2019 wird Tschechien Schwerpunktland der Leipziger Buchmesse, Mitte Juli unterzeichneten der tschechische Kulturminister Daniel Herman und Buchmesse-Direktor Oliver Zille in Prag eine entsprechende Vereinbarung. Als Autoren und Verlage aus Tschechien 1995 erstmals im Leipziger Rampenlicht standen, war Mariella Bremer noch im Kita-Alter – die jetzt zum glücklichen Abschluss gekommenen Schwerpunktland-Verhandlungen hat sie selbst aktiv begleitet. Als Projektmanagerin im internationalen Bereich der Leipziger Buchmesse hält die 25-jährige engen Kontakt mit Kulturministerien und Verlegerverbänden, Programm-Kuratoren und Projektpartnern, bereitet Journalisten- und Verlegerreisen vor – die Timeline fest im Blick. Ein Job, der in Leipzig Tradition hat: Mit ihrem Schwerpunktland-Konzept fördern die Leipziger vor allem die Vernetzung von Büchermachern aus Mittel-, Ost- und Südosteuropa mit ihren deutschsprachigen Kollegen: 2017 wird sich Litauen in Leipzig präsentieren, im Jahr darauf ist Rumänien Schwerpunktland der Frühjahrs-Bücherschau. Kein Wunder, dass Mariella Bremer in diesen Monaten zwischen Vilnius, Bukarest und anderen osteuropäischen Städten viel auf Achse ist: „Die Hallen füllen sich nicht von allein. Das gilt für Aussteller und Besucher.“
Ihren persönlichen Link zur Messe-Welt fand Bremer, die, kein Witz, in Bremen aufgewachsen ist und im Alter von 16 Jahren mit ihrer Familie nach Leipzig kam, auf einer Berufsbörse im Neuen Rathaus. Ein Zufall mit Folgen: 2009 nahm sie in Ravensburg ein duales BWL-Studium mit Schwerpunkt auf Messe-, Kongress- und Eventmanagement auf – jeweils drei Monate Theorie am Bodensee im Wechsel mit drei Monaten in unterschiedlichen Abteilungen des Praxispartners Leipziger Messe. Die Feuertaufe kam 2012: Frisch von der Uni, die Bachelor-Arbeit war eben abgegeben, übernahm sie für die Buchmesse die Organisation des im Frühjahr 2013 stattfindenden Bibliothekskongresses.
Nach einem halben Jahr stieg Bremer dann als Projektmanagerin fest bei der Leipziger Buchmesse ein. Eine Riesen-Herausforderung für die damals 21-jährige. Aber eben auch eine tolle Chance. „Als ich kam, wusste ich, dass mir mit diesem Team eigentlich nichts passieren kann. Wir arbeiten sehr gut und verlässlich zusammen; wenn es um einen Rat oder einfach nur eine zweite Meinung geht, sind alle sehr, sehr offen. Dieses Klima habe ich von Anfang an als sehr angenehm empfunden.“ Wie alle Mitarbeiterinnen im Team verantwortet Bremer neben ihrer übergreifenden Funktion auch spezielle Themengebiete – in ihrem Fall die Messe-Segmente Kunst und Musik sowie die Antiquariatsmesse. Stand- und Spielbein, eine gute Schule fürs „übergreifende Arbeiten“, wie Bremer findet. Der Kopf ist rund, damit das Denken die Richtung wechseln kann, so nannte der französische Schriftsteller Francis Picabia das. Das Mariella Bremer nur noch selten zum Gitarrespielen kommt, steht auf einem anderen Blatt.
Bremers Traumjob kennt auch die Alltagsseite stupender Management-Kärrnerarbeit, to-do-Listen wollen abgehakt werden, Stress und Druck sind keine Fremdwörter. Doch immer wieder gibt es Sternstunden: Als die junge Frau 2015 in Vorbereitung des Messe-Schwerpunkts zu 50 Jahren deutsch-israelischer Beziehungen eine Journalistenreise nach Israel begleitet, trifft sie das Land ins Herz. Für die großen Namen der israelischen Gegenwartsliteratur hat sie sich schon länger interessiert, Amos Oz, David Grossmann oder Zeruya Shalev. Doch auf einmal mit jungen israelischen Autoren in einer Bar in Ost-Jerusalem ganz unverkrampft über Gott und die Welt, den Krieg, das Leben und die Liebe zu reden, ist etwas Anderes. „Ich möchte unbedingt wieder hin, möglichst bald.“
Zunächst muss Mariella Bremer noch ihre Masterarbeit fertig schreiben; an der Westsächsischen Hochschule Zwickau absolviert sie berufsbegleitend ein MBA-Studium. „Eigentlich wollte ich irgendwann ein ‚normales’ Master-Studium draufsatteln“, lacht sie. „Aber der Job lässt mich jetzt nicht mehr los“. Es kann kein Zufall sein, dass sich ihre Master-Arbeit mit der Innovationsfähigkeit von Messegesellschaften beschäftigt. „Ohne ausgeprägte Innovationskultur können Unternehmen heute nicht bestehen“, sagt sie, „egal, ob in der Buch- oder Messebranche.“ Im eigenen Arbeitsumfeld genießt Bremer die Freiheit, mit neuen Ideen auf offene Ohren zu treffen. „Und dann kann ich loslaufen.“ Initiativen wie der Book-Pitch für internationale Autoren oder der Musiklehrertag sind zweifellos ein Gewinn für die Buchmesse.
Dass Bremer, neben Fleiß, Talent und dem nötigen Quäntchen Mut auch ideale Rahmenbedingungen für ihren Blitzstart in den Beruf hatte, wurde ihr zuletzt während eines USA-Aufenthalts bewusst: Mit fünf Zwickauer Kommilitonen absolvierte sie nach der Messe im März ein einmonatiges Partnerprogramm an der Kettering University in Flint/Michigan. Der Druck, mit dem ihre Altersgenossen in den Staaten von der Schule zur Uni und in den Job hetzen, um ihre immensen Studienschulden abzustottern, hat sie nachdenklich gemacht – und ihren Blick auf die Heimat verändert. Von ihrer Wohnung in Schleußig zur Neuen Messe sprintet Mariella Bremer mit ihrem Rennrad in 35 Minuten. Bei der Buchmesse werden künftig ihre Langstrecken-Qualitäten gefragt sein.
Mariella Bremer, Jahrgang 1991, ist in Bremen aufgewachsen und Mitte der Nullerjahre mit ihrer Familie nach Leipzig gekommen. Nach dem Abitur am Evangelischen Schulzentrum absolvierte sie ein duales BWL-Studium mit Schwerpunkt Messe-, Kongress- und Event-Management in Ravensburg und Leipzig. Seit 2013 arbeitet sie als Projektmanagerin Internationaler Bereich, Musik, Buchkunst & Grafik im Buchmesse-Team.