Blitzstart

Blitzstart

Wenn eine gelernte Buchhändlerin ‚Peterknecht’ heißt, geht bei Leuten, denen die Branche nicht ganz egal ist, ein Lämpchen an: Unweigerlich denken sie an das Erfurter Traditionsunternehmen gleichen Namens, gegründet 1805, seit 1935 im Besitz der Peterknechts. „Ich bin nicht reingeboren, sondern angeheiratet“, sagt Lea Amelie Peterknecht lachend. Sie wuchs nicht im Thüringischen auf, sondern an der Mündung der Elbe in die Nordsee, in Cuxhaven. Seit März 2017 ist der Sohn von Peter und Katrin Peterknecht ihr Mann („Standesamtlich haben wir an einem Montag nach der Buchmesse geheiratet“). Kennengelernt haben sich die beiden angehenden Buchhändler während des Theorie-Blocks ihrer Lehre am mediacampus frankfurt. Ein Blick ins Buch und zwei ins Leben… schon der alte Geheimrat Goethe wusste, wie das läuft.

Die Pudding-Probe

Die Bücher-Welt fand Lea Peterknecht von jeher spannend und keine Spur angestaubt. Aber wie und wo, bitte, kriegt man den Einstieg? Die Abiturientin entschied sich für die klassische Pudding-Probe („The proof of the pudding is in the eating“) und absolvierte Praktika bei der Drachenwinkel Buchhandlung im Saarland und beim Phantastik Verlag Feder & Schwert. Am Ende entschied sie sich für eine klassische Buchhändler-Lehre. Den praktischen Part absolvierte sie bei Jan Orthey, dem engagierten Chef der Lüneburger Buchhandlung Lünebuch .

The better Berlin

Nach dem Ende der Ausbildung zog es das frisch gebackene niedersächsisch-thüringische Paar ins schwer angesagte sächsische Leipzig. Die Stadt war damals nach Meinung der alten Tante „New York Times“ nicht nur „the better Berlin“, sie verfügte auch über den Studiengang Buchhandel/Verlagswirtschaft an der Hochschule für Technik, Wirtschaft und Kultur (HTWK). „Das schien für mich, anders als Germanistik oder Buchwissenschaft, perfekt zu passen“, erinnert sich Peterknecht. „Sehr praxisorientiert, zugespitzt könnte man sagen: BWL mit Buchbezug.“ Das fünfte Semester ihres Bachelor-Studiums, komplett fürs Praktikum reserviert, absolvierte Lea Peterknecht bei der Leipziger Buchmesse. Sie steigt in die Programmarbeit ein, hilft bei der Koordination von Veranstaltungen im Bildungsbereich oder bei autoren@leipzig – und fühlt sich vom ersten Tag an genau am richtigen Fleck.

Erste Stelle als Noch-Studentin

Und sie hat Glück: Nach dem Ende des Praktikums im Mai wird bei der Buchmesse eine neue Projektassistentinnen-Stelle geschaffen. Das Anforderungsprofil ist breit, es reicht von der Ausstellerbetreuung bis zu Aufgaben im Kommunikationsbereich, etwa bei der regelmäßigen Aktualisierung der Website. Lea Peterknecht steigt noch während ihrer Bachelorarbeit, im sechsten Semester, ins Arbeitsleben ein, zunächst in Teilzeit. Zwei Monate später wird daraus eine volle Stelle. Blitzstart nennt man so etwas wohl. Am Wochenende vor der Frankfurter Buchmesse 2018 gibt Peterknecht ihre Bachelorarbeit über „Veranstaltungen als Kundenbindungsmaßnahme im Buchhandel“ ab. Passt.

Ein Wunsch-Job

Als Nora Furchner, Projektmanagerin in den Bereichen Kinder- und Jugendbuch, Phantastik sowie Manga-Comic-Con, die Buchmesse im Frühjahr 2019 verlässt, übernimmt Lea Peterknecht die Stelle. Eine ziemliche Schlagzahl, die junge Frau weiß das selbst: „Es ging wahnsinnig schnell, und ich hatte viel Glück. Aber es passt großartig. Ich kümmere mich heute genau um die Bereiche, die ich mir wünschen würde, wenn ich die freie Wahl hätte.“ Peterknecht brennt für Manga wie für Computerspiele, viele Akteure des Phantastik-Autoren-Netzwerks PAN kennt sie schon lange. Auch beim Gaming-Festival Dreamhack , das einmal im Jahr auf dem Leipziger Messegelände stattfindet, ist sie Stammgast. „Es ist ein Privileg, zu den Themen arbeiten zu können, die einen auch privat umtreiben“, sagt Peterknecht. „Aber genauso wichtig ist für mich unser Team. Schon beim Praktikum bin ich hier super aufgenommen worden – und daran hat sich bis heute nichts geändert.“

