Autor:

Foto: Wagenbach Verlag

Meetings im Mantel
21. Januar 2021
Blick zurück nach vorn (4): Susanne Schüssler über den Verlagsalltag in der Pandemie und die Sehnsucht nach Festen.
Autor:

Foto: Wagenbach Verlag

Meetings im Mantel
21. Januar 2021
Blick zurück nach vorn (4): Susanne Schüssler über den Verlagsalltag in der Pandemie und die Sehnsucht nach Festen.

Wie haben Sie das Jahr 2020 überstanden?

Susanne Schüssler: Der Verlag ist gut durchgekommen. Es war vielleicht nicht eines der glänzendsten Jahre, aber ich hatte im März Schlimmeres befürchtet. Was ich bemerkenswert fand: Alle, die in unserer Branche tätig sind, haben alles getan, um die Leute weiter mit Büchern zu versorgen – von den Verlagen über die Auslieferungen und Barsortimente bis zu den Buchhändlerinnen und Buchhändlern, die sich bis zur Erschöpfung engagiert haben. Das hat mich bewegt und beeindruckt. Ich hoffe, dass möglichst viele Leserinnen und Leser ihre Buchhandlung auch künftig unterstützen.

Was hat sie am meisten überrascht?

Schüssler: Dass der Berliner Senat Bücher als lebenswichtiges Gut eingeschätzt hat – und die Buchhandlungen weder im März noch jetzt vor Weihnachten geschlossen hat. Ein wichtiges Signal – dafür gebührt unserem Kultursenator Klaus Lederer und dem Regierenden Bürgermeister Michael Müller Dank! In anderen Ländern waren nicht mal Abholstationen erlaubt…

Womit sind sie gerade beschäftigt?

Schüssler: Vor uns liegt die Druckdaten-Abgabe der Frühjahrsbücher; die Auflagen erscheinen wie geplant. Eben hat die Reise unserer Vertreter-Mannschaft begonnen, zum Teil natürlich begleitet von Terminverschiebungen. Für Januar hatten wir einen Auslieferungstermin geplant, den wir auch nach hinten schieben werden. Wir müssen auf die aktuelle Lage reagieren, damit die Bücher nicht ins Leere fallen – gerade die Spitzentitel.

Wie schaut das Verlagsleben in der Emser Straße aus?

Schüssler: In jedem Zimmer sitzt eine Person. Wir haben strenge Regeln entwickelt, damit wir uns ordentlich aus dem Weg gehen können (lacht). Heute hatten wir eine Besprechung: Großer Raum, offene Fenster, alle in Wintermänteln und mit Maske. Gemütlich ist das nicht, aber gemeinsam die nächsten Schritte besprechen ist effektiver als in endlosen Zoom-Konferenzen. Die Kolleginnen und Kollegen kommen gern; meist per Fahrrad, und wenn es die Witterung mal nicht zulässt, arbeiten sie zuhause. Der Verlag lebt davon, dass wir Dinge gemeinsam durchsetzen!

Vermissen Sie das Kochen im Verlag, das gemeinsame Mittagessen?

Schüssler: Das gibt’s seit letzten März nicht mehr, traurig. Wir haben uns in den Sommermonaten immerhin einmal die Woche Pizza bestellt und auf den Bänken im Hof gemeinsam gegessen – mit gehörigem Abstand natürlich.

Was erhoffen Sie sich für 2021?

Schüssler: In den Monaten der Pandemie sind für viele von uns andere Dinge als zuvor wichtig geworden. Das sollte man nicht so schnell wieder vergessen. Und ganz konkret, dass der unabhängige Buchhandel gestärkt aus dieser schwierigen Zeit hervorgeht.

Ihre Projektion für Leipzig im Mai?

Schüssler: Unser aller Sehnsucht, sich wiederzusehen, gemeinsam ein Fest feiern zu können, ist riesengroß. Ich hoffe sehr, dass die Messe wie geplant stattfinden kann. Es wäre ja schlimm, wenn wir nicht bis Ende Mai in einen anderen Modus kommen. Wir haben, zusammen mit dem italienischen Kulturinstitut, immerhin schon den Autor unseres italienischen Spitzentitels, Marco Missiroli („Treue“) nach Leipzig eingeladen.

Susanne Schüssler, geboren 1962 in München, lebt seit fast 30 Jahren in Berlin. Die promovierte Philologin ist Verlegerin des Wagenbach Verlags.

Beitrag teilen


Das Jahr mit Corona war ein Stress-Test für die Branche, die sich als erstaunlich resilient und belastbar erwies. In unserer Serie „Blick zurück nach vorn“, deren Interviews in den ersten Januartagen geführt wurden, wollen wir teilen, wie Buchmenschen durch die Krise gekommen sind, was sie gelernt haben – und was sie sich für 2021 erhoffen. Momentaufnahmen einer Branche, die auf Sicht fahren muss – und doch insgesamt gerade über sich selbst hinauszuwachsen scheint.

