Daran, dass Kerstin Grüner sich Anfang der Nullerjahre für ein Studium der Germanistik und Kunstgeschichte entschied, war – so sieht sie es heute – wohl ihr Deutschlehrer am Johannes-Nepomuk-Gymnasium im niederbayerischen Rohr Schuld. „Er konnte begeistern“, sagt Grüner, der man die Herkunft aus der Kreisstadt Kelheim, idyllisch am Ausgang des Donaudurchbruchs zwischen Ingolstadt und Regensburg gelegen, nicht anhört. „Da meine Eltern nicht aus Bayern stammen, bin ich praktisch zweisprachig aufgewachsen“, sagt Grüner lachend. Sie lacht gern und viel während unseres Gesprächs im Büro des Leipziger Buchmesse-Teams.
Raus aus dem Elfenbeinturm
Absolvierte Kerstin Grüner den Anfang ihres Magister-Studiums noch in Regensburg, zog es sie schon bald nach Berlin, wo sie sich an der Freien Universität auf Neue Deutsche Literatur spezialisierte. Doch schon bald weckte der ebenfalls an der FU angebotene weiterbildende Studiengang Angewandte Literaturwissenschaft ihr Interesse, der die wissenschaftliche Beschäftigung mit Gegenwartsliteratur zu gleichen Teilen mit der Praxis von Literaturvermittlung, -förderung und -kritik verbindet. Sooft es ihr möglich war, besuchte Grüner die Veranstaltungen, zu denen häufig Praktiker aus der Branche eingeladen waren. In einem dieser Seminare traf sie auch auf ihren späteren Kollegen Thorsten Dönges vom Literarischen Colloquium Berlin (LCB). „Was Thorsten über die Arbeit des LCB berichtete, klang hochspannend“, sagt Grüner, „ich musste mich dort einfach für ein Praktikum bewerben“. Gesagt, getan: Am LCB war sie in Projekte wie Literaturport, die Ãœbersetzer-Werkstätten oder die internationalen Ãœbersetzer-Treffen involviert, letztere führten sie auch regelmäßig zur Leipziger Buchmesse.
Nach dem Abschluss ihres Studiums stieg Grüner projektbezogen beim LCB ein. Da ihre Stelle jedoch befristet war, wagte sie den Sprung in eine andere Branche – und wechselte in eine High-End-Lautsprecherfirma. 2013 dockte sie als Projektmanagerin am Berliner Standort der Kommunikations-Agentur Dievision an. „Als ich zum Studium nach Berlin kam, dachte ich: Ich schau’ mir das mal ein, zwei Semester an“, wundert sich Grüner. „Am Ende sind daraus 13 Jahre geworden.“ Die letzte berufliche Volte ist Jürgen Jakob Becker zu verdanken; der Geschäftsführer des Deutschen Ãœbersetzerfonds. Becker war es, der Kerstin Grüner auf die Stellenanzeige der Leipziger Buchmesse aufmerksam machte: „Wär’ das nicht was?“
Vielfalt ist Trumpf
Seit April letzten Jahres gehört Kerstin Grüner als Projektmanagerin im internationalen Bereich zum Buchmesse-Team. Wie alle Kolleginnen verantwortet sie neben ihrer übergreifenden Funktion auch spezielle Themengebiete – in ihrem Fall die Messe-Segmente Buchkunst und Grafik und Musik. Gerade einmal ein Messejahrgang liegt hinter, ein neuer vor ihr. Wie fühlt sich das an? „Ich habe das große Glück, Themen zu verantworten, die mich wirklich interessieren. Ich lerne beinahe täglich hoch interessante Menschen kennen. Ich weiß, dass ich einen ziemlich kommunikationsintensiven Job habe, das kann auch mal anstrengend sein. Aber ich mache ihn unglaublich gern.“ Vielfalt ist Trumpf in Grüners Arbeitsalltag, die Messe ist in den letzten Jahren messbar internationaler geworden. Stets gilt es, neue Aussteller für Leipzig zu interessieren – die Niederländer oder Armenien waren es heuer – und dabei die alten bei Laune zu halten. Dazu kommt die Betreuung der Gastlandauftritte und die Zusammenarbeit mit den Kooperationspartnern der Messe – vom Auswärtigen Amt über die Robert-Bosch-Stiftung bis zum Netzwerk Traduki. Nicht zu vergessen: Ausgewählte Projekte mit dem Auswärtigen Amt, die gemeinsam mit den ehemaligen Kollegen vom LCB gestemmt werden. Und Leipzig, die ziemlich rasant wachsende Messe-Metropole? Kerstin Grüner, die in den ersten Monaten noch in einer WG wohnte, hat ihre Koffer nun ausgepackt, von ihrer Wohnung im Zentrum Süd blickt sie auf den 88 Meter hohen Turm der Peterskirche. Sie ist angekommen, in der Stadt, auf der Messe. Es gibt, sagt sie, hier wie da „noch einiges zu entdecken“.
Kerstin Grüner, Jahrgang 1981, ist im niederbayerischen Kelheim aufgewachsen. Nach dem Abitur studierte sie in Regensburg und an der FU Berlin, wo sie 2010 als M.A. in den Fächern Neue Deutsche Literatur und Kunstgeschichte abschloss. Nach projektbezogenen Tätigkeiten für das LCB und den Deutschen Übersetzerfonds arbeitete Grüner für die Lautsprecherfirma Voxativ (2011-2012) und die Kommunikationsagentur Dievision (2013-2016). Seit 2017 ist sie als Projektmanagerin Internationaler Bereich, Musik, Buchkunst & Grafik im Buchmesse-Team tätig.