Das OberHolzHaus, eine Basisstation für kleine und große Forscher, direkt hinterm Botanischen Garten Großpösna, macht seinem Namen alle Ehre: Gebaut ist das Blockhaus aus 120 Jahre alten Fichten, eingeschlagen im Werdauer Wald, nahe Plauen. Dem Specht gefällt’s offenbar, die Spuren seines scharfen Schnabels sind deutlich im Holz zu sehen. „Willkommen in unserem grünen Klassenzimmer“, sagt Ralph Billwitz, der uns in korrekter Forstmontur begrüßt. Im Raum riecht es aromatisch, ein Hauch von Winterurlaub. Ein Eisenofen bollert gemütlich, Billwitz legt noch ein paar Scheite nach. „Wir machen keinen strengen Unterricht, wir bringen Kindern und Erwachsenen die Natur spielerisch nahe.“ Hin und wieder – etwa im Rahmen von „Leipzig liest“ – geht es im OberHolzHaus sogar literarisch zu.

Obwohl er in Leipzig aufgewachsen ist, in einer Großstadt also, war Ralph Billwitz immer draußen in der Natur: Nach der Schule ging’s aus der elterlichen Wohnung in Lößnig raus in die Wälder und auf die Wiesen zwischen Silbersee und Leinestraße; der heutige Erholungspark Lößnig-Dölitz war damals AGRA-Vorführgelände für Meliorationstechnik, „da standen Kühe auf der Weide“. Die Großeltern väterlicherseits wohnten in Beucha. „Das war komplett ländlich, der Riesengarten mit Hühnern ein Paradies.“ Tierpfleger wollte er eigentlich werden, nahm dann aber 1982 eine Lehre in der Forstwirtschaft auf und absolvierte, als letzter DDR-Jahrgang, ein Studium zum Forstingenieur in Schwarzburg. Seit der Wende kann er sich Diplom-Forstwirt (FH) nennen, in der neugegründeten Forstverwaltung Sachsen arbeitete er als Revierleiter, später kümmerte er sich um Forstförderung und die IT des Forstbezirks. Und drückte nach 2015 noch einmal die Schulbank, um staatlich anerkannter Waldpädagoge zu werden.

Seit der Fertigstellung des Waldpädagogischen Zentrums OberHolzHaus 2017 kümmern sich Ralph Billwitz und seine Kollegin Christiane Wolfram um die Arbeit mit Kita-Gruppen, Schulklassen, aber auch Familien, interessierten Erwachsenen und Pädagogen. „In Sachsen hat fast jeder der 13 Forstbezirke so ein Zentrum“, erklärt Billwitz. In den diversen Programmen lassen sich etwa die Tiere und Pflanzen des Waldes kennenlernen und seine „Schichten“ entdecken, man kann dem Förster über die Schulter schauen oder bei einer Wald-Rallye als Team zusammenwachsen. Gymnasiasten können das heimische Waldökosystem erforschen. Aber egal, ob sich die Kleinen im „Hobbithaus“ drängen oder an der „Tierweitsprunggrube“ Bauklötze staunen – ein Wildschein bringt es auf immerhin vier Meter! – oder ob die Großen den Wald der Zukunft entwickeln – das Thema Nummer eins, von den Erstklässlern bis zu den Abiturienten, ist: Nachhaltigkeit.

Der Begriff, heute oft zum Allerweltswort heruntergekommen, ist in der Forstwirtschaft – und ganz in der Nähe! – entstanden: durch Hans Carl von Carlowitz (1645 – 1714). Der war Oberberghauptmann am kursächsischen Oberbergamt in Freiberg, seine Familie besitzt noch immer ein Rittergut in Heyda hinter Wurzen. Angesichts einer drohenden Holzverknappung und Ausbeutung der Wälder am Ende des 17. Jahrhunderts formulierte von Carlowitz 1713 in seinem Werk „Sylvicultura oeconomica“ erstmals, dass immer nur so viel Holz geschlagen werden sollte, wie durch planmäßige Aufforstung wieder nachwachsen kann. Damit legte er den Grundstein für die deutsche Forstwirtschaft und das Prinzip des nachhaltigen Umgangs mit Rohstoffen. Dem OberHolzHaus ist der Nachhaltigkeits-Gedanke ganz handgreiflich eingeschrieben, es ist ein famoser Kohlendioxid-Speicher. Holz schafft nicht nur ein gutes Raumklima, der Baustoff bindet CO2 und wächst sogar nach – allerdings nur „bei kluger, nachhaltiger Wirtschaft“, wie Billwitz betont.

Wenn nun im Rahmen von „Leipzig liest“ das Porträt der „Birken“ präsentiert wird, ein neuer Band der phantastischen, von Judith Schalansky herausgegebenen Reihe „Naturkunden“, dann ist das OberHolzHaus der perfekte Ort. Die Pionierpflanze mit den zarten, klebrigen Blättern ist nämlich einem Leipziger Braumeister ins Auge gefallen – als Zutat für das von ihm kreierte Bier mit dem poetischen Namen „Birkenzauber“. Seit das extravagante Bier aus dem Wald Gold bei den World Beer Awards einheimste, sind die unter Verwendung von Champagnerhefe, Hopfen und Malz gebrauten 600 Liter „Birkenzauber“ leider ausgetrunken. Aber wer weiß? Vielleicht zaubert Ralph Billwitz für den „Leipzig liest“-Abend im Zeichen der Birken ja noch ein paar Flaschen aus dem Deputat der Forstverwaltung. Es wäre echt zauberhaft.
Waldpädagogisches Zentrum OberHolzHaus, Störmthaler Weg 2a, 04463 Großpösna
Steffi Memmert-Lunau: Birken. Ein Portrait. Matthes & Seitz Berlin 2025. 160 Seiten, 22 Euro (erscheint am 20. März 2025)
Die Lesung im OberHolzHaus findet statt am Freitag, den 28. März, um 19 Uhr.