Weitere Beiträge, die Sie interessieren könnten

International Slider

Wahres Wunder Freundschaft

Buchmesse-Nachschlag, Teil 1: Die Buchmesse eröffnete mit Bundeskanzler Olaf Scholz und der Verleihung des Leipziger Buchpreises zur Europäischen Verständigung an Omri Boehm. Der Gaza-Konflikt platzte in einen Festakt hinein, in dem es um Identitätspolitik und ihre Überwindung ging

Leipzig liest Slider

„Vor allem Frauen“ 

Alles außer flach (3): In einer kleinen Serie stellen wir kreative Köpfe aus den Niederlanden & Flandern, Gastland der Leipziger Buchmesse, vor. Heute: Die flämische Schriftstellerin Annelies Verbeke

Leipzig liest Slider

Und dann hat’s BUMM! gemacht

Alles außer flach (4): In einer kleinen Serie stellen wir kreative Köpfe aus den Niederlanden & Flandern, Gastland der Leipziger Buchmesse, vor. Heute: Matthijs de Ridder, der die flämische Avantgarde-Ikone Paul van Ostaijen an die Pleiße holt

Leipzig liest Slider

Please look at the Basement! 

Alles außer flach (2): In einer kleinen Serie stellen wir kreative Köpfe aus den Niederlanden & Flandern, Gastland der Leipziger Buchmesse, vor. Heute: Der flämische Schriftsteller und Bildende Künstler Maarten Inghels

Leipzig liest Slider

Digitale Literaturwelten 

Alles außer flach (1): In einer kleinen Serie stellen wir kreative Köpfe aus den Niederlanden & Flandern, Gastland der Leipziger Buchmesse, vor. Heute: Poetische VR und eine Geschichten-Erzählmaschine

Literarisches Leben Slider

Starke Frauen

Kurt Wolff Preis für den AvivA Verlag: Seit einem Vierteljahrhundert bringt Britta Jürgs mit Energie und Spürsinn die weiblichen Stimmen der Weltliteratur zur Geltung 

Comic & Manga Slider

Straße der Besten

Zur Jubiläums-MCC im März 2024 löst die New Artist Alley die bisherige Gemeinschaftspräsentation MCC Kreativ ab. Im Interview sprechen Kerstin Krämer und Sassette Scheinhuber über Hintergründe – und wesentliche Neuerungen.

Bildung Slider

Leseförderung per Podcast

Die Initiative „Bücheralarm“ erlaubt es Kindern und Jugendlichen, die Welt der Bücher aktiv für sich zu erobern. Mit dem „Bücheralarm Award“, der im März in Leipzig erstmals verliehen wird, geht Initiatorin Lena Stenz nun den nächsten Schritt.

Leipzig liest Slider

Vom Buch auf die Bühne

Für seine ausgefallenen Locations ist „Leipzig liest“ berühmt. Hier stellen wir in loser Folge einige der spannendsten vor. Heute: Christoph Awe und die Cammerspiele Leipzig im Connewitzer Werk 2.

Leipzig liest Slider

Zeltplatz Mitte 

Für seine ausgefallenen Locations ist „Leipzig liest“ berühmt. Hier stellen wir in loser Folge einige der spannendsten vor. Heute: Rando Steinbach und der Outdoor-Spezialist tapir im Herzen der City.

International Slider

„Es geht immer ums Vollenden“ 

Buchmesse-Nachschlag, Teil 3: Unter dem Motto „meaoiswiamia“ feierte Österreich die Vielfalt seiner Literatur. Insgesamt kamen rund 200 Autorinnen und Autoren aus Österreich zu mehr als 110 Veranstaltungen auf dem Messegelände und in der Stadt.

Leipzig liest Slider

Endlich! Wieder! 

Buchmesse-Nachschlag, Teil 1: Die erste Gewandhaus-Eröffnung seit vier Jahren wurde mit überschäumender Freude gefeiert – überschattet vom Angriffskrieg auf die Ukraine. Aufmerksamkeitsdusche, reloaded.

Wir

„Kein Schreibtisch-Job“ 

Bitte nicht alle auf einmal: Als Referent für die Tageskassenkoordination kümmert sich Tom Geißler darum, dass wir Besucher möglichst reibungslos zu unseren Tickets und aufs Messegelände kommen. Das ist alles andere als trivial

Literarisches Leben

Neue Verlegerinnen braucht das Land!

Nora Pester (Hentrich & Hentrich) und Kirsten Witte-Hofmann (edition überland), zwei von 20 Gewinnern des Sächsischen Verlagspreises 2022, sprechen über Aufbrüche zu neuen Ufern und die Buchmesse als Heimspiel

International

Leben und Schreiben

Intelligent und unterhaltsam: Der Podcast „Literaturgespräche aus dem Rosa Salon“ mit Katja Gasser verkürzt die Zeit bis zum Gastlandauftritts Österreichs im Frühjahr.

Wir

Ideen Raum geben 

Es gibt nichts Gutes, außer man tut es: Als Teamleiter bei der Leipziger Messe-Tochter FAIRNET kümmert sich Christian Merkel darum, tolle Ideen auf die Straße zu bringen.

Wir

Brücke zum Osten

März-Splitter (1): Statt Messe-Eröffnung feierte Leipzig die Verleihung des Buchpreises zur Europäischen Verständigung

Wir

Hinter den Kulissen

Messe-Köpfe, Folge 6: Als Projektleiterin kümmert sich Gesine Neuhof um die Gesamtkoordination von „Leipzig liest“