Lea Amelie Peterknecht, Jahrgang 1993, wuchs in Cuxhaven auf. Nach dem Abitur und ersten Praktika in der Buchbranche absolvierte sie von 2012 bis 2015 eine Buchhändlerlehre bei Lünebuch (Lüneburg). Von 2015 bis 2018 studierte sie Buchhandel/Verlagswirtschaft an der Leipziger Hochschule für Technik, Wirtschaft und Kultur (HTWK). Im Mai 2018 trat sie ihre Stelle als Projektassistentin bei der Leipziger Buchmesse an, seit April 2019 ist sie Projektmanagerin in den Bereichen Kinder- und Jugendbuch, Phantastik sowie bei der Manga-Comic-Con. Lea Peterknecht ist verheiratet und lebt mit ihrem Mann in Leipzig.

Teamplayerin mit Führungsqualität

Teamplayerin mit Führungsqualität

Wahnsinn! Ein Wort, das Kerstin Heydecke ziemlich oft hört, als sie, im wilden Wendejahr 1990, aus der Altmark zum Studium nach Leipzig kommt. Aus den letzten großen Ferien im Sommer 1989 sind längst nicht alle Klassenkameraden zurückgekommen; die Ausreisewelle rollt. Nun, die ersten freien Wahlen der DDR waren bereits Geschichte, melden sich die Bedenkenträger: Russisch und Englisch auf Lehramt, ob sie sich das nicht noch mal überlegen wolle? Jetzt, wo ihr doch alle Möglichkeiten offen stünden? Heydecke bleibt bei der Fachkombination. Auch wenn sich das Pendel ihrer Sprachbegeisterung nach einem Jahr Auslandsstudium in Manchester neu justiert, liebt sie das Russische bis heute. Nach dem Examen macht es die inzwischen fast exotisch anmutende Fach-Kombination nicht eben leichter, eine der raren Referendarstellen zu ergattern. Sie geht als Honorar-Dozentin in die freie Wirtschaft, lehrt Businessenglisch, unabdingbar für die, die im neuen System durchstarten wollen.

Aufbruchzeit im Bildungssektor

Heydecke selbst kann nach vier Jahren ihr 2. Staatsexamen ablegen, bringt 2000 ihre große Tochter zur Welt und tritt die erste Lehrerstelle an, die eigentliche eine doppelte ist: Zwei Tage die Woche leitet sie eine zehnte Klasse im Leipziger Klinger-Gymnasium, die restlichen drei unterrichtet sie an der Krankenhausschule in Dösen – ganz ohne sonderpädagogische Ausbildung. Die Jobs enden mitten im Schuljahr, damals sind Pädagogen noch keine besonders umworbene Klientel. „Man war eine Figur auf dem Schachbrett“, erinnert sich Heydecke. Nach einem erneuten Intermezzo als Englisch-Dozentin und dem zweiten Kind findet sie 2007 endlich den Traumjob: Das Europäische Bildungswerk für Beruf und Gesellschaft, ein freier Bildungsträger, sucht eine Schulleiterin. Am Standort Leipzig werden Erzieher*innen, Altenpfleger*innen und Sozialassistent*innen ausgebildet. Eine Herausforderung, die Heydecke persönlich als „große Aufbruchzeit“ mit enormem Handlungsspielraum erlebt: „Anders als viele öffentliche Schulen standen wir in einem starken Wettbewerbsumfeld, mussten mit selbst verwaltetem Budget Schüler akquirieren und Kooperationspartner suchen.“

An Rückschlägen wachsen

12 Jahre füllt Kerstin Heydecke die Stelle aus, bis sie, inzwischen Mitte 40, es noch einmal wissen will. Der Wechsel zur Rahn Education Gruppe, einem mittelständischen Unternehmen mit etwa 730 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern an 35 Bildungsstätten in den neuen Bundesländern, Polen und Ägypten, scheint ein verlockender Karriereschritt. Doch als Leiterin Bildungsmanagement und Mitglied der Geschäftsleitung zieht Heydecke nach vier Monaten die Reißleine. „Ich kann mit Druck umgehen“, sagt sie rückblickend, „aber das war einfach zu viel des Guten.“ Häufig erlebt man eine Berufslaufbahn als Erfolgskurve, in der Rückschläge nicht vorgesehen sind. Hat Heydecke an sich gezweifelt? „Rein rational konnte ich das Geschehene für mich gut verarbeiten“, erinnert sie sich. „Es waren die Umstände, ich konnte das gar nicht stemmen, ohne mich zu verbiegen. Aber ich habe es zweitweise schon als Scheitern wahrgenommen.“

„Sie haben den Job!“

Kerstin Heydecke steigt vom Hamsterrad, will diesmal in Ruhe überlegen, wie es weitergehen soll. Eines scheint ihr klar, sie möchte im Bildungsbereich bleiben, vielleicht sogar fest an ein Gymnasium gehen – Lehrerinnen, noch dazu solche mit Führungserfahrung, werden, anders als in den 90ern, inzwischen mit Kusshand eingestellt. In diesem Augenblick entdeckt ihr Lebenspartner die Ausschreibung der Leipziger Messe und leitet sie weiter – die Teamleitung Messemanagement der Leipziger Buchmesse ist neu zu besetzen. Heydecke zögert; es fällt ihr schwer, sich mit ihrer Berufsbiografie hier ‚gemeint’ zu fühlen. Es ist ihr Mann, der das Eis bricht: „Personal führen? Du machst seit 12 Jahren nichts anderes, als ein Team zu leiten! Budgetverantwortung? Kannst du! Du kannst super mit Menschen umgehen, bist strukturiert, hast keine Angst vor neuen Aufgaben. Und du liebst Bücher! Also – versuch’s doch!“ Einige gespannte Wochen und zwei ausführliche Gespräche später dann das befreiende Läuten des Telefons: „Sie haben den Job!“

Neue Führungsebene

Zur Leipziger Buchmesse im März 2019 ist Kerstin Heydecke bereits an Bord, offiziell ist ihr erster Arbeitstag der 1. April. Dass das Messegeschäft eine „wahnsinnig komplexe Aufgabe“ ist, war ihr natürlich klar. Nun erlebt sie es live, Tag für Tag. Das Team gibt ihr die nötige Zeit, hineinzuwachsen. „Ich habe noch nie eine so gute Einarbeitung erlebt. Man holt mich schrittweise in die Verantwortung, lässt mir Luft zum Atmen. Das ist großartig.“ An der Ausgestaltung des neuen Stellenprofils wurde lange getüftelt. Heydecke führt die inneren Prozesse, hat Budget und Projekt-Controlling auf dem Tisch, fungiert als Schnittstelle zu den Fachabteilungen im Haus, wird sich künftig um das Thema Sponsorengewinnung kümmern – und beackert die Segmente ‚Bildung’ (zusammen mit Michiko Wemmje) und ‚Logistik’ (mit Elisabeth Buschmann-Berthold). Klingt das nicht schon wieder nach einem 48-Stunden-Tag? Kerstin Heydecke hebt die Arme und lacht. Der Job ist anspruchsvoll, das schon. Aber das Team macht es ihr leicht. „Alle sind hier unglaublich motiviert, kein Wunder, dass der Funke bei mir im Nu übersprang. Es ist toll zu sehen, wie hier ganz unterschiedliche Charaktere, alle Profis auf ihrem Gebiet, an einem Strang ziehen.“ Geschenkt wird einem nichts; Heydecke musste gleich in den ersten Wochen „ins kalte Wasser“, wie sie es nennt: Die Abrechnung des gelaufenen Messejahrgangs und die Budget-Planungen für 2020 standen auf dem Zettel.

Frischer Wind im Team

Ausgleich findet Kerstin Heydecke bei „Sonntagskind“, einem Chor von rund 25 Frauen, die sich seit 2015 sonntags in der Lindenauer Helmholtz-Schule zum Singen treffen – und pro Jahr auch eine Handvoll Konzerte geben. Wie die Buchbranche, dieses sehr spezielle Völkchen, tickt, weiß Heydecke noch nicht letztinstanzlich. Aber werden da nicht auch alte Hasen immer wieder vor neue Rätsel gestellt? Mit unbestechlichem Blick sorgt Heydecke für frischen Wind im Team. Sätze wie ‚Das haben wir schon immer so gemacht’ wird sie, respektvoll und doch punktgenau, hinterfragen – auch dafür ist sie geholt worden. Sie hat jour fixes etwa mit Projekt-Assistentinnen und Praktikantinnen eingeführt, damit „die Teamrunden nicht explodieren“. Auch der turnusmäßige „Weckruf“ montags und freitags ist neu, ein kurzes morning briefing zu den wichtigsten Fragen: Was hat jeder auf dem Tisch, gibt es Probleme? „Wenn man überlegt, wie viel Zeit man hier verbringt, ist so etwas wie die Kultur am Arbeitsplatz immens wichtig.“ Es scheint ganz so, als ob Kerstin Heydecke angekommen ist in ihrem neuen Traumjob. Jetzt, wo ihre Große, eben 19 geworden, für ein Jahr work & travel nach Japan geht, ist im freiwerdenden Zimmer ein neues Bücherregal aufgestellt worden. Es ist, soviel sei verraten, ziemlich groß.

