Im Stream – und live: In Leipzig haben kleinere, unabhängige Verlage mit originellen Veranstaltungsformaten und immer wieder neuen, ausgefallenen Veranstaltungs-Orten seit jeher ein Heimspiel; sie sind verlässlich Magneten für Literaturbetriebs-Arbeiter und Publikum. Doch: Wie verschaffen sie sich die gerade in Pandemie-Zeiten so dringend benötigte Sichtbarkeit? Die Kurt Wolff Stiftung hat das in Kooperation mit der Leipziger Buchmesse gestaltete Forum Die Unabhängigen, in normalen Zeiten Messe-Magnet mit halbstündig getaktetem Programm in Halle 5, in den Westflügel des Lindenfels im Leipziger Westen verlegt. Von dort wird Ende Mai am Donnerstag, Freitag und Sonntag gestreamt. Am Samstag findet endlich die Premiere von „Die Unabhängigen – Spätausgabe“, die bereits 2020 die UV-Lesung ablösen sollte, im Literaturhaus-Garten statt. Konnten sich sonst um die 50 Autorinnen und Autoren präsentieren, sind es nun in dem von Carolin Callies kuratierten Programm immerhin mehr als 20. Das Spektrum reicht vom literarischen Debüt bis zum Lyrikband, von der Graphic Novel zum Essay. Und, oh Wunder: Gesunkene Inzidenzen machen den Besuch aller Veranstaltungen dann auch für ein limitiertes Live-Publikum möglich. Wer das verpasst hat: Auf der Website der Stiftung lassen sich alle Lesungen und die Preisverleihung nachverfolgen.
Lob des Literaturbetriebs: „So viel Geld hab’ ich noch nie gesehen“, soll der Warmbronner Bauern-Dichter Christian Wagner gesagt haben, als ihm 1912 ein Ehrenpreis in Höhe von 2.000 Mark zuerkannt wurde. So erzählt es der Wagner-Kenner und Verleger Ulrich Keicher, als ihm in der Kongresshalle nach Lothar Müllers warmherziger Laudatio ein Scheck über 35.000 Euro ausgereicht wird. Als Keicher die Kunde vom Kurt Wolff Preis erreichte, ging sein nächster Gedanke an ein schlichtes, unauffälliges Bändchen in seiner Bibliothek. Er hatte die „Briefe und Verse aus Goethes Zeit“, gedruckt in der Offizin W. Drugulin zu Leipzig, eine der ersten Veröffentlichungen von Kurt Wolff vor seiner Verleger-Karriere, zu einem Spottpreis antiquarisch gekauft. Wäre ein Reprint nicht ein tolles Mitgebringsel für die Preisverleihung? 80 Seiten allerdings hätten die Möglichkeiten der Warmbronner Manufaktur überschritten, das Buch würde schnabeln. Doch Keicher wurde, mit Hilfe seines Marbacher Freunds Friedrich Pfäfflin, fündig: „Kurt Wolff, Verleger avant la lettre“ heißt die feine Broschur, die zwei Einleitungen Wolffs zu 1909 im Leipziger Insel Verlag erschienenen Buch-Preziosen vereint. Keichers Name erscheint zusammen mit Kurt Wolffs Worten, was für eine schöne Geste: „Wolff war für mich immer schon so etwas wie ein Verlagspatron.“