Das Wort Transparenz könnte für Bahoe Books erfunden worden sein. Die Verlagsräume befinden sich in einem ebenerdigen Gassenlokal mit großen Schaufenstern im 1. Wiener Gemeindebezirk Wir können Rudi Gradnitzer und Leo Gürtler, den aus Kärnten und Niederösterreich zugezogenen Verlegern, quasi bei der Arbeit zuschauen. Der Laden beherbergte früher eine Lederwarenhandlung, mittlerweile ist er das Headquarter von Bahoe Books. Auf der anderen Straßenseite, im Bahoe Art House, präsentieren Gradnitzer und Gürtler regelmäßig Ausstellungen – gleich zur Eröffnung mit Arbeiten von Josef Schützenhöfer, dem derzeit wohl politischsten bildenden Künstler Österreichs, ging es nicht eben lieb und sanft zu.
Kein Wunder: Einen Bahö machen steht im Österreichischen für Aufruhr, Tumult, Lärm – Gürtler und Gradnitzer wollen mit ihrem Verlag „das Signal unter den Geräuschen“ sein. Bahoe ist ein gesellschaftskritischer Verlag, der sich auf Graphic Novels und politisches Sachbuch fokussiert, im Sortiment sind aber auch Belletristik, Kinderliteratur und Kunstbücher. Entstanden ist Bahoe Books Mitte der Nullerjahre aus dem Spektrum der undogmatischen Linken, als in Folge der Bankenkrise Globalisierungsgegner weltweit im Aufwind waren.
„Bevor wir den Verlag gegründet haben“, sagt Gradnitzer, „haben wir mit Samisdat-Literatur, grauer Literatur ohne ISBN-Nummern sehr frei experimentiert“. So stammt das erste Bahoe-Buch eigentlich aus dem Jahr 1936: „Teoria dell’insurrezione“ („Theorie des Aufstands“) von Emilio Lussu ist ein Klassiker des italienischen Widerstands, der seit den 1970er Jahren vergriffen war. Gradnitzer und Gürtler haben das Buch als Reprint wieder zugänglich gemacht.
Nachdem Bahoe seine Bücher lange gegen freie Spenden auf Demos aus dem Koffer vertrieben hat, ist der Verlag seit 2016 ganz offiziell am Markt, mit Auslieferung, Barsortimentsanschluss und Vertretern. Im Comic-Segment ist Bahoe heute sogar der größte Player der Alpenrepublik. Seit geraumer Zeit sind sie auch Mitglied im Hauptverband des Österreichischen Buchhandels, und als Mitglied der Arbeitsgemeinschaft Privatverlage kommen sie in den Genuss staatlicher Verlagsförderung. Ein Professionalisierungs-Schub, der den jungen Wienern aus dem eigenen Umfeld schon mal als „Kommerzialisierung“ um die Ohren geschlagen wird. „Ein Prozess der Veränderung; mitunter schmerