Autor: Nils Kahlefendt

Das ARD-Forum schlug seine Zelte in der Alten Börse am Naschmarkt auf – im Herzen Leipzigs. ©MDR

Literatur auf allen Kanälen
3. August 2021
Leipzig liest Nachschlag, Teil 5: Die öffentlich-rechtlichen Sendeanstalten präsentierten ein wahres Literaturfeuerwerk
Autor: Nils Kahlefendt

Das ARD-Forum schlug seine Zelte in der Alten Börse am Naschmarkt auf – im Herzen Leipzigs. ©MDR

Literatur auf allen Kanälen
3. August 2021
Leipzig liest Nachschlag, Teil 5: Die öffentlich-rechtlichen Sendeanstalten präsentierten ein wahres Literaturfeuerwerk

Bereits nach der pandemiebedingten Absage der Leipziger Buchmesse im März 2020 hatte MDR Kultur innerhalb einer Woche sein komplettes Live-Bühnenprogramm in ein digitales Studioprogramm umgeplant. „Über zehn Stunden nonstop Livestream-Bewegtbild aus einem Radiostudio“, sagt MDR Kultur-Literaturchefin Katrin Schumacher, „das war eine absolute Premiere“. In diesem Jahr legte die ARD noch eins drauf: Vom 27. bis 30. Mai veranstaltete sie, unter Federführung des MDR, ein umfangreiches Liveprogramm mit Lesungen und spannenden Gesprächsrunden – alles in allem über 30 Stunden Literatur mit mehr als 50 Autorinnen und Autoren. „Was wir gestemmt haben, war, wenn man so will, eine große digitale Publikumsveranstaltung“, so Schumacher. „Wir haben live in die ARD-Mediathek gestreamt und alle Gespräche für die ARD Audiothek produziert – in der Alten Handelsbörse am Naschmarkt, im Herzen Leipzigs.“ Alle ARD-Anstalten waren dabei – mit Inhalten und den Moderatoren-Teams ihrer Literatursendungen. Ein besonderes Highlight war die dreistündige „ARD Radio Kulturnacht – Unter Büchern“, die live aus der Alten Handelsbörse gesendet wurde. Gäste waren Helga Schubert, Judith Hermann, Michel Decar, Simone Buchholz, Dana Grigorcea, Robert Habeck, Monika Helfer und Joseph Vogl.

Das ARD-Programm war jung und divers – hier stellt Elisa Diallo ihr buch „Französisch verlernen – Mein Weg nach Deutschland“ (Berenberg) vor. ©MDR

Ergänzend zum Live-Programm gab es einen Literaturschwerpunkt im Fernsehen, der nach dem Motto „Digital first“ gestrickt war, eine Herangehensweise, die in letzter Zeit häufiger anzutreffen ist. Der MDR hat im Umfeld von „Leipzig liest extra“ drei aufwändig produzierte, je 30 Minuten lange Literatur-Dokus ausgestrahlt, die aber von vornherein so angelegt sind, dass sie in der ARD-Mediathek bella figura machen: Für die Filme „Können Bücher Heimat sein?“, „Können Bücher einen Mord begehen?“ und „Können Bücher die Welt retten?“ versichern sich die Macher des Wissens derer, die sich professionell mit der Erfindung von Welten beschäftigen: Autorinnen und Autoren wie Shida Bazyar, Mithu Sanyal, Lena Gorelik, Simone Buchholz, Zoe Beck oder Clemens Meyer.

Die Literaturnacht von MDR Thüringen war ebenfalls im Programm. ©MDR

„Es war uns eine Herzensangelegenheit, Leipzig liest extra mit unserem umfangreichen Programm im ARD-Forum zu unterstützen, damit unsere Verbundenheit zur Buchmesse zu zeigen – und natürlich den Autorinnen und Autoren zumindest eine digitale Bühne zu bieten“, so MDR-Programmdirektorin Jana Brandt. „Diese Partnerschaften sind für uns Teil unseres gesellschaftlichen Gesamtauftrages. Wir haben uns sehr gefreut, dass uns die gesamte ARD-Familie mit ihren Kulturjournalisten und -journalistinnen unterstützt hat, um hier ein opulentes Gemeinschaftsprogramm auf die Beine zu stellen.“ Wer zu spät gekommen ist, wird hier nicht vom Leben bestraft: Das Angebot bleibt noch für ein Jahr in der Mediathek und in der Audiothek der ARD erhalten.