Kerstin Heydecke ist in einer Lehrerfamilie in der Altmark aufgewachsen. Von 1990 bis 1996 absolvierte sie ein Lehramtsstudium in der Fachkombination Englisch/Russisch für Gymnasien an der Universität Leipzig. Bereits vor dem 2. Staatsexamen arbeitete sie als Honorardozentin für Englisch in der freien Wirtschaft, 2007 übernahm sie die Leitung des Fach- und Berufsfachschulzentrums des Europäischen Bildungswerks für Beruf und Gesellschaft (EGB). Nach einem Wechsel als Leiterin Bildungsmanagement bei der Rahn Education Gruppe kam Heydecke im April 2019 zur Leipziger Buchmesse, wo sie seitdem die Leitung des Messemanagements innehat. Kerstin Heydecke ist Mutter zweier Kinder und lebt mit ihrer Familie in Leipzig.

„Wir glauben an gute Geschichten“

„Wir glauben an gute Geschichten“

Im vergangenen Oktober hatte der Digitaldienstleister Bookwire sein Geschäftsfeld um den neuen Service We Audiobook You (kurz WAY) erweitert, der es Verlagen ermöglichen soll, vom Wachstumsmarkt Hörbuch zu profitieren – durch Audiobook-Produktionen zum Festpreis. Inzwischen wurde bereits eine dreistellige Anzahl an Titeln für dutzende Verlage produziert, insgesamt mehr als 23.000 Minuten. Zur Leipziger Buchmesse 2019 gewann das Angebot den digital publishing award in der Kategorie B2B. Nach Auffassung der Jury bedient WAY ein klares Problem: Dass Produktionen von Hörbüchern „für viele Verlage unerschwinglich sind“ – und das in einer Zeit, „in der Audio einer der großen Wachstumsmärkte ist“. Wir haben mit dem Geschäftsführer und Co-Gründer von Bookwire John Ruhrmann über den Preis und die Bewegungen am Audio-Markt gesprochen.

Waren Sie überrascht, beim digital publishing award zur Leipziger Buchmesse ausgezeichnet zu werden?

John Ruhrmann: Uns hat es sehr gefreut. Als wir anfingen haben wir natürlich nicht daran gedacht für einen solchen Preis überhaupt in Frage zu kommen. Wir haben uns viel mehr gefragt, wie wir es Buchverlagen erleichtern können, sich Multiformat-technisch besser aufstellen zu können, selbst wenn das Format Audiobook im Verlag nicht vorhanden ist und dementsprechend auch kein Wissen dazu. So haben wir in einem kleinen Team mit großem Enthusiasmus „Bookwire We Audiobook You (WAY)“ entwickelt. Die Anregung zur Bewerbung beim DPA kam von ganz anderer Stelle aus dem Bookwire Team – das Projektteam wäre selbst gar nicht auf die Idee gekommen. Als wir dann den Preis gewonnen haben, war es das I-Tüpfelchen auf ein tolles Projekt und eine große Freude und Bestätigung.

Wie beurteilen sie den runderneuerten Preis? Es hat sich ja fast alles verändert, von den Kategorien über die Juror*innen bis hin zum Vergabe-Ort.

Ruhrmann: In unserer Branche wird zu wenig herausgestellt, was in Sachen Digitalisierung konkret läuft – neue Geschäftsideen, neue Möglichkeiten. Dafür ist dieser Preis hervorragend geeignet. Bookwire wurde ja gegründet, weil wir an Bücher, an Geschichten – egal, in welcher Form sie erzählt werden – glauben. Und daran, dass man, um sie zu erzählen, auch die richtigen Strategien und Technologien braucht.

Wie hat sich das Projekt WAY seit Herbst 2018 verändert?

