Ein eigenes Netzwerk? Brauchen wir das? Was diese Frage anging, war das Meinungsbild in der Szene der deutschsprachigen phantastischen Geschichtenerzähler durchwachsen: Ist die Community nicht klein und übersichtlich, jeder kennt jeden? Vor einem guten Jahr, Mitte November 2015, machten 15 Autorinnen und Autoren Nägel mit Köpfen – und gründeten in Köln das Phantastik-Autoren-Netzwerk (PAN) e. V. Die Resonanz war überwältigend: Aktuell wurde mit dem literarischen Phantasten Christian von Aster („Der letzte Schattenschnitzer“) das 100. Mitglied aufgenommen – und der Zulauf hält an. Kein Wunder, findet PAN-Vorstandsvorsitzende Diana Menschig: „Die Krimi-Kolleginnen haben mit dem Syndikat, das in diesem Jahr 30 Jahre alt wird, und mit den Mörderischen Schwestern gleich zwei starke Vereinigungen; es gibt Delia, den Verein der auf Liebesromane spezialisierten Schriftsteller, oder HOMER für History-Autoren. Wir waren die einzigen Genre-Autoren, die sich noch nicht professionell vernetzt hatten. Wir wollten eine starke, gemeinsame Stimme am Markt. Nach einem Jahr wissen wir, dass wir vielen Kolleginnen und Kollegen aus dem Herzen gesprochen haben – und das unser Genre noch facettenreicher und vielfältiger ist, als viele dachten.“
„Phantastik: Kulturgut oder doch nur gut?“
PAN hat sich auf die Fahnen geschrieben, kulturelle Veranstaltungen oder wissenschaftliche Arbeiten zu unterstützen, Nachwuchsautoren zu fördern und eine Anlaufstelle für Fragen rund um die deutschsprachige Phantastik-Literatur zu sein. Das sind hehre Ziele, doch zunächst ging es darum, eine tragfähige Basis zu bauen – von der Website bis zum Vereinskonto. „Bei uns hat keiner eine Schrebergarten-Vergangenheit“, witzelt Menschig. Obwohl der Verein in den ersten Monaten noch stark mit dem Aufbau der neuen Strukturen beschäftigt war, wurde ordentlich auf die Tube gedrückt: Bereits im April fand unter dem Motto „Die deutschsprachige Phantastik: Kulturgut oder doch nur gut?“ ein erstes Branchentreffen der Szene in Köln statt. Bewusst hatte man statt der üblichen, publikumsoffenen Conventions auf eine Fachkonferenz gesetzt. Neben Autorinnen und Autoren, Lektoren und Übersetzern hatten die PAN-Organisatoren Experten eingeladen, um gemeinsam den literarischen Diskurs über das Genre in Gang zu setzen. Warum findet Phantastik – anders als Krimis oder historische Romane – im Feuilleton kaum statt? Wie ist es generell um die Anerkennung im Literaturbetrieb bestellt, deren Indikator, nicht zuletzt, auch gefüllte Fördertöpfe sind? In der öffentlichen Wahrnehmung, so das Fazit der Tagung, ist noch reichlich Luft nach oben – reichlich Gesprächsstoff für Branchentreffen Nummer Zwei, das für den 20. bis 22. April 2017 in Berlin geplant ist.
Attraktiv für Profis
Zuvor jedoch sind die Netzwerk-Qualitäten von PAN in Leipzig gefragt: Im kommenden März wird der Verein die Betreuung der Phantastik-Lounge auf der Leipziger Buchmesse übernehmen. „In enger Abstimmung mit der Messe wollen wir möglichst viel von den bewährten Strukturen bewahren“, erklärt Diana Menschig. „In der Lounge können Autorinnen und Autoren, abseits des Messe-Getriebes, mit Agenten, Verlegern, Kollegen und Medienvertretern sprechen; selbstverständlich betreuen wir auch die Gäste der benachbarten Fantasy-Leseinsel, für die die Lounge ein willkommener Anlaufpunkt ist“. Um nicht nur fürs breite Publikum, sondern auch für die Profis der Branche auf Dauer attraktiv zu bleiben, setzt die Messe konsequent auf Service für jene, die sich mit dem Transport der Literatur zu den Lesern beschäftigen: Die Lounge-Fläche wird PAN von der Buchmesse bis 2019 zur Verfügung gestellt. Gegenseitiges Vertrauen, ein guter Spirit: Die Community freut sich über phantastische Aussichten in Leipzig.
Schreibtisch-Entzugserscheinungen
Als PAN gegründet wurde, ging man von rund 50 potenziellen Mitgliedern aus, nun ist der Verein schneller gewachsen als gedacht – und muss sich beweisen. „Das Mentoring und die Betreuung junger Autoren in die Spur zu bringen“, sagt Diana Menschig, „ist neben der professionellen Präsentation unseres Genres eines unserer wichtigsten Ziele fürs kommende Jahr“. Gut möglich, dass der engagierten jungen Vorstandsvorsitzenden bei so hochgespannten Plänen auch künftig weniger Zeit fürs Schreiben bleibt. „Hin und wieder“, lacht sie, „spüre ich schon Entzugserscheinungen“. Diana Menschig trägt’s mit Fassung: „Die Phantastik in Deutschland weiß sich Gehör zu verschaffen. Das zählt.“
Diana Menschig, geboren 1973, absolvierte nach einem Studium der Psychologie mehrere Stationen in Marktforschung und Personalmanagement, bevor sie einen Spieleladen eröffnete. Heute arbeitet sie als selbstständige Dozentin und Autorin. Zuletzt erschienen von ihr der Roman „So dunkel, so kalt“ (Droemer Knaur 2014) und der Mystery-Thriller „Dunkle Wurzeln“ (dotbooks 2016, mit Alexa Waschkau). Wenn Diana Menschig nicht gerade in phantastischen Parallelwelten unterwegs ist, teilt sie sich mit ihrem Mann, zwei Hunden, einer Katze und vielen Rennrädern ein Haus am Niederrhein.