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Haken dran!
13. Januar 2025
Als Office-Managerin bei der Leipziger Buchmesse kümmert sich Sophie Schwarz nicht nur um den Terminkalender von Buchmesse-Direktorin Astrid Böhmisch
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Haken dran!
13. Januar 2025
Als Office-Managerin bei der Leipziger Buchmesse kümmert sich Sophie Schwarz nicht nur um den Terminkalender von Buchmesse-Direktorin Astrid Böhmisch

„Am Schkeuditzer Kreuz ist immer was los. Aber das Kamener Kreuz ähnelt meist einem großen Parkplatz.“ Wenn man Sophie Schwarz nachts wecken würde, könnte sie wohl noch heute die Autobahnkreuze des Ruhrschnellwegs hersagen, jener berüchtigten A 40 zwischen Essen und Duisburg, die wegen notorischer Staus im Volksmund auch „Ruhrschleichweg“ genannt wird. Schwarz hat nämlich nicht nur einen Master in Chemie – sie hat praktisch während ihres ganzen Studiums beim privaten Radio gearbeitet: Mit einem Vertrag als Werkstudentin. Einer ihrer Arbeitgeber, die Regiocast (Radio PSR, RSA und Energy Sachsen) , hat lange Zeit auch als Dienstleister für den Deutschlandfunk Wetter- und Verkehrsmeldungen produziert.   

Obwohl Sophie Schwarz Medien aller Art schon immer spannend fand, landete sie, was ihr Studium anging, schließlich bei ihrer zweiten Liebe – der Chemie. „Analytische Prozesse liegen mir“, sagt sie, entwaffnend selbstbewusst. Und da sie der einschlägige Medienstudiengang in Leipzig nicht recht überzeugte, begann sie nach einem kurzen Flirt mit der Betriebswirtschaft ein Chemie-Studium an der Universität Leipzig. Während sie für ihre Abschlussarbeit poröse Membranen auf Filtereigenschaften untersucht und sich nebenbei in der Fachschaft engagiert hat, war der Brotjob im Funk immer wichtig: „Ich habe den Hörerservice betreut, das Team für die Gewinnspiele gebrieft, Verkehrsmeldungen geschrieben, Telefondienste geschoben – alles, was im schnellen, nur als Mannschaftssport denkbaren Radioalltag so anfällt.“

Sophie Schwarz hätte an der Uni bleiben und in ihrem Fach promovieren können – doch das zähe try-and-error langwieriger, nicht selten jahrelanger Versuchsreihen, verbunden mit den Unsicherheiten im Wissenschaftsbetrieb hat sie dann doch etwas abgeschreckt. „Mir liegt eher das Erfolgserlebnis auf der kürzeren Strecke.“ Schwarz bewarb sich nach dem Abschluss im letzten Sommer breit – ein Job im Umweltmanagement oder einer kommunalen Verwaltung schien ihr reizvoll. Doch dann kam es anders. „Als ein Freund mir steckte, dass die Leipziger Buchmesse eine Office-Managerin suchte, wurde ich hellhörig. Ich habe die Stellenbeschreibung gelesen und fand das spannend. Schließlich habe ich ja schon beim Radio sehr viel organisiert.“

In diesem Moment erinnerte sich Sophie Schwarz auch daran, dass sie auf der Suche nach einem Praktikumsplatz für ihr Wirtschaftsstudium schon einmal bei der Leipziger Messe den Hut in den Ring geworfen hatte. „Damals habe ich mich auch beim Radio beworben. Und die waren schneller.“ Nun denkt sie immer ernsthafter über die Stellenanzeige der Buchmesse nach. „Wer nicht wagt, gewinnt nicht. Dann wurde ich eingeladen – und dann hatte ich den Job.“ An ihren ersten Arbeitstag, ein Montag im letzten Juni war das, kann sie sich noch gut erinnern. „Was den Dienstbeginn angeht, war 8.30 Uhr erst mal eine komplette Umstellung im Vergleich zum Radio – dort geht’s in der Regel um 6 Uhr los.“ Es folgten die Vorstellungsrunde mit den Kolleginnen und Kollegen, IT-Einweisung und Datenschutzschulung. „Seitdem lerne ich trotzdem noch an jedem Tag etwas Neues dazu.“ 

