Autor: Nils Kahlefendt

Ein Leben in der Natur: Ralph Billwitz, Waldpädagoge am OberHolzHaus, hier im Unterholz (c) nk

Das grüne Klassenzimmer
24. Februar 2025
Für seine ausgefallenen Locations ist „Leipzig liest“ berühmt. Hier stellen wir in loser Folge einige der spannendsten vor. Heute: Das Waldpädagogische Zentrum OberHolzHaus in Großpösna
Autor: Nils Kahlefendt

Ein Leben in der Natur: Ralph Billwitz, Waldpädagoge am OberHolzHaus, hier im Unterholz (c) nk

Das grüne Klassenzimmer
24. Februar 2025
Für seine ausgefallenen Locations ist „Leipzig liest“ berühmt. Hier stellen wir in loser Folge einige der spannendsten vor. Heute: Das Waldpädagogische Zentrum OberHolzHaus in Großpösna

Das OberHolzHaus, eine Basisstation für kleine und große Forscher, direkt hinterm Botanischen Garten Großpösna, macht seinem Namen alle Ehre: Gebaut ist das Blockhaus aus 120 Jahre alten Fichten, eingeschlagen im Werdauer Wald, nahe Plauen. Dem Specht gefällt’s offenbar, die Spuren seines scharfen Schnabels sind deutlich im Holz zu sehen. „Willkommen in unserem grünen Klassenzimmer“, sagt Ralph Billwitz, der uns in korrekter Forstmontur begrüßt. Im Raum riecht es aromatisch, ein Hauch von Winterurlaub. Ein Eisenofen bollert gemütlich, Billwitz legt noch ein paar Scheite nach. „Wir machen keinen strengen Unterricht, wir bringen Kindern und Erwachsenen die Natur spielerisch nahe.“ Hin und wieder – etwa im Rahmen von „Leipzig liest“ – geht es im OberHolzHaus sogar literarisch zu.

 

Die Birke gilt als durstig. Dieses Exemplar hat die trockenen Sommer der letzten Jahre nicht unbeschadet überstanden. (c) nk

Obwohl er in Leipzig aufgewachsen ist, in einer Großstadt also, war Ralph Billwitz immer draußen in der Natur: Nach der Schule ging’s aus der elterlichen Wohnung in Lößnig raus in die Wälder und auf die Wiesen zwischen Silbersee und Leinestraße; der heutige Erholungspark Lößnig-Dölitz war damals AGRA-Vorführgelände für Meliorationstechnik, „da standen Kühe auf der Weide“. Die Großeltern väterlicherseits wohnten in Beucha. „Das war komplett ländlich, der Riesengarten mit Hühnern ein Paradies.“ Tierpfleger wollte er eigentlich werden, nahm dann aber 1982 eine Lehre in der Forstwirtschaft auf und absolvierte, als letzter DDR-Jahrgang, ein Studium zum Forstingenieur in Schwarzburg. Seit der Wende kann er sich Diplom-Forstwirt (FH) nennen, in der neugegründeten Forstverwaltung Sachsen arbeitete er als Revierleiter, später kümmerte er sich um Forstförderung und die IT des Forstbezirks. Und drückte nach 2015 noch einmal die Schulbank, um staatlich anerkannter Waldpädagoge zu werden.

 

Das OberHolzHaus ist für die Ewigkeit gebaut. „Nachhaltigkeit zum Anfassen“, sagt Ralph Billwitz. (c) nk

Seit der Fertigstellung des Waldpädagogischen Zentrums OberHolzHaus 2017 kümmern sich Ralph Billwitz und seine Kollegin Christiane Wolfram um die Arbeit mit Kita-Gruppen, Schulklassen, aber auch Familien, interessierten Erwachsenen und Pädagogen. „In Sachsen hat fast jeder der 13 Forstbezirke so ein Zentrum“, erklärt Billwitz. In den diversen Programmen lassen sich etwa die Tiere und Pflanzen des Waldes kennenlernen und seine „Schichten“ entdecken, man kann dem Förster über die Schulter schauen oder bei einer Wald-Rallye als Team zusammenwachsen. Gymnasiasten können das heimische Waldökosystem erforschen. Aber egal, ob sich die Kleinen im „Hobbithaus“ drängen oder an der „Tierweitsprunggrube“ Bauklötze staunen – ein Wildschein bringt es auf immerhin vier Meter! – oder ob die Großen den Wald der Zukunft entwickeln – das Thema Nummer eins, von den Erstklässlern bis zu den Abiturienten, ist: Nachhaltigkeit.

