Wie sind Sie mit der Welt von Manga und Anime in Berührung gekommen?
Laura Birnbaum: Das war 2001. Da hat ja RTL II noch Anime gebracht. Ich habe nach der Schule fast alles gesehen. Und dann gab’s natürlich auch schon Zugang zum Internet …
Noch per Modem, wie in der Boris-Becker-Reklame? „Bin ich jetzt schon drin?“
Birnbaum: Nein, ISDN war das dann tatsächlich schon… Heutzutage langsam, damals wahnsinnig schnell. Im Netz habe ich Animexx e. V. gefunden, Deutschlands größten gemeinnützigen Verein für Anime, Manga und die Fans japanischer Kultur.
Man bekommt mit, dass da draußen noch ein paar andere mit dieser Leidenschaft unterwegs sind …
Birnbaum: Genau. Aber das bewegte sich erst mal nur auf einer Ebene von Zeichnen, Austauschen, das kleine Fan-Treffen in der nächsten Stadt.
Wann kam der Entschluss, sich stärker zu engagieren?
Birnbaum: Auf Animexx gab es immer schon die Kategorie „Cosplay“, wo man auch Fotos anschauen konnte – dadurch habe ich zum ersten Mal Cosplay gesehen. Kurz danach war ich auf der Frankfurter Buchmesse und habe das zum ersten Mal live gesehen. Und, klar: Dann wollte ich das auch machen!
Ein aufwändiges Hobby?
Birnbaum: Es kommt drauf an, welche Kostüme man schneidert, und wie oft man neue anfertigt, das kann man schon ziemlich gut skalieren. Ich glaube, mein erstes Kostüm hat 20 Euro gekostet … Nein, Moment: Die Perücke kam auch noch mal 20 Euro! (lacht)
Sie sind in der Szene als Kisa bekannt. Was hat es damit auf sich?
Birnbaum: Kisa ist mein Spitzname, der sich ab zirka 2003 festgesetzt hat – nicht nur in der Szene, sondern auch in meinem privaten Umfeld. Damals habe ich das erste Mal gecosplayed, und der Character hieß Kisaki. Ich bin eine von den gefühlt fünf Millionen Lauras da draußen, allein in meinem Bekanntenkreis gibt es 20. Da ist es einfacher, wenn man einen Spitznamen benutzt.
Sie haben sich dann in der Community stärker engagiert, wie kam es dazu?
Birnbaum: Ich weiß nicht mehr, wann es genau begonnen hat. Im Endeffekt ist es so, dass man viele Leute kannte, die Treffen mitorganisiert haben, etwa in Nürnberg, wo ich ursprünglich herkomme. Und dann habe ich das halt auch getan. Ich helfe auch noch bei der Deutschen Cosplay-Meisterschaft. Anfangs war ich in der Jury und Juryleitung, mittlerweile bin ich meist als Moderatorin oder helfende Hand unterwegs. Wenn man sich für die Community engagieren und etwas zurückgeben möchte, kommt das ganz automatisch mit der Zeit.
Was sind Ihre Aufgaben als Cosplay-Beauftragte in Leipzig? Die Besucherströme von MCC und Buchmesse sind ja durch Röhren miteinander verbunden, das macht die Situation besonders…
Birnbaum: Bei Veranstaltungen mit so fließenden Grenzen ist Vermittlung gefragt – sei es zwischen den „normalen“ Besuchern und Cosplayern, sei es zwischen Cosplayern und Sicherheits-Mitarbeitern. Durch die enge Verbindung von Messe und MCC fallen die Cosplay-Regeln in Leipzig teilweise etwas strenger aus als auf anderen Cons – auch das kann zu Irritationen führen. Und dann kam in der Vergangenheit on top noch das Problem, dass keiner wirklich wusste, an wen man sich wenden soll bei Fragen, Nöten und Problemen. Das heißt, das ganze Feedback, sei es positiv oder negativ, hat sich entweder an einem zufällig in der Nähe stehenden Messe- oder Security-Mitarbeiter entladen, oder später in den Social Media-Kanälen.