Sophie Passmann war eine von mehr als 50 Autorinnen und Autoren, die ihre neuen Bücher auf dem Blauen Sofa vorstellten. ©Jens Schlüter

Deutschlands berühmtestes literarisches Sitzmöbel, das Blaue Sofa, verließ in diesem Jahr seinen angestammten Platz in der Glashalle und zog in die Kongresshalle am Zoo. Die Veranstaltungen des bewährten Gemeinschaftsprojekts von Bertelsmann, ZDF, Deutschlandfunk Kultur und 3sat wurden live gestreamt und sind in den Mediatheken von ZDF und 3sat abrufbar. 54 Autorinnen und Autoren waren heuer zu Gast; wegen einer pandemiebedingten „Hygienepause“ zwischen den Gesprächen dauerten diese 20 statt der üblichen 30 Minuten – eine Konzentration, die dem Format sehr gut bekam. Auf der Website des Blauen Sofas lässt sich das meiste nachschauen – neben Informationen zu Autor und Titel sind die Gespräche in der ZDF-Mediathek direkt ansteuerbar. Die ZDF-Kultursendung “aspekte” berichtete mit einer Literatur-Schwerpunktsendung aus Leipzig, die 3sat-“Kulturzeit” befasste sich in bewährter Weise mit Neuerscheinungen und aktuellen Entwicklungen am Buchmarkt. Ebenfalls noch zu sehen: Eine literarische Reportage aus Portugal, dem Gastland der Leipziger Buchmesse 2022.

Das alles war deutlich mehr als business as usual, hier wurde unüberhörbar für die aktuellen Programme, das Lesen (und Bücherkaufen!) getrommelt. „Obwohl Vorbereitungen und Kommunikation durch immer neue Corona-Verordnungen komplexer und umfangreicher wurden, sind wir sehr stolz auf das, was wir in vier Tagen geschafft haben“, so Christiane Munsberg von Bertelsmann. „Die Begegnungen und Gespräche haben uns viel Spaß gemacht. jetzt fehlt am Blauen Sofa nur noch das Publikum, das wir im März 2022 hoffentlich wieder auf dem Messegelände begrüßen können.“ Dass in Zeiten wie diesen Flexibilität großgeschrieben wird, hat Munsberg selbst unter Beweis gestellt: Für den kurzfristig erkrankten Michael Kramers moderierte die Kulturmanagerin den Krimi-Club im Landgericht mit Eva Almstädt, Angelique Mundt, Claudia Rikl und Thomas Ziebula. „Während der Krimi-Club sonst regelmäßig ausverkauft ist, konnten wie diesmal über unseren Facebook-Kanal ein breiteres Publikum erreichen.“ Christiane Munsberg kann sich vorstellen, solche Hybrid-Angebote auch künftig vorzuhalten. Die Premiere ist jedenfalls gelungen.

Beitrag teilen


Vier Tage brachte die Sonderausgabe von Europas größtem Lesefest Leipzig liest Ende Mai die Freude an Literatur, persönlichen Begegnungen und intensiven Debatten zurück in die Messestadt und per Livestream zu den deutschsprachigen Lesefans im Netz – Zeichen der Hoffnung auf eine Rückkehr zum intensiven persönlichen Austausch auf der Leipziger Buchmesse vom 17. bis 20. März 2022. Einen Vorgeschmack darauf gaben rund 100 Live-Veranstaltungen mit Publikum, die nach langer Zeit damit erstmals den direkten Austausch ermöglichten. In unserer kleinen Serie blicken wir auf die spannendsten und bewegendsten Momente zurück.