Das Hobbithaus ist eine Attraktion für die Kleinen. (c) nk

Der Begriff, heute oft zum Allerweltswort heruntergekommen, ist in der Forstwirtschaft – und ganz in der Nähe! – entstanden: durch Hans Carl von Carlowitz (1645 – 1714). Der war Oberberghauptmann am kursächsischen Oberbergamt in Freiberg, seine Familie besitzt noch immer ein Rittergut in Heyda hinter Wurzen. Angesichts einer drohenden Holzverknappung und Ausbeutung der Wälder am Ende des 17. Jahrhunderts formulierte von Carlowitz 1713 in seinem Werk „Sylvicultura oeconomica“ erstmals, dass immer nur so viel Holz geschlagen werden sollte, wie durch planmäßige Aufforstung wieder nachwachsen kann. Damit legte er den Grundstein für die deutsche Forstwirtschaft und das Prinzip des nachhaltigen Umgangs mit Rohstoffen. Dem OberHolzHaus ist der Nachhaltigkeits-Gedanke ganz handgreiflich eingeschrieben, es ist ein famoser Kohlendioxid-Speicher. Holz schafft nicht nur ein gutes Raumklima, der Baustoff bindet CO2 und wächst sogar nach – allerdings nur „bei kluger, nachhaltiger Wirtschaft“, wie Billwitz betont.

 

Prost, Birkenzauber! (c) Sebastian Riekehr

Wenn nun im Rahmen von „Leipzig liest“ das Porträt der „Birken“ präsentiert wird, ein neuer Band der phantastischen, von Judith Schalansky herausgegebenen Reihe „Naturkunden“, dann ist das OberHolzHaus der perfekte Ort. Die Pionierpflanze mit den zarten, klebrigen Blättern ist nämlich einem Leipziger Braumeister ins Auge gefallen – als Zutat für das von ihm kreierte Bier mit dem poetischen Namen „Birkenzauber“. Seit das extravagante Bier aus dem Wald Gold bei den World Beer Awards einheimste, sind die unter Verwendung von Champagnerhefe, Hopfen und Malz gebrauten 600 Liter „Birkenzauber“ leider ausgetrunken. Aber wer weiß? Vielleicht zaubert Ralph Billwitz für den „Leipzig liest“-Abend im Zeichen der Birken ja noch ein paar Flaschen aus dem Deputat der Forstverwaltung. Es wäre echt zauberhaft. 

Waldpädagogisches Zentrum OberHolzHaus, Störmthaler Weg 2a, 04463 Großpösna

Steffi Memmert-Lunau: Birken. Ein Portrait. Matthes & Seitz Berlin 2025. 160 Seiten, 22 Euro (erscheint am 20. März 2025) 

Die Lesung im OberHolzHaus findet statt am Freitag, den 28. März, um 19 Uhr.

Beitrag teilen

Weitere Beiträge, die Sie interessieren könnten

Leipzig liest Slider

„Mutter aller Kulturkneipen“ 

Für seine ausgefallenen Locations ist „Leipzig liest“ berühmt. Hier stellen wir in loser Folge einige der spannendsten vor. Heute: Torsten Hinger und das soziokulturelle Zentrum "die naTo" in der Südvorstadt

Markt Slider

Ein eigener Messestand als Autor:in: „Für die Buch-PR eine einmalige Chance“

Die Leipziger Buchmesse bedeutet stets ein Highlight im Kalender der Verlagsbranche. Für Autor:innen bietet sie als eine der ältesten Buchmessen Deutschlands die einmalige Chance, das eigene Portfolio einem breiten Publikum vorzustellen und mehr Reichweite zu erzielen. Doch wie können Verlags- wie auch Selfpublishing-Autor:innen die Messepräsenz optimal nutzen? Kommunikationsexpertin Deborah Klein, die auf Pressearbeit für Bücher spezialisiert ist, erklärt, wie der Messeauftritt aus PR-Sicht gelingen kann.

International Slider

Der Besuch der alten Dame 

Die Norwegerin Kjersti Anfinnsen hat mit „Letzte zärtliche Augenblicke“ einen überraschend unterhaltsamen Roman über die Einsamkeit des Daseins, die Liebe und den Tod vorgelegt.  

Slider Wir

Haken dran!

Als Office-Managerin bei der Leipziger Buchmesse kümmert sich Sophie Schwarz nicht nur um den Terminkalender von Buchmesse-Direktorin Astrid Böhmisch

Leipzig liest Slider

Zauber des Anfangs 

Beim Festival Literarischer Herbst bietet „Beste erste Bücher“ im Ost-Passage Theater eine Bühne für die großen Stimmen von morgen. 2025 wird das Format erstmals auch im Rahmen der Leipziger Buchmesse präsentiert.  