Ruhrmann: Mit WAY bekommen Verlage einen Service, über den sie den wachsenden Audiomarkt bespielen können, wenn sie die Rechte selbst auswerten wollen, aber nicht die dafür nötige Struktur besitzen. Ganz am Anfang haben wir gedacht, dass unsere Idee auf Deutschland beschränkt bleibt. Aber Bookwire ist ja zum Beispiel auch in England, Spanien oder in einer Reihe lateinamerikanischer Länder unterwegs. Gerade auch in diesen Märkten, die noch nicht so weit entwickelt sind wie der deutschsprachige Hörbuchmarkt, wird WAY inzwischen gut angenommen. Wir bieten die Möglichkeit, gleichsam „industriell“ organisiert mit klarem Prozess Hörkunst zu produzieren.

In einem Interview sprachen Sie jüngst vom „Golden Age of Audio“. Das hat man nach den Boom-Jahren und der dann folgenden Konsolidierung am Hörbuchmarkt so länger nicht gehört…

Ruhrmann: Hörbuch- oder Hörspielunterhaltung hat ja eine lange Tradition, Orson Welles’ Hörspiel „War of the World“ wurde an Halloween 1938 ausgestrahlt. Ich habe als Jugendlicher in der Stadtbibliothek gearbeitet und hatte es dort noch mit Hörbuch-Audio-Kassetten zu tun. Das mutet jetzt schon prähistorisch an. Durch die CD, die seit einiger Zeit unter Druck gerät, hat das Hörbuch dann lange im Sortiment stattgefunden. Das neue Verkaufsfenster ist das Smartphone bzw. smart devices. Da hat der Umzug des Hörbuchs jetzt teilweise auch stattgefunden auf Plattformen wie Audible, Spotify, Tolino usw. Es passt in die Lebenswelt der Menschen: Man hat sein Abspielgerät immer dabei; die Qualität ist super und abnutzungsfrei. Wir erreichen vermehrt jüngere Leute, die vielleicht eigentlich Musik hören wollen – und dabei entdecken: Wow, das Buch von Benjamin von Stuckrad-Barre oder Montana Black gibt’s hier ja auch! Und die verbringen dann eben nicht zehn Stunden damit, ein neues Musikalbum zu hören – sondern ein Hörbuch.

Digital ist besser, um einen alten Song von Tocotronic zu zitieren…?

Ruhrmann: Wenn man den stattfindenden Umzug von der Fläche ins Internet nicht mitmachen kann, läuft man Gefahr, abgehängt zu werden. Es sind aber alles lösbare Probleme, wenn man gute Inhalte, eine gute Strategie und die richtige Technologie hat. Wichtig ist, dass die Geschichten erzählt werden – egal in welcher Form. Wenn das heute verstärkt digital geschieht, ist es doch im Sinn der Sache. Was dafür bezahlt wird und was das wert ist – diese Diskussion ist da gewesen, seitdem wir mit Kauri-Muscheln gehandelt haben. Ich denke: So wertvoll wie heute waren Inhalte, Geschichten und Informationen lange nicht mehr.

Auf der Jahrestagung der IG Hörbuch haben sie über „Das Hörbuch und der Aufstieg der Smart-Speaker“ gesprochen. Was haben Sie aktuell in der Pipeline?

Ruhrmann: Es geht jetzt darum, auf Smart-Speakern Skills zu etablieren, die dem Nutzer darüber hinaus auch auf Handy oder Tablet Hörbuchinhalte näherbringt. Wir arbeiten an solch einem Hörbuch-Skill für Alexa. Wenn man von über 100.000 Millionen Geräten ausgeht, auf denen Amazon Alexa installiert ist, kann man sich in etwa das Potenzial vorstellen, was da noch zu heben ist.

Vielleicht gibt’s dafür dann wieder mal einen Award?

Ruhrmann: Es wäre vermessen, dass wir gleich nochmal abräumen, da es sehr viele gute Produkte und Geschäftsideen gibt. Aber Sie haben mich auf eine gute Idee gebracht: Wenn es so gut wird, wie wir uns das wünschen, müssten wir uns wohl wieder bewerben (lacht).

Die Welt als Puzzle

Die Welt als Puzzle

Sag’ niemals ‚nie’ – könnte das ein Lebens-Motto von Elisabeth Buschmann-Berthold sein? Als die Leipzigerin nach ihrem Abitur an der Thomas-Schule fürs Studium der Kunstgeschichte und Politikwissenschaft an der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg einschrieb, dachte sie vermutlich nicht im Traum daran, dass sie sich einmal bei der Leipziger Buchmesse um Themen wie Logistik und Besucherführung kümmern würde. Doch der Reihe nach…

