Kaum zu glauben, aber wahr: Die nächste Buchmesse im März wird für Stephi Lejsek, seit 14 Jahren Projektassistentin im Messeteam, die letzte sein. 14 Mal Reinhängen mit ganzer Kraft, 14 Mal Mitfiebern, Überstunden, Herzklopfen kostenlos. Und jetzt? Lejsek, 62, hat lange überlegt und sich, statt gleitender Altersteilzeit, lieber für den „harten Schnitt“ entschieden. Es gibt ein Leben neben, eines nach der Messe. Auch wenn das lange nicht so aussah.
Leipzig im Ausnahmezustand
Stephi Lejsek ist seit 42 Jahren im Unternehmen. 1976 kam sie zur Messe, nach Abitur und ersten Schritten in ein Studium, mit dem sie nicht glücklich wurde. Für Lejsek ein Jahr des Neustarts, in der „Vervielfältigung“ der Messe, der heutigen Hausdruckerei. Zu jener Zeit werden Pressemeldungen noch mit Wachsmatrizen auf Ormig-Papier vervielfältigt. Stephi Lejsek absolviert eine Ausbildung zum Wirtschaftskaufmann und wechselt ins Personalbüro der Messe; Dienstort ist das ehemalige, heute wieder nobel herausgeputzte Hôtel de Pologne Leipzig in der Hainstraße. Sie gehört zu jenen Mitarbeiterinnen, die Aushilfskräfte für die Messe vermitteln; in Spitzenzeiten sind das an die 4000 – von der Reinigungskraft über die Standhilfe bis zum Aufzugfahrer. Die Messewochen im Frühjahr und Herbst erlebt Lejsek damals als kompletten Ausnahmezustand. „Die Stadt vibrierte. Die Hainstraße war Kopf an Kopf voller Menschen, voller Leben.“
Wenn Mutti früh zur Arbeit geht…
Es geht seinen Gang, könnte man, mit Erich Loest, sagen. Und es geht gut, sehr gut sogar. Stephi Lejsek wird zwei Mal Mutter, 1986 nimmt sie, berufsbegleitend, ein Ökonomie-Studium auf. Die andere, heute schon wieder in Vergessenheit geratene Seite des DDR-Alltags. „Ich wollte im Beruf noch ein bisschen weiterkommen. Das bedeutete jede Woche einen Tag Schule, gelernt habe ich an den Wochenenden, quasi gemeinsam mit den Kindern – die Kleine war sechs, der Große neun.“ Ihren Abschluss macht Lejsek im Februar 1991 bereits nach bundesdeutschem Recht, die DDR ist Geschichte. Eine verrückte Zeit der Neuorientierung, auf allen Gebieten. „Ich war der festen Überzeugung, dass es weitergehen muss“, erinnert sich Lejsek, „dass man die älteste Messe der Welt nicht einfach so im Boden versenken kann“. Der Umbau des Unternehmens in einzelne Fachmessen hält die Belegschaft in Atem; alle müssen sich neu bewerben. Lejsek dockt als Assistentin bei der Modemesse an; im Sommer 2006 ist auch dieses Kapitel abgeschlossen.
Im Mahlstrom der Daten
Mit dem nötigen Quäntchen Glück landet Stephi Lejsek schließlich bei der Buchmesse. Sie fühlt sich vom ersten Tag an aufgehoben im Team, der Job macht ihr Spaß. Und: buchaffin ist sie sowieso. „Wegen der vielen Bücher“, lacht sie, „sind wir sogar mal im Musikviertel umgezogen“. Im Arbeitsalltag obliegt ihr der Service rum um „Leipzig liest“, Hauptaufgabe ist die Betreuung der immer umfangreicher werdenden Datenbank. „2000 Aussteller und rund 3500 Veranstaltungen wollen bewältigt werden.“ Bei den Modemessen hatte sie es mit 500 Ausstellern zu tun. Lejsek hat sich, wie so oft, eingefuchst. „Man merkt gar nicht, wie die Jahre vergehen.“ Aber wie heißt es doch: Wenn’s am Schönsten ist… Das Wort „Unruhestand“ scheint jedenfalls für eine wie Stephi Lejsek erfunden worden zu sein. Gemeinsame Reisen mit ihrem Mann, ein großer Garten, vier Enkelkinder – jede Menge selbstbestimmte Zeit. Als Besucherin bleibt sie „Leipzig liest“ erhalten, jetzt erst recht: „Ich freue mich darauf, dass ich die Buchmesse mal unbeschwert genießen darf.“