Hinter der alten Fassade am Osloer Sehesteds Gate, wo Gyldendal Norsk seinen Sitz hat, öffnet sich ein imposanter Saal-Neubau, in dessen Zentrum, wie Jonas im Bauch des Wals, ein zweistöckiges Haus steht – die Replik des dänischen Gyldendal-Verlagsgebäudes. Die Geschichte von Gyldendal Norsk beginnt 1925, als das dänische Unternehmen seine norwegischsprachige Abteilung an Investoren aus Norwegen verkauft. Der „Rückkauf“ (Hjemkjøpet) der „Großen Vier“ – Henrik Ibsen, Bjørnstjerne Bjørnson, Alexander Lange Kielland und Jonas Lie – aber auch von Zeitgenossen wie Knut Hamsun, von Harald Grieg nach Oslo gekabelt, galt als Coup.
Gyldendal Norsk ist heute der größte Player in der norwegischen Buch-Industrie. Zum Konzern gehören nicht nur zahlreiche Imprints und Geschäftsbereiche, etwa für Bildung und wissenschaftliche Literatur, sondern auch die mit rund 150 Filialen größte Buchhandelskette des Landes ARK, Onlineshop und App inklusive. Seit letzten Juni wird Gyldendal Litteratur von Ingeborg Volan geführt – die Managerin, die zuvor CEO des Norwegischen Buchklubs und in Führungspositionen von Print- und elektronischen Medien war, vereint Liebe zur Literatur mit profunder Kenntnis aktueller Technologieentwicklungen. Warum hat sie sich, in Zeiten wie diesen, auf einen Buchverlag eingelassen? „Ich bin eine passionierte Leserin! Und muss dennoch sehen, dass diese gute, alte Kulturtechnik in unserer Gesellschaft ein Stückweit auf dem Rückzug ist. Ich möchte dazu beitragen, dass Autoren und Literatur bei uns eine Zukunft haben.“
Ich bin eine passionierte Leserin. Und kenne aus meinen Führungspositionen in den Medien die aktuellen Technologieentwicklungen.
Ingeborg Volan, Verlegerin Gyldendal Litteratur
Während Verlegerinnen mit journalistischer Vergangenheit wie Felicitas von Lovenberg bei Piper hierzulande eher eine Seltenheit sind, scheint es in Norwegen gerade eine Art brain drain starker Medien-Macherinnen in Verlage zu geben. „Herausforderungen wie Digitalisierung oder Künstliche Intelligenz haben die Medien schon länger getrieben als die oft etwas traditioneller aufgestellte Buch-Industrie“, mutmaßt Voland. „Wir haben unsere Lektionen gelernt.“ Eine ähnliche Entwicklung wie beim Gyldendal-Konzern ist bei Norwegens größtem Verlag Cappelen Damm, einer hundertprozentigen Tochter des dänischen Egmont-Konzerns, zu beobachten: Dort hat Sarah Willand, die zuvor für TV 2, den größten kommerziellen Fernsehsender des Landes, tätig war, nach 44 Jahren Tom Harald Jenssen als CEO abgelöst. Eine Zeitenwende.