Die tun was, die Tschechen: Wäre das schöne Wort „Nachhaltigkeit“ nicht in letzter Zeit etwas überstrapaziert – auf die voll angelaufenen Vorbereitungen zum Gastlandauftritt 2019 träfe es geradewegs ideal zu. Ziel aller Förderbemühungen ist es, der tschechischen Literatur zu größerer Sichtbarkeit auf dem deutschen Buchmarkt zu verhelfen. Dabei stehen, logisch, Übersetzungen im Fokus. Um den Wort-Transfer aus dem Tschechischen wirksam zu unterstützen, wurden drei Förderprogramme aufgelegt: Neben dem vom Kulturministerium aufgelegten Übersetzungsförderungsprogramm gibt es eine Sonderausschreibung des Deutsch-Tschechischen Zukunftsfonds sowie ein Residenzprogramm, das kreative Schreibaufenthalte deutscher Schriftsteller*innen in Brünn und tschechischer Autor*innen in Leipzig ermöglicht.
Das Programm zur Förderung von Übersetzungen tschechischer Literatur in die deutsche Sprache kann von Verlagen, aber auch von Herausgebern, Literaturagenten und Übersetzern beantragt werden. „Bis dato konnten Verleger das Geld nur für Übersetzungen nutzen“, erklärt Martin Krafl, Projektkoordinator des Gastlandauftritts. „Nun haben sie mehrere Möglichkeiten: Werbungskosten sind ebenso förderfähig wie die Aufwendungen für Autorenrechte oder für die grafische Gestaltung, den Satz oder Druck der Bücher.“ Das Programm selbst existiert schon länger, mit Blick auf den Gastlandauftritt wurde jedoch sein Umfang noch einmal kräftig aufgestockt. „Durfte die Gesamtsumme der Förderung früher 50 Prozent der gesamten Publikationskosten nicht überschreiten, sind es nun 70 Prozent.“ Ein Angebot, das offensichtlich attraktiv ist: Erschienen pro Jahr im Schnitt bislang vier bis fünf Übersetzungen aus dem Tschechischen im deutschsprachigen Raum, sind es mit Blick auf 2019 schon jetzt sechs Mal mehr – Krafl zählt aktuell mehr als 40 Titel, die in Arbeit sind. Und das Schöne: Das Programm läuft weiter: Nächster Einsendeschluss für 2019 ist der 15. November 2018; das Antragsformular findet sich hier. „Für große Häuser“, verrät Krafl, sei „die Fördersumme allein nicht das ausschlaggebende Kriterium. Sie wollen Autorinnen und Autoren finden, die ein ganzes Werk versprechen – und nicht nur Einzeltitel.“
Der Deutsch-Tschechische Zukunftsfonds (DTZF), angetreten mit einem Stiftungsvermögen von fast 85 Millionen Euro, wurde im Ergebnis der Deutsch-Tschechischen Erklärung vom 21. Januar 1997 im Dezember 1997 begründet. Jährlich können mit Hilfe des DTZF über 600 Projekte mit einer Fördersumme von insgesamt rund drei Millionen Euro umgesetzt werden. Unter dem Motto „Die Bücher der Anderen“ schreibt auch der DTZF drei gesonderte Förderprogramme aus. Sie sollen deutsche Verleger und Kulturinstitutionen anregen, sich noch stärker der Herausgabe tschechischer Literatur quer durch alle Genres zu widmen. Daneben wird – etwa über Konferenzen, Workshops, Seminare und andere wissenschaftliche Diskursformate – eine Stärkung der deutschen Bohemistik angestrebt. Und schließlich sollen die direkten Kontakte zwischen deutschen und tschechischen Autoren, Übersetzern und Wissenschaftlern intensiviert werden. Deadline für diese Förderanträge ist jeweils das Quartalsende 2018 sowie der 31. März und der 30. Juni 2019; das Antragsformular findet sich hier.
Mit Luise Boege ist Ende Juli die erste deutsche Residenzautorin in der Leipziger Partnerstadt Brünn eingetroffen. Herzlich begrüßt wurde Boege von Tomáš Kubíček, Projektleiter Gastland Tschechien auf der Leipziger Buchmesse 2019 und Direktor der Mährischen Landesbibliothek Brünn, sowie Ivo Bednář, Abteilungsleiter Tourismus der Leipziger Partnerstadt Brünn.
Die Open-Mike-Gewinnerin des Jahres 2006 möchte während ihrer Zeit in Tschechien an ihrem Prosatext „Die dicke Familie“ arbeiten. Boege ist eine von jeweils fünf Autor*innen aus jedem Land, die von einer Jury für einen einmonatigen Aufenthalt ausgewählt wurden. Anlässlich der Prager Buchmesse im Mai wurden die Stipendiatinnen und Stipendiaten des neu aufgelegten Residenzprogramms bekannt gegeben. Für den Aufenthalt in Brünn hatten sich 56 deutsche Autor*innen beworben; neben Boege werden bis Januar 2019 Bettina Hartz, Bernhard Setzwein, Roman Israel und Isabelle Lehn in der nach Prag zweitgrößten Stadt Tschechiens zu Gast sein. In Leipzig werden ab September Petr Borkovec (*1970), Lucie Lomová (*1964), Iva Pekárková (*1963), Kateřina Tučková (*1980) und Jaromír Typlt (*1973) erwartet. „Wir hoffen, dass das Residenzprogramm zu einem dauerhaften Bestandteil des tschechisch-deutschen Kulturaustausches werden kann“ sagt Tomáš Kubíček. „Daran möchten wir unter anderem gemeinsam mit deutschen Literaturhäusern, die bereits Interesse gezeigt haben, weiterarbeiten.“
Fotos: Pavel Němec (Luise Boege, Tomáš Kubíček, Ivo Bednář), Ruth Justen (Buchmesse Prag).