„Ich soll einen Preis bekommen. Das Buch, das ich geschrieben habe, hat vielen Leuten gefallen. Der Verlag hat angerufen, dass er nachdrucken will.“ Das sagt die Ich-Erzählerin in Anke Stellings Roman „Schäfchen im Trockenen“. Ein Blick ins Buch, zwei ins Leben: Für die Autorin ist das gerade zu Ende gegangene Jahr das bisher wichtigste in ihrer Schriftsteller-Laufbahn: Ihr siebter Roman „Schäfchen im Trockenen“ wird noch immer viel gelesen und diskutiert; im März 2019 erhielt sie für dieses Buch, erschienen im kleinen Berliner Verbrecher Verlag, den Preis der Leipziger Buchmesse in der Kategorie Belletristik. Für die Romantrilogie, zu der neben „Schäfchen im Trockenen“ auch „Bodentiefe Fenster“ (2015) und „Fürsorge“ (2017) gehören, wurde ihr zudem im Juni der Hölderlin-Preis der Stadt Bad Homburg verliehen.
Anke Stelling, 1971 in Ulm geboren, studierte ab 1997 am Deutschen Literaturinstitut in Leipzig; ihr Debüt „Gisela“, gemeinsam mit Robby Dannenberg verfasst, erschien 1999. Nach dem Wechsel zu S. Fischer erschienen drei weitere Bücher, doch es wurde ruhig um die Autorin. „Noch heute werde ich gelegentlich anmoderiert, als sei ‚Bodentiefe Fenster’ mein erster Roman“, wundert sich Stelling. Hat der Preis-Paukenschlag ihr Leben, gar ihr Schreiben verändert? Am deutlichsten spürt sie die veränderte öffentliche Wahrnehmung: „Ich habe drei, vier Mal so viele Lesungs-Anfragen, ich kann höhere Honorare verlangen, ich habe ein größeres Publikum. Aber ich habe auch viel weniger Zeit fürs Schreiben, kann mich sehr viel weniger darauf konzentrieren.“ Auch nach fast einem Jahr kommt ihr das, was ab März 2019 geschah – Interviews, Blitzlichter, die Platzierung auf der Spiegel-Bestsellerliste – noch reichlich unwirklich vor. Eine unbewusste Strategie, die Außenreize nicht zu wichtig zu nehmen? „Wenn einen so etwas ganz früh ereilt, und man später vom Betrieb wieder fallengelassen wird, kann einen das schon beschädigen“, ahnt die Autorin.
Der Druck im Kessel steigt definitiv, daran muss sich Anke Stelling noch gewöhnen: „Ein größeres Publikum sitzt beim Schreiben mit am Tisch und schaut mir über die Schulter – zumindest in meiner Vorstellung. Wenn ich dann unterwegs bin, und von Leserinnen und Lesern höre, was ihnen meine Texte bedeuten – dann ist das erhebend und ein wenig bedrückend zugleich. Man merkt: Das eigene Schreiben bedeutet etwas, nicht nur für einen selbst! Das ist auf der einen Seite ein hoher Anspruch, andererseits auch ein bisschen einschüchternd. Man muss das für sich in die Balance kriegen.“ Die Frage, ob Anerkennung im Literaturbetrieb hilfreich ist oder nicht, hat Stelling in ihrer Bad Homburger Preisrede thematisiert. Und noch immer fällt die Antwort ambivalent aus: „Ich glaube, dass man sich als Künstlerin nicht so stark von Außenwirkungen abhängig machen darf.“
Und wie läuft das Schreiben, nach dem Preis? Als Anke Stelling im März jubelte, hatte sie ihr nächstes Buch schon zugesagt – ein Kinderbuch, ihr zweites. Eigentlich wollte sie den Erscheinungstermin verschieben, doch der Verlag blieb hartnäckig. Zum Glück, wie Anke Stelling jetzt findet: „Weil ich gezwungen war, weiter zu machen, Zeit am Schreibtisch zu verbringen, statt darüber nachzugrübeln, wie es mit den „Schäfchen“ weitergeht. Es war eine Doppelt- und Dreifach-Belastung, aber ich kam auch nicht in die Verlegenheit einer Schreib-Blockade. „Freddie und die Bändigung des Bösen“ (cbj) erscheint nun im März: Punktgenau zur Leipziger Buchmesse.
Anke Stelling ließt zur Buchmesse aus ihrem neuen Kinderbuch „Freddie und die Bändigung des Bösen“:
- 13. März 2020, 9.00 Uhr, Bibliothek Leipzig-Gohlis,
- 13. März 2020, 12.30, Messegelände, Halle 2, Lesebude 2
- 13. März 2020, 18.00 Uhr, Kinderbuchladen Serifee