Autor: Martina Hefter

Bildquelle: Gert Mothes

Hotel Leipzig
14. Oktober 2015
Daniela Seel wohnt zur Buchmesse in einem Leipziger Autoren-Haushalt. Wie aus der Verlegerin ein Stammgast wird
Autor: Martina Hefter

Bildquelle: Gert Mothes

Hotel Leipzig
14. Oktober 2015
Daniela Seel wohnt zur Buchmesse in einem Leipziger Autoren-Haushalt. Wie aus der Verlegerin ein Stammgast wird

Ich bin im Hotel aufgewachsen, in einem Touristenort voller weiterer Hotels. Ferien- und Nebenjobs suchte ich mir natürlich auch im Hotel, ich kann ein Double-de-luxe-Bett in weniger als einer Minute mit einem Classic-Leintuch beziehen. Als ich meinen Mann kennenlernte und er erzählte, sein Vater betreibe eine Pension auf Rügen, dachte ich, dass das Leben eben doch verlässliche Konstanten bietet. Diese Konstante erhalte ich aufrecht, indem wir jährlich zur Leipziger Buchmesse Gäste beherbergen, und obschon sie dafür nichts bezahlen müssen und unsere Wohnung sich stark von einem Hotel unterscheidet, bin ich in den vier Tagen Hotelierin und nichts sonst. Meine Töchter räumen bereitwillig ihre Zimmer und übernachten bei Freundinnen, und zum guten Service unseres Hauses gehört auch das große Frühstücksbüfett am Sonntagmorgen für alle Gäste. Auch Daniela Seel ist seit sieben Jahren Stammgästin bei uns, und ich sehe sie dann weniger als Verlegerin und Dichterin, sondern eben als Gast. Wir begegnen uns gerade so viel, wie in einem Hotel Gast und Wirt sich begegnen. Manchmal sind wir beide verlegen darüber, dass wir in solch anderem Zusammenhang aufeinandertreffen als sonst. Ich argwöhne dann, dass ich in meinem Gastronomie-Modus ungewohnt auf Daniela wirke, geschäftig und beflissen. Dann stehen wir ein paar Sekunden verlegen in der Küche und sagen nichts, und ich trockne hektisch Töpfe ab. Oft müssen wir auch ein bisschen darüber lachen, zum Beispiel, wenn ich ihr sagen muss, dass dieses Mal wegen Überbelegung Umbuchungen notwendig sind und sie eventuell jede Nacht in einem anderen Zimmer schlafen muss. Ich bin aber im Herbergswesen versiert genug, dass ich jedes Mal rasch zu meinem Geschäft zurückfinde und Daniela frage, ob sie noch etwas braucht. Immer ist sie zufrieden und braucht nichts. Morgens stehe ich noch früher auf als sie, wie es die Hoteliers eben tun, und koche Kaffee für sie. Das ist eigentlich eine sehr schöne Beschäftigung.

Martina Hefter, geboren 1965 in Pfronten/Allgäu, lebt als Dichterin und Performerin in Leipzig. Sie veröffentlichte zuletzt den Gedichtband „Vom Gehen und Stehen. Ein Handbuch“ (kookbooks, 2013).

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