Schon lange gab es die Idee eines großen Presseempfangs der unabhängigen Verlage, und hier war nun zu sehen, wie es gemacht werden muss, wenn man unbekannte Menschen miteinander ins gute Gespräch bringen will. Der Haupttrick ist eigentlich nur die Platzierung: Gruppen, Paare etc. müssen auseinandergerissen und kleine neue Gruppen gebildet werden, die dann in lockerer und gleichzeitig gehobener Grundatmosphäre „gezwungen“ sind, sich miteinander am Tisch bekannt zu machen. Aber wo diese Frankfurter Grundatmosphäre finden, ohne Frau von Metzlers Haus nachbauen zu müssen? Beste Antwort: In Leipzig. Unsere dortige Hotlist-Geheimagentin Irina Kramp gab schließlich den entscheidenden Tipp, die Verbände der unabhängigen Verlage aus Österreich, der Schweiz und Deutschland taten sich zusammen, um das „Independence Dinner“ ins Leben zu rufen, ein Sponsor wurde gefunden (inzwischen ist es die charmante Druckerei Theiss aus Kärnten) und – unbedingt wichtig – die Leipziger Buchmesse stellte zwei Shuttlebusse zur Verfügung. Aus diesen steigen die Teilnehmer nun immer am Messedonnerstagabend wegen des endlich überstandenen Nachmessestaus in einer Verbrüderungsstimmung wie nach langer, abenteuerlicher Klassenfahrt am Ort des Geschehens aus, werden nach einem ersten Stabilisierungsgetränk streng platziert und es beginnt: das Bankett an den runden Tischen des Chinabrenners, einem der besten chinesischen Restaurants Deutschlands (das ist trockene Tatsache, keine Lobhudelei). Für mich auf ewig unvergesslich zum Beispiel das „Eisbein nach Art des Dichters“. Bei derartig poetischen Genüssen habe ich inzwischen schon dreimal um die 90 Presse-, Verlags- und andere Buchmenschen gemeinsam glücklich völlern und intensiv plaudern sehen. Ja, ich muss also leider feststellen: Diebstahl lohnt sich manchmal.
Axel von Ernst ist Autor, Verleger und Moderator und lebt in Düsseldorf. Als Vorsitzender des Vereins der Hotlist engagiert er sich für die Belange der deutschsprachigen unabhängigen Verlage. Er selbst ist zusammen mit Viola Eckelt Gründer des Lilienfeld Verlages, der 2007 mit einem auf literarische Wiederentdeckungen spezialisierten Programm gestartet ist und u. a. 2011 den Förderpreis der Kurt-Wolff-Stiftung erhielt. www.lilienfeld-verlag.de