Zum Ersten, zum Zweiten, und zum Dritten…

Bereits am Gymnasium, wo sich Buschmann-Berthold im Kunst-Leistungskurs etwa mit Vincent van Gogh, dem Begründer der modernen Malerei, beschäftigte, waren die Würfel fürs Kunstgeschichts-Studium gefallen. „Als Zweitfach wollte ich etwas wählen, was mich auch interessierte – wovon ich aber kaum Ahnung hatte“, erzählt sie lachend. Ihre Magisterarbeit schrieb sie über die Personifikation der Wollust, eine der sieben Todsünden, in der Druckgrafik; ein Job im Kunsthandel hätte sie gereizt. Sie absolvierte immerhin ein Praktikum beim Auktionshaus Sotheby’s in Köln – doch um auf diesem Feld wirklich reüssieren zu können, hätte sie sich wohl dauerhaft von Leipzig verabschieden müssen. „Kunst wird nun mal in großem Stil in Hamburg oder am Rhein gehandelt.“

Messe-Job neben dem Studium

Doch damals hatte Elisabeth Buschmann-Berthold bereits Freund und Wohnung in Leipzig – und war der Messestadt auch sonst ziemlich bodenständig verbunden: Direkt nach dem Abi begann sie, für die Leipziger Messe zu arbeiten – der erste Aushilfs-Job führte sie zur Aufbau-Ost-Messe Relocation, später jobbte sie im Call Center, angesiedelt in der Querschnittsabteilung der Messe. Zusätzlich arbeitete sie an den Samstagen in der Mode-Boutique ihrer Mutter in der Kupfergasse. „Ich war eine Halbtags-Studentin“, sagt Buschmann-Berthold rückblickend. Es klingt selbstbewusst nach einer, die Leben und Beruf schon sehr früh sehr selbstbestimmt in eins brachte.

Von der Gastro- zur Buchmesse

Der Rest ist Fügung: Gerade als die junge Frau ihr Studium beendet hatte, sucht die Querschnittsabteilung der Messe eine Projektmanagerin. Buschmann-Berthold greift zu, obwohl sie doch eigentlich viel lieber in einem Projekt-Team arbeiten würde. Nach anderthalb Jahren erfüllt sich dieser Wunsch: Sie wird Projektmanagerin bei der Gastro-Messe, die damals noch schlicht Gäste heißt. Buschmann-Berthold wirft sich in die neue Aufgabe, ist auch am Relaunch der Fachmesse für Gastgewerbe und Ernährungshandwerk beteiligt, die heute als ISS GUT! das Messe-Portfolio bereichert. Als Buschmann-Berthold nach der Geburt ihrer Tochter im Jahr 2016 lieber halbtags arbeiten möchte, kommt ein Stellenangebot von der Buchmesse. „Da habe ich nicht lange überlegt.“

Immer die passende Lösung

Seit Herbst 2017 gehört Elisabeth Buschmann-Berthold zum Buchmesseteam. Aktuell koordiniert sie das Hörbuch-Programm, die Gemeinschaftsstände des Börsenvereins und den Comic-Gemeinschaftsstand, zwei Drittel ihrer Arbeitszeit widmet sie jedoch dem spannenden Thema Messe-Logistik. Eine wichtige Aufgabe in Zeiten, da die Buchmesse jedes Jahr wächst. Und wie überall steckt der Teufel auch hier im Detail: Wo stehen die Drehkreuze in den Eingangsbereichen, wo beginnen die Sicherheitsareale, wer darf wie weit in die Gänge hinein bauen? Immer hat alles mit allem zu tun. „Für mich hat Logistik etwas von einem Puzzle“, sagt Buschmann-Berthold. „Wir bekommen wir’s hin, dass es für die Besucher angenehm ist – aber auch für die Aussteller? Wie passen unsere Lösungen ins Gelände – und ins Budget?“

Momentan stehen die Zeichen bereits wieder auf der Vorbereitung der Buchmessen 2020 und 2021; einmal im Monat gibt es ein jour fixe mit allen Fachabteilungen. Logistik ist ein Thema, das sich nur gemeinsam stemmen lässt. „Ich hätte nie gedacht, dass meine Arbeit einmal so aussieht“, sagt Elisabeth Buschmann-Berthold beim Abschied. Und die Kunstgeschichte? „Die bleibt mir erhalten. Man kann ja sehr schön privat ins Museum gehen.“

Elisabeth Buschmann-Berthold, geboren 1984 in Schkeuditz bei Leipzig, ist in Leipzig aufgewachsen. Nach ihrem Abitur an der Thomas-Schule studierte sie ab 2002 in Halle/Saale Kunstgeschichte und Politikwissenschaft. Nach absolviertem Studium trat sie eine Stelle als Projektmanagerin bei der Leipziger Messe an; nach anderthalb Jahren wechselte sie ins Projekt-Team der Gastronomiemesse „Gäste“ (heute: „ISS GUT!“). Seit Herbst 2017 gehört sie zum Buchmesse-Team; aktuell ist sie dort programmseitig fürs Hörbuch und den Comic-Gemeinschaftsstand sowie für die Gemeinschaftsstände des Börsenvereins zuständig und kümmert sich um das Thema Messe-Logistik. Buschmann-Berthold ist verheiratet und hat eine dreijährige Tochter.