Nicht so produktiv …
Birnbaum: Genau. Das haben die MCC-Organisatorinnen natürlich auch realisiert. Dazu haben kleine Problemchen im Netz die unangenehme Eigenschaft, viral zu gehen, sich also ganz schnell ins Riesenhafte zu steigern. Das meiste hätte sich ganz unspektakulär vor Ort lösen lassen, die zuständigen Messe-Mitarbeiter haben es erst mitbekommen, als es schon eine große Gewitterwolke in den sozialen Medien war. Und das wohlgemerkt nach der Veranstaltung, wo man nichts mehr machen kann. Ich habe 2017 nach der Buchmesse auf teilzeithelden.de einen Kommentar gepostet, der sich sowohl gegen Intoleranz und verzopfte Vorurteile gegenüber uns Cosplayern wendete, als auch mit Fehlverhalten innerhalb der Community abrechnete. Manche Reaktionen aus der Szene hatten Vorurteile ja eher noch bestätigt. Fazit: Liebe Leute, kommuniziert bitte anders – und eher!
Der Kommentar war dann schon die halbe Job-Bewerbung?
Birnbaum: Das musste einfach raus. Nach der Buchmesse 2018 ist dann die Idee einer Cosplay-Beauftragten entstanden und da kam ich dann ins Spiel.
Wie verlief die Premiere? Hatten Sie gut zu tun?
Birnbaum: Ich bin ganz normal in diversen Cosplays vor Ort gewesen. Ich wurde vorher online auf den Social Media-Seiten der MCC und der Buchmesse vorgestellt. Im Con Buch der MCC gab es auch einen Eintrag, inklusive der Telefonnummer – man tritt mit mir telefonisch in Kontakt. Es war mir auch persönlich wichtig, nicht die ganze Zeit separat in einem Raum zu sitzen – ich bekomme in der Regel viel mit, wenn ich mich unter den Leuten bewege. Wenn ich stationär irgendwo festsitze, bekomme ich gar nichts mit und kann auch nichts feedbacken …
Was waren denn typische Problemlagen?
Birnbaum: In den letzten Jahren wurden Cosplayer häufiger aus dem für sie natürlich wegen der tollen Fotokulisse besonders attraktiven Congress Center hinauskomplimentiert. Das gab es dieses Jahr überhaupt nicht, weil im Vorfeld sehr gut kommuniziert wurde, dass es da keine „Sperrstunden“ gibt … Der Dauerbrenner: Security-Kontrollen vor der MCC-Halle. Mehrfach ging es da um einbehaltene Gegenstände, nach Meinung der Cosplayer ohne ausreichende Erklärung. Was aber auf einer Fehlkommunikation beruhte, das konnte schnell geklärt werden. Manchmal fühlen sich Cosplayer auch aufgrund ihrer Kostümierung unangemessen von den Sicherheitsleuten behandelt – was die Messeleitung natürlich überhaupt nicht wünscht. Es sollte keine Unterscheidung in „Messebesucher“ und „Cosplayer“ geben. Insgesamt kann ich sagen, dass es dieses Jahr während der Messe sehr wenige Beschwerden gab. Das meiste konnte ich telefonisch klären, ich glaube, ich musste nur zwei Mal vor Ort eine Situation direkt schlichten. Und auch im Nachgang blieb es in den Social-Media-Kanälen eher ruhig. Oft reicht es schon, einem Cosplayer, einer Cosplayerin, die sich unfair behandelt sehen, fünf Minuten zuzuhören, sich, wenn nötig, für eine dumm gelaufene Situation zu entschuldigen. Das hilft allen Beteiligten enorm fürs innere Gleichgewicht. Die allermeisten haben sich anschließend sehr nett bei mir bedankt.
Fotos: Fabian Gocht (Laura Birnbaum), Tom Schulze, Ulrich Koch
Cosplayer willkommen: Die Manga-Comic-Con (MCC), die im Rahmen der Leipziger Buchmesse stattfindet, ist der erste Treffpunkt im Jahr für alle Liebhaber von Comics, Manga, Cosplay, Anime sowie Japan & Games. Halle 1 ist dabei Manga, Comics, Games und Cosplay gewidmet, in Halle 2 sind die Phantastik-Leseinseln Besucher-Magneten. Buchkunst und Grafik sind in Halle 3 zu finden, Graphic Novels sowie Independent-Verlage in Halle 5. Die MCC zieht jedes Jahr über 100.000 Besucher an.