxis umsetzt. Es ist etwas, das man gemeinsam mit seinen Kunden realisiert. Die haben wir allerdings drei Jahre mehr oder weniger nicht gesehen. Drei Jahre, in denen sich die Situation für uns alle dramatisch verändert hat. Es gilt, gemeinsam einen neuen Anfang zu finden. Das wird ein Marathon – aber wir müssen jetzt einfach wieder loslaufen!  

Das „Denken in Szenarien“, von dem bei Zukunftstreffen mit Kulturstaatsministerin Claudia Roth noch die Rede war, ist vom Tisch?  

Zille: Denken in Szenarien bedeutet auch, die Rahmenbedingungen, in denen man arbeitet, mitzudenken. Es wird nicht möglich sein, einen Plan A, B und C mit gleicher Seriosität parallel voranzutreiben – und dann einen davon aus der Tasche zu ziehen. Unsere Dienstleister sind extrem motiviert, die Leipziger Buchmesse wieder in Schwung zu bringen. Aber sie ächzen unter den derzeitigen Bedingungen, unter Personal-Engpässen, unter gewaltigen Auftragsüberhängen. Wir haben die Zeitkette so gebaut, dass wir flexibel reagieren – und unsere Formate in verschiedenen Größen funktionieren können.  

Wer bis zum 30. September bucht, tut das zu den Konditionen der Leipziger Buchmesse 2019.

Oliver Zille

Die Messe hat länger gebraucht, diese Rahmenbedingungen zu definieren, vieles musste neu gedacht werden – der in den Sommer gezogene Akquise-Start zeugt davon. Worauf sollte man als potentieller Aussteller achten? 

Zille: Wenn man bis zum 30. September bucht, tut man das zu den moderaten Konditionen der Leipziger Buchmesse 2019. Zusätzlich sind Fördermöglichkeiten im Rahmen des vom BKM aufgelegten Programms Neustart Kultur geplant – zum Frühbucher-Rabatt kommt also eine weitere Vergünstigung. Wie sich die Konditionen genau darstellen, werden wir noch deutlich vor Ende der Frühbucher-Phase kommunizieren.   

In vorpandemischen Zeiten konnte man sich bis gefühlt Ultimo anmelden – das ändern Sie nun. Bis zum Anmeldeschluss 15. November bezahlt ein Aussteller, der sich im Eiltempo wieder zurückzieht, 25 Prozent – danach sind 100 Prozent fällig, wie es normalerweise mit einer Zulassung üblich ist. 

Zille: Nach den Erfahrungen des Frühjahrs mussten wir hier etwas verändern. Wir gehen davon aus, dass auch Aussteller, die sich vorher angemeldet haben, noch mal einen „Realität-Check“ zum 15. November machen. Das macht die Sache auch für uns planbar. So hätten wir genügend Vorlauf, mit unseren Dienstleistern auch ein kleineres Format auf dem Messegelände zu bauen. Natürlich kann man sich auch nach dem 15. November noch anmelden – aber eben zu anderen Konditionen und eventuell nicht in der erhofften Wunsch-Platzierung. Ich weiß, man soll sich vor solchen Aussagen hüten, aber: Wenn wir 75 Prozent der Ausstellerinnen und Aussteller aus vorpandemischen Zeiten in Leipzig haben würden, wäre das ein Erfolg.  

Sie haben den Termin der Messe nach hinten verlegt, nicht aber die gesamte Zeitkette: Die Anmeldung für „Leipzig liest“ endet wie gewohnt am 30. November. Sind die lokalen Partner, in in Corona-Zeiten teils heftig bluten mussten, wieder mit im Boot?  

Zille: Es gibt größere Orte, die seit 20 Jahren feste Programm-Bestandteile sind, dazu kommen fallweise kleinere Partner. Die Mehrzahl unserer Partner plant mit dem April-Termin. Aber es gilt natürlich auch hier, was für alle jetzt in Gang gesetzten Prozesse gilt: Ganz ohne Bewegungen auf dem Weg wird es nicht gehen, mit dieser Rest-Unruhe müssen wir klarkommen.   

Wie geht es personell beim Lesefestival der Buchmesse weiter?  

Zille: Es passt zur fortschreitenden Digitalisierung der Buchmesse-Organisation, dass wir mit Unterstützung des BKM unsere „Leipzig liest“-Datenbank aufrüsten. Die Verschränkung dessen, was über die Datenbank läuft, mit dem „Gesamtwissen“ der Buchmesse ist ein entscheidender Punkt. In vorpandemischen Zeiten hat er vielleicht eine nachgeordnete Rolle gespielt – aber das hat sich deutlich geändert. Deshalb wollen wir die klassischen „Leipzig liest“-Stellen in die Messe holen, den Job mit eigenen Leuten wuppen. Wir werden aber weiterhin vertrauensvoll auch mit Freien zusammenarbeiten, die den „Leipzig liest“-Organismus aus dem Effeff kennen.  

Ein Organismus, der stetem Wandel unterliegt: Warum wurde das Hallen-Layout geändert? 

Zille: Wir haben uns überlegt, was die wichtigsten Entwicklungsfelder der Leipziger Buchmesse für die Zukunft sein werden. Eine unserer Hauptaufgaben ist zweifellos, Kinder und Jugendliche zum gedruckten Buch, zu den Medien zu bringen. Deshalb wollen wir die Bereiche Manga-Comic-Con (MCC), Fantasy, Kinder- und Jugendbuch stärker miteinander verschränken. In Halle 2, also in direkter Nachbarschaft zum Congress Center Leipzig, werden wir die Themenbereiche Fachbuch/Wissenschaft, Belletristik und Sachbuch, Buchkunst & Grafik, Reise, Hörbuch sowie den Bildungsbereich konzentrieren.   

Wie wird es nach der Geschäftsaufgabe von abooks.de mit der Antiquariatsmesse weitergehen?  

Zille: Die Nachricht hat uns kurzfristig erreicht. Wir überlegen, eine Fläche mit antiquarischen Angeboten ins Messe-Layout zu integrieren; derzeit laufen Gespräche darüber mit lokalen Antiquariatspartnern. Ich sehe diese Bemühung als eine Brücke in eine noch zu definierende Zukunft.  

Messen machen ist wie Atmen oder Fahrradfahren: Man verlernt es nicht, oder? 

Zille (lacht): Man darf aber auch nicht aufhören zu treten. Sonst fällt man vom Rad. Aber jetzt ernsthaft: Unser Arbeitsalltag hat sich radikal verändert. Wir schauen, klar, auf unsere Kunden, müssen aber ebenso fest unsere Dienstleister und deren Lage im Blick behalten. Es gibt keine Routinen, nichts Eingespieltes mehr. Die Messen in den nächsten Jahren werden sich von denen, die wir kannten, deutlich unterscheiden. Wir wissen nur noch nicht genau wie.  

Welcher Ihrer Pinnwand-Sprüche im Büro erweist sich gerade als besonders wertvoll? 

Zille: Douglas Adams: „Don’t panic!“   

Der Text ist die leicht bearbeitete Fassung eines Gesprächs, das am 9. August auf boersenblatt.net erschienen ist.

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