Bildung Slider

Die Welt erlesen 

Was mit Medien: In Kooperation mit der Jugendpresse Sachsen blicken Schülerzeitungs-Redaktionen hinter die Kulissen der Leipziger Buchmesse

International Slider

Der Dauerglücksfall

Norwegen, das Gastland der kommenden Leipziger Buchmesse, wirft kräftige Schatten voraus: Gerade wurde in Sachsen der erste Norwegische Lesekreis gegründet – ein Beispiel, das Schule machen soll.

Leipzig liest Slider

Alles außer flach! 

Buchmesse-Nachschlag, Teil 5: Der opulente Gastlandauftritt der Niederlande und Flanderns war eine intelligent orchestrierte Charme-Offensive fürs deutsche Lesepublikum

Literarisches Leben Slider

„Gute Bücher übersetzen ist leicht!“ 

20 Jahre Preis der Leipziger Buchmesse (4): 2018 ging der Preis in der Sparte Übersetzung an Sabine Stöhr und Jurij Durkot für ihre Übertragung von Serhij Zhadans Roman „Internat“. Inzwischen hat der Ukrainer, der lange mit Worten und Musik für die Sache seines Landes gekämpft hat, zur Waffe gegriffen.

Slider Wir

Back to the Roots 

Von der klassischen ‚PK’ bis ‚unter drei’: Der Thüringer Felix Wisotzki, Pressesprecher der Leipziger Buchmesse, organisiert die Kommunikation des Branchen-Großereignisses. Mit der Arbeit fürs Buch ist der studierte Amerikanist zu einer frühen Leidenschaft zurückgekehrt

Leipzig liest Slider

Fest des freien Wortes 

Buchmesse-Nachschlag, Teil 4: Mit Leipzig liest swingte eine ganze Stadt vier Tage lang im Takt der Literatur. Die heißgeliebte fünfte Jahreszeit – sie war zurück!

Literarisches Leben Slider

Fortüne & Phantasie 

Buchmesse-Nachschlag, Teil 3: In Zeiten zunehmender Markt-Konzentration stehen Independent-Verlage für eine bunte, vielfältige Bücherlandschaft. In Leipzig kommen auch die Kleinen groß raus

International Slider

Wahres Wunder Freundschaft

Buchmesse-Nachschlag, Teil 1: Die Buchmesse eröffnete mit Bundeskanzler Olaf Scholz und der Verleihung des Leipziger Buchpreises zur Europäischen Verständigung an Omri Boehm. Der Gaza-Konflikt platzte in einen Festakt hinein, in dem es um Identitätspolitik und ihre Überwindung ging

Leipzig liest

„Comic ist ein Medium, kein Genre!“ 

Alles außer flach (5): In einer kleinen Serie stellen wir kreative Köpfe aus den Niederlanden & Flandern, Gastland der Leipziger Buchmesse, vor. Heute: Die flämischen Comic-Pionierinnen Ephameron und Judith Vanistendael

Leipzig liest Slider

„Vor allem Frauen“ 

Alles außer flach (3): In einer kleinen Serie stellen wir kreative Köpfe aus den Niederlanden & Flandern, Gastland der Leipziger Buchmesse, vor. Heute: Die flämische Schriftstellerin Annelies Verbeke

Leipzig liest Slider

Und dann hat’s BUMM! gemacht

Alles außer flach (4): In einer kleinen Serie stellen wir kreative Köpfe aus den Niederlanden & Flandern, Gastland der Leipziger Buchmesse, vor. Heute: Matthijs de Ridder, der die flämische Avantgarde-Ikone Paul van Ostaijen an die Pleiße holt

Leipzig liest Slider

Please look at the Basement! 

Alles außer flach (2): In einer kleinen Serie stellen wir kreative Köpfe aus den Niederlanden & Flandern, Gastland der Leipziger Buchmesse, vor. Heute: Der flämische Schriftsteller und Bildende Künstler Maarten Inghels

Leipzig liest Slider

Digitale Literaturwelten 

Alles außer flach (1): In einer kleinen Serie stellen wir kreative Köpfe aus den Niederlanden & Flandern, Gastland der Leipziger Buchmesse, vor. Heute: Poetische VR und eine Geschichten-Erzählmaschine

Literarisches Leben Slider

Starke Frauen

Kurt Wolff Preis für den AvivA Verlag: Seit einem Vierteljahrhundert bringt Britta Jürgs mit Energie und Spürsinn die weiblichen Stimmen der Weltliteratur zur Geltung 

Leipzig liest

Wanderlust

In einer kleinen Serie stellen wir Blogs vor, die für Durchblick im Fantasy-Dschungel sorgen. Folge 3: Weltenwanderer.