Wenn Sophie Schwarz über den Reiz des Organisierens spricht, über das Vergnügen, scheinbar mühelos ein diffuses Gewusel in glasklare Strukturen zu verwandeln, muss ich an den Schweizer Ursus Wehrli denken, dem mit „Kunst aufräumen“ (Kein & Aber 2002) ein veritabler Bestseller glückte: Mit größter Akribie zerlegt er darin berühmte Gemälde – und sortiert die Schnipsel nach neuen Kriterien. Ob Kandinsky oder Klee, Haring oder Picasso, Wehrli lässt keinen aus. Das Ergebnis lässt sich auf mehr als einem Dutzend Doppelseiten bestaunen: Links etwa ist ein Miró im Original abgedruckt, rechts hat ihn Wehrli, nach Farben und Formen sortiert, kunstvoll neu zusammengestapelt. Muss man sich das Talent von Sophie Schwarz so vorstellen?

Was reizt sie tatsächlich am Organisieren? Sie denkt kurz nach, lächelt, und sagt: „Ein großes unbekanntes Problem in kleine Probleme aufteilen – und dann Stück für Stück abarbeiten. Und dann am Ende des Tages Haken setzen: Das finde ich cool.“ Dabei ist Schwarz’ Arbeitsalltag alles andere als monoton, sie bewegt sich in ganz vielfältigen Bereichen – egal, ob sie sich mit Team-Orga beschäftigt oder die Reisen und Termine von Buchmesse-Direktorin Astrid Böhmisch vorbereitet. Während sie im Job die zu lösenden Aufgaben auf einem digitalen Kanban-Board, einem agilen Projektmanagement-Tool, vorwärtsbewegt, bevorzugt sie privat Papier-Planer. Die Spannung steigt in diesen Tagen und Wochen: Obwohl sie als Besucherin schon ungezählte Male dabei war, wird Sophie Schwarz im März ihre ganz persönliche Buchmesse-Premiere erleben. Sie wirkt so, als könne ihr das nicht wirklich den Schlaf rauben: „Grundsätzlich komme ich ja aus einem recht schnellen Umfeld“, lacht sie. „Radio ist flott.“

Vor elf Jahren ist Schwarz, die in der Skatstadt Altenburg aufgewachsen ist, nach Leipzig gezogen. Eine gute Entscheidung für jemanden, der das Lesen „in jeder Form und Farbe“ liebt: „Physische Bücher, e-Books oder Hörbücher, mir ist alles recht.“. Zur Buchmesse, wenn sich die Stadt in eine große Lesebühne verwandelt, nimmt sie gern Tuchfühlung mit ihren Lieblingsverlagen auf. Romance und Fantasy stehen im Zentrum der Aufmerksamkeit. Die Romane von Sarah J. Maas (1986 in New York City geboren) hat Schwarz komplett gelesen: „Sie hat ein großartiges Universum erschaffen.“ Auch von der „Flammengeküsst“-Reihe von Rebecca Yarros (*1981) lässt sich die Office-Managerin nach Dienstschluss ins Reich der Phantasie entführen. Während Sie diese Zeilen hier lesen, könnte es gut sein, dass Sophie Schwarz sich über „Onyx Storm“, die eben erscheinende, farbschnittige Fortsetzung von „Fourth Wing“ und „Iron Flame“, beugt. Ihr Kanban-Board hat sie dennoch fest im Blick: Check. Check. Und: Check.

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Nach der Messe ist vor der Messe. Jahr für Jahr gilt es, tausende Aussteller, hunderte Veranstaltungspartner, Autoren, Verleger, Buchhändler, Bibliothekare mit intelligent gebauten Programmen nach Leipzig zu bringen. In loser Folge stellen wir Ihnen an dieser Stelle vor, wer hinter den Kulissen in Leipzig die Fäden zieht, was uns um- und antreibt.

 

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