Manchmal, weiß Sassette Scheinhuber, ist es einfach gut, zur richtigen Zeit am richtigen Ort zu sein. Als die Leipziger Buchmesse für die 2014 aus der Taufe gehobene Manga-Comic-Con (MCC) Verstärkung sucht, jobbt die angehende Veranstaltungskauffrau gerade als Aushilfe in der Vorab-Akkreditierung der Messe – und kauft sich in einer Arbeitspause ein paar druckfrische Mangas. Die wache Personalerin der Messegesellschaft bekommt das mit und spricht Scheinhuber an. Der Rest ist Formsache: Die junge Frau im zweiten Lehrjahr organisiert Workshops, Vorträge, Bühnenprogramme und kümmert sich um den Künstler-Bereich MCC Kreativ – quasi aus dem Stand. „Ich hatte noch nie so viel Verantwortung in einem Team bekommen.“
Von AC/DC zu Metal-Core
Aufgewachsen ist Scheinhuber in Sermuth bei Grimma, einem 600-Seelen-Örtchen, an dem sich die Freiberger und die Zwickauer Mulde vereinigen. Ihren Mittelschul-Abschluss macht sie in Colditz. Das Lernen fällt ihr leicht, sie liest viel und gern, hat einen anderen Musikgeschmack als der Mainstream. Eine Freundin bringt sie auf die Manga-Spur; Freitagnachmittag schauen die Mädchen zusammen Animes auf RTL II, auf der Buchmesse wird gecosplayed. „Im Bus nach Leipzig wurde man schon manchmal schräg angeguckt“, erinnert sich Scheinhuber lachend. „Aber ich hab’ mein Ding gemacht.“ Bei den Eltern entdeckte sie AC/DC und Kiss; heute besucht sie Metal-Core-Konzerte im Conne Island oder im Täubchenthal. Seit zwei Jahren gibt es sogar ein großes Festival auf dem Leipziger Messe-Gelände, das „Impericon-Festival“ in Halle 1. „Live-Veranstaltungen sind ungeheuer intensiv, einfach toll.“
BWL und Versammlungsstättenverordnung
Rückblick: Nach einem 14tägigen Schülerpraktikum bei der Messe „Modell Hobby Spiel“ bewirbt sich Sassette Scheinhuber für die Ausbildung zur Veranstaltungskauffrau bei der Leipziger Messe. Drei Jahre lang durchläuft sie diverse Abteilungen des Hauses; alle zwei Wochen besucht sie die Berufsschule in Riesa. Sie lernt die Grundlagen des Berufs vom BWL-Einmaleins bis zur Bilanzierung. Und nebenbei ganz praktische Dinge: Etwa, was alles in der typisch deutsch durchgeregelten „Versammlungsstättenverordnung“ drinsteht. Als Ausbildungsbetrieb ist die Messe in der Branche sehr geschätzt, Scheinhuber stehen nach der Ausbildung viele Türen offen. Soll sie im Messegeschäft bleiben, sich in einer Konzert- oder Eventagentur versuchen, im Sport- und Vereinswesen? „Überall, wo es Veranstaltungen gibt, wird jemand gesucht, der Ahnung davon hat“, sagt sie selbstbewusst.
Nahtloser Übergang
Als im Sommer 2014 eine Projektassistenz für die MCC ausgeschrieben wird, ist Scheinhuber noch mitten in der Ausbildung – und etwas verunsichert: Macht es Sinn, sich zu bewerben? „Mehr als Absagen können wir Ihnen nicht“, heißt es in der Personalabteilung. Und: Nur Mut! Das Vorstellungsgespräch läuft blendend. Wenn der zweite Einsatz bei der MCC gut laufe und sie die Ausbildung bestehe, heißt es da, werde man sie gern übernehmen. Und so geschieht es: Als Sassette Scheinhuber im November 2014 erneut zum MCC-Team stößt, wird sie schon in ihren künftigen Job eingearbeitet. Am 1. Juli 2015 besteht sie die letzte mündliche Prüfung. Am 2. Juli beginnt ihre Arbeit als Projektassistentin bei der MCC. „Besser“, sagt sie, „hätte es nicht laufen können.“ Längst haben sich auch ihre Eltern im Muldental mit der nicht ganz alltäglichen Arbeit ihrer Tochter angefreundet. „Wenn es nach meinem Vater gegangen wäre“, lacht sie, „dann wäre ich jetzt entweder verbeamtet oder bei der Wasserwirtschaft.“ Inzwischen freuen sie sich mit ihrer Tochter über den MCC-Job – und kommen natürlich jeden März zur Buchmesse.
An einem Strang
Unter Federfühung der beiden Projektmanagerinnen Michiko Wemmje und Lea Peterknecht kümmert sich Sassette Scheinhuber bei den rund 350 Ausstellern der MCC ums Administrative. Und immer noch um MCC Kreativ. Das Dreier-Team sitzt auch im Großraumbüro nahe beieinander, man spricht viel und intensiv; Kommunikation wird im Messegeschäft großgeschrieben. „Wenn ein Aussteller mit einer Projektidee kommt, kann ich Input aus der Szene heraus geben, in die ich aus meiner Cosplayer-Zeit immer noch gute Kontakte habe. Oder wenn wir merken: K-Pop wird groß – dann organisieren wir halt eine K-Dance Area, in der die Choreos der Bands in so genannten Flashmobs nachgetanzt werden.“
Noch einmal die Schulbank drücken
Die eigenen Interessen zum Beruf machen – was könnte es Besseres geben? Es läuft gut für Sassette Scheinhuber, sie ist sehr zufrieden mit ihrem Job. Dennoch – oder vielleicht gerade darum – hat sie im letzten Sommer ein berufsbegleitendes Bachelor-Fernstudium an der IUBH Bad Honnef aufgenommen. Es ist auf weitere vier Jahre und als reines Online-Studium angelegt. Jetzt, im Sommer, geht es, aber in der heißen Buchmesse-Vorbereitungszeit schlaucht es schon. „Sich nach zehn Stunden auf der Arbeit abends noch mal aufraffen – das ist hart.“ Aber immer wieder gibt es auch Erfolgserlebnisse. So wie im Dezember, als Scheinhuber eine Mathe-Klausur mit 1,3 bestanden hat. Job, Studium und Freund unter einen Hut bekommen, dazu noch das ein oder andere Live-Konzert – das alles ist nicht immer einfach. Sassette Scheinhuber geht ihren Weg einfach weiter, Schritt für Schritt. „Mal sehen, was in vier Jahren kommt.“
Sassette Scheinhuber ist in Sermuth bei Grimma aufgewachsen, in Colditz zur Schule gegangen und wohnt inzwischen in Leipzig. Bei der Leipziger Messe GmbH absolvierte sie von 2013 bis 2015 eine Ausbildung zur Veranstaltungskauffrau – und wurde im Juli 2015 vom Fleck weg als Projektassistentin für die MCC engagiert. Derzeit absolviert sie ein berufsbegleitendes Bachelor-Studium an der IUBH Bad Honnef.