Weitere Beiträge, die Sie interessieren könnten

International Slider

Wahres Wunder Freundschaft

Buchmesse-Nachschlag, Teil 1: Die Buchmesse eröffnete mit Bundeskanzler Olaf Scholz und der Verleihung des Leipziger Buchpreises zur Europäischen Verständigung an Omri Boehm. Der Gaza-Konflikt platzte in einen Festakt hinein, in dem es um Identitätspolitik und ihre Überwindung ging

Leipzig liest Slider

Alles außer flach! 

Buchmesse-Nachschlag, Teil 5: Der opulente Gastlandauftritt der Niederlande und Flanderns war eine intelligent orchestrierte Charme-Offensive fürs deutsche Lesepublikum

Literarisches Leben Slider

„Gute Bücher übersetzen ist leicht!“ 

20 Jahre Preis der Leipziger Buchmesse (4): 2018 ging der Preis in der Sparte Übersetzung an Sabine Stöhr und Jurij Durkot für ihre Übertragung von Serhij Zhadans Roman „Internat“. Inzwischen hat der Ukrainer, der lange mit Worten und Musik für die Sache seines Landes gekämpft hat, zur Waffe gegriffen.

Slider Wir

Back to the Roots 

Von der klassischen ‚PK’ bis ‚unter drei’: Der Thüringer Felix Wisotzki, Pressesprecher der Leipziger Buchmesse, organisiert die Kommunikation des Branchen-Großereignisses. Mit der Arbeit fürs Buch ist der studierte Amerikanist zu einer frühen Leidenschaft zurückgekehrt

Leipzig liest Slider

Fest des freien Wortes 

Buchmesse-Nachschlag, Teil 4: Mit Leipzig liest swingte eine ganze Stadt vier Tage lang im Takt der Literatur. Die heißgeliebte fünfte Jahreszeit – sie war zurück!

Literarisches Leben Slider

Fortüne & Phantasie 

Buchmesse-Nachschlag, Teil 3: In Zeiten zunehmender Markt-Konzentration stehen Independent-Verlage für eine bunte, vielfältige Bücherlandschaft. In Leipzig kommen auch die Kleinen groß raus

Leipzig liest

„Comic ist ein Medium, kein Genre!“ 

Alles außer flach (5): In einer kleinen Serie stellen wir kreative Köpfe aus den Niederlanden & Flandern, Gastland der Leipziger Buchmesse, vor. Heute: Die flämischen Comic-Pionierinnen Ephameron und Judith Vanistendael

Leipzig liest Slider

„Vor allem Frauen“ 

Alles außer flach (3): In einer kleinen Serie stellen wir kreative Köpfe aus den Niederlanden & Flandern, Gastland der Leipziger Buchmesse, vor. Heute: Die flämische Schriftstellerin Annelies Verbeke

Leipzig liest Slider

Und dann hat’s BUMM! gemacht

Alles außer flach (4): In einer kleinen Serie stellen wir kreative Köpfe aus den Niederlanden & Flandern, Gastland der Leipziger Buchmesse, vor. Heute: Matthijs de Ridder, der die flämische Avantgarde-Ikone Paul van Ostaijen an die Pleiße holt

Leipzig liest Slider

Please look at the Basement! 

Alles außer flach (2): In einer kleinen Serie stellen wir kreative Köpfe aus den Niederlanden & Flandern, Gastland der Leipziger Buchmesse, vor. Heute: Der flämische Schriftsteller und Bildende Künstler Maarten Inghels

Leipzig liest Slider

Digitale Literaturwelten 

Alles außer flach (1): In einer kleinen Serie stellen wir kreative Köpfe aus den Niederlanden & Flandern, Gastland der Leipziger Buchmesse, vor. Heute: Poetische VR und eine Geschichten-Erzählmaschine

Literarisches Leben Slider

Starke Frauen

Kurt Wolff Preis für den AvivA Verlag: Seit einem Vierteljahrhundert bringt Britta Jürgs mit Energie und Spürsinn die weiblichen Stimmen der Weltliteratur zur Geltung 

Wir

Vier Tage Meinungsvielfalt

Messe-Nachschlag, Teil 1: Um Inhalte streiten, geht das? Leipzig als Praxistest in demokratischer Diskussionskultur