Der heiße Draht in die Szene

Der heiße Draht in die Szene

Wie sind Sie mit der Welt von Manga und Anime in Berührung gekommen?

Laura Birnbaum: Das war 2001. Da hat ja RTL II noch Anime gebracht. Ich habe nach der Schule fast alles gesehen. Und dann gab’s natürlich auch schon Zugang zum Internet …

Noch per Modem, wie in der Boris-Becker-Reklame? „Bin ich jetzt schon drin?“

Birnbaum: Nein, ISDN war das dann tatsächlich schon… Heutzutage langsam, damals wahnsinnig schnell. Im Netz habe ich Animexx e. V. gefunden, Deutschlands größten gemeinnützigen Verein für Anime, Manga und die Fans japanischer Kultur.

Man bekommt mit, dass da draußen noch ein paar andere mit dieser Leidenschaft unterwegs sind …

Birnbaum: Genau. Aber das bewegte sich erst mal nur auf einer Ebene von Zeichnen, Austauschen, das kleine Fan-Treffen in der nächsten Stadt.

Wann kam der Entschluss, sich stärker zu engagieren?

Birnbaum: Auf Animexx gab es immer schon die Kategorie „Cosplay“, wo man auch Fotos anschauen konnte – dadurch habe ich zum ersten Mal Cosplay gesehen. Kurz danach war ich auf der Frankfurter Buchmesse und habe das zum ersten Mal live gesehen. Und, klar: Dann wollte ich das auch machen!

Ein aufwändiges Hobby?

Birnbaum: Es kommt drauf an, welche Kostüme man schneidert, und wie oft man neue anfertigt, das kann man schon ziemlich gut skalieren. Ich glaube, mein erstes Kostüm hat 20 Euro gekostet … Nein, Moment: Die Perücke kam auch noch mal 20 Euro! (lacht)

Sie sind in der Szene als Kisa bekannt. Was hat es damit auf sich?

Birnbaum: Kisa ist mein Spitzname, der sich ab zirka 2003 festgesetzt hat – nicht nur in der Szene, sondern auch in meinem privaten Umfeld. Damals habe ich das erste Mal gecosplayed, und der Character hieß Kisaki. Ich bin eine von den gefühlt fünf Millionen Lauras da draußen, allein in meinem Bekanntenkreis gibt es 20. Da ist es einfacher, wenn man einen Spitznamen benutzt.

Sie haben sich dann in der Community stärker engagiert, wie kam es dazu?

Birnbaum: Ich weiß nicht mehr, wann es genau begonnen hat. Im Endeffekt ist es so, dass man viele Leute kannte, die Treffen mitorganisiert haben, etwa in Nürnberg, wo ich ursprünglich herkomme. Und dann habe ich das halt auch getan. Ich helfe auch noch bei der Deutschen Cosplay-Meisterschaft. Anfangs war ich in der Jury und Juryleitung, mittlerweile bin ich meist als Moderatorin oder helfende Hand unterwegs. Wenn man sich für die Community engagieren und etwas zurückgeben möchte, kommt das ganz automatisch mit der Zeit.

Was sind Ihre Aufgaben als Cosplay-Beauftragte in Leipzig? Die Besucherströme von MCC und Buchmesse sind ja durch Röhren miteinander verbunden, das macht die Situation besonders…

Birnbaum: Bei Veranstaltungen mit so fließenden Grenzen ist Vermittlung gefragt – sei es zwischen den „normalen“ Besuchern und Cosplayern, sei es zwischen Cosplayern und Sicherheits-Mitarbeitern. Durch die enge Verbindung von Messe und MCC fallen die Cosplay-Regeln in Leipzig teilweise etwas strenger aus als auf anderen Cons – auch das kann zu Irritationen führen. Und dann kam in der Vergangenheit on top noch das Problem, dass keiner wirklich wusste, an wen man sich wenden soll bei Fragen, Nöten und Problemen. Das heißt, das ganze Feedback, sei es positiv oder negativ, hat sich entweder an einem zufällig in der Nähe stehenden Messe- oder Security-Mitarbeiter entladen, oder später in den Social Media-Kanälen.

