Als das Kunstmagazin „Art“ vor einigen Jahren über das Druckgrafik-Revival einer jüngeren Künstlergeneration berichtete, lag der Schwerpunkt des Reports auf Leipzig. Kein Wunder, hat sich doch hier, zunächst mit der Baumwollspinnerei als Nukleus, ein ganz neues „Grafisches Viertel“ etabliert. Die Technik ist – in ihrer ganzen Bandbreite von Lithografie bis Hochdruck – vorhanden, auch namhafte Maler der Neuen Leipziger Schule machen Druck; der von Christoph Ruckhäberle gegründete Lubok Verlag oder die Galerie Thaler Originalgrafik ziehen Sammler aus nah und fern an. Zu dieser Szene gehört auch das achtköpfige Künstlerinnen-Kollektiv augen:falter, das sich 2008 mit einem ganz pragmatischen Ansatz formierte – man wollte zusammen auf der Leipziger Buchmesse ausstellen. Natürlich haben sich die Portfolios der einzelnen Künstlerinnen in den letzten zehn Jahren verändert. Die Grundübereinkunft aber blieb konstant: Man arbeitet jährlich an ein bis zwei gemeinsamen buchkünstlerischen Projekten und stellt diese Gemeinschaftswerke neben den eigenen Büchern, Mappen und Grafiken auf Messen in Deutschland und international aus. Fürs laufende Jahr sind allein vier Ausstellungen quer durch Deutschland geplant.
Zwei Mitglieder von augen:falter, die Leipziger Grafikerinnen Katja Zwirnmann und Petra Schuppenhauer, waren es auch, die durch ihre Initiative dem bis 2011 eher stagnierenden Messesegment buch + art, heute Buchkunst & Grafik, neues Leben einhauchten. Gemeinsam mit Wolfgang Grätz (Büchergilde artclub, Frankfurt/Main) suchten sie das Gespräch mit dem Buchmesse-Team, am Ende stand das Konzept für den Marktplatz Druckgrafik, der zur Leipziger Buchmesse 2012 Premiere hatte: Eine neue, zusätzliche Präsentationsfläche, auf der Drucker, Künstler, Galerien, kleine Pressen und Verlage ihre Arbeiten präsentieren können – wesentlich konzentrierter und qualitativ geschlossener als bisher. Während sich die Initiativgruppe mit viel ehrenamtlicher Arbeit, Kontakten und Know-how einbrachte, richtete die Messe ein neues, für Grafikpräsentation optimiertes Standsystem ein, das mit preiswerten Kleinst-Modulen auch für Einzelkünstler erschwinglich ist. Seit 2013 lobt das neu formierte Grafiknetzwerk auch einen Druckgrafik-Wettbewerb aus; den Siegern winken 2-Quadratmeter-Förderkojen auf dem Marktplatz Druckgrafik. Petra Schuppenhauer erinnert sich: „Wir wollten junge Künstlerinnen und Künstler fördern; auch wir galten ja anfangs eher als Grafik-Punks. Und wir wussten, wie groß das Loch ist, in das man nach dem Studium fallen kann. Zudem ist die Druckgrafik-Szene sehr lebendig, sie braucht den Nachwuchs ebenso wie die Sammler-Klientel.“ Zum siebten Mal wurden auf einer Jurysitzung Anfang Januar vier Förderkojen vergeben; Martin König, Andrea Manfredini, Carmen Weber und Gemma Wilson hatten sich im März mit eigenem Ständen präsentiert.
Rund 50 Aussteller finden sich zur Messe am Marktplatz Druckgrafik ein; von Einzelkünstlern und kleinen Pressen wie Jens Henkels burgart presse oder Sabine Goldes Carivari bis zur Pirckheimer-Gesellschaft oder dem artclub der Büchergilde. Petra Schuppenhauer produziert zum Selbstkostenpreis ein Ausstellerheft, das in 5000 Exemplaren erscheint; ihre augen:falter-Kollegin Franziska Neubert betreut Website und Blog des Grafiknetzwerks. Jedes Jahr gibt es am Messe-Donnerstag einen Aussteller-Abend, bei dem sich Künstler und Grafik-Aficionados auch außerhalb des Messegeländes begegnen können. Nach Stationen im „Café Fleischerei“ in der Jahnallee, bei den Buchkindern oder der Grafikdruckwerkstatt im Werk II lädt in diesem Jahr die Leipziger Künstlerin Petra-Natascha Mehler in die von ihr geleitete Siebdruckwerkstatt der HGB. Neben augen:falter und dem Engagement für den Marktplatz Druckgrafik betreiben Petra Schuppenhauer und Franziska Neubert noch das Zweier-Label lieblingsdruck.de; wenn man den beiden in Schuppenhauers Plagwitzer Atelier, zwischen hundert Jahre alten Kniehebelpressen und ganz frischen Arbeiten, beim Pläneschmieden zuhört, springt der Funke schnell über. Ihrer Initiative, die die grafischen Künste wiederbeleben, Newcomer fördern und Leipzig als Treffpunkt der Szene weiter stärken will, wünscht man noch mehr Aufmerksamkeit – und jede Menge zahlungskräftige Sammler. „Das Potenzial ist da“, weiß Franziska Neubert. „Wo, wenn nicht in Leipzig?“
Fotos: [1] Im Reich der Kniehebelpressen: Die Leipziger Künstlerinnen Petra Schuppenhauer (links) und Franziska Neubert (Nils Kahlefendt) [2] Leidenschaft für originalgrafische Techniken: Die Künstlerinnen-Gruppe augen:falter (Andreas Labes) [3] Den Nachwuchs fördern: Jurysitzung zum aktuellen Druckgrafik-Wettbewerb, im Bild Kerstin Grüner, im Buchmesse-Team zuständig für den Bereich Buchkunst und Grafik, Buchmesse-Direktor Oliver Zille und Franziska Neubert (Thomas Müth).