Nicht so produktiv …

Birnbaum: Genau. Das haben die MCC-Organisatorinnen natürlich auch realisiert. Dazu haben kleine Problemchen im Netz die unangenehme Eigenschaft, viral zu gehen, sich also ganz schnell ins Riesenhafte zu steigern. Das meiste hätte sich ganz unspektakulär vor Ort lösen lassen, die zuständigen Messe-Mitarbeiter haben es erst mitbekommen, als es schon eine große Gewitterwolke in den sozialen Medien war. Und das wohlgemerkt nach der Veranstaltung, wo man nichts mehr machen kann. Ich habe 2017 nach der Buchmesse auf teilzeithelden.de einen Kommentar gepostet, der sich sowohl gegen Intoleranz und verzopfte Vorurteile gegenüber uns Cosplayern wendete, als auch mit Fehlverhalten innerhalb der Community abrechnete. Manche Reaktionen aus der Szene hatten Vorurteile ja eher noch bestätigt. Fazit: Liebe Leute, kommuniziert bitte anders – und eher!

Der Kommentar war dann schon die halbe Job-Bewerbung?

Birnbaum: Das musste einfach raus. Nach der Buchmesse 2018 ist dann die Idee einer Cosplay-Beauftragten entstanden und da kam ich dann ins Spiel.

Wie verlief die Premiere? Hatten Sie gut zu tun?

Birnbaum: Ich bin ganz normal in diversen Cosplays vor Ort gewesen. Ich wurde vorher online auf den Social Media-Seiten der MCC und der Buchmesse vorgestellt. Im Con Buch der MCC gab es auch einen Eintrag, inklusive der Telefonnummer – man tritt mit mir telefonisch in Kontakt. Es war mir auch persönlich wichtig, nicht die ganze Zeit separat in einem Raum zu sitzen – ich bekomme in der Regel viel mit, wenn ich mich unter den Leuten bewege. Wenn ich stationär irgendwo festsitze, bekomme ich gar nichts mit und kann auch nichts feedbacken …

Was waren denn typische Problemlagen?

Birnbaum: In den letzten Jahren wurden Cosplayer häufiger aus dem für sie natürlich wegen der tollen Fotokulisse besonders attraktiven Congress Center hinauskomplimentiert. Das gab es dieses Jahr überhaupt nicht, weil im Vorfeld sehr gut kommuniziert wurde, dass es da keine „Sperrstunden“ gibt … Der Dauerbrenner: Security-Kontrollen vor der MCC-Halle. Mehrfach ging es da um einbehaltene Gegenstände, nach Meinung der Cosplayer ohne ausreichende Erklärung. Was aber auf einer Fehlkommunikation beruhte, das konnte schnell geklärt werden. Manchmal fühlen sich Cosplayer auch aufgrund ihrer Kostümierung unangemessen von den Sicherheitsleuten behandelt – was die Messeleitung natürlich überhaupt nicht wünscht. Es sollte keine Unterscheidung in „Messebesucher“ und „Cosplayer“ geben. Insgesamt kann ich sagen, dass es dieses Jahr während der Messe sehr wenige Beschwerden gab. Das meiste konnte ich telefonisch klären, ich glaube, ich musste nur zwei Mal vor Ort eine Situation direkt schlichten. Und auch im Nachgang blieb es in den Social-Media-Kanälen eher ruhig. Oft reicht es schon, einem Cosplayer, einer Cosplayerin, die sich unfair behandelt sehen, fünf Minuten zuzuhören, sich, wenn nötig, für eine dumm gelaufene Situation zu entschuldigen. Das hilft allen Beteiligten enorm fürs innere Gleichgewicht. Die allermeisten haben sich anschließend sehr nett bei mir bedankt.

Fotos: Fabian Gocht (Laura Birnbaum), Tom Schulze, Ulrich Koch

Cosplayer willkommen: Die Manga-Comic-Con (MCC), die im Rahmen der Leipziger Buchmesse stattfindet, ist der erste Treffpunkt im Jahr für alle Liebhaber von Comics, Manga, Cosplay, Anime sowie Japan & Games. Halle 1 ist dabei Manga, Comics, Games und Cosplay gewidmet, in Halle 2 sind die Phantastik-Leseinseln Besucher-Magneten. Buchkunst und Grafik sind in Halle 3 zu finden, Graphic Novels sowie Independent-Verlage in Halle 5. Die MCC zieht jedes Jahr über 100.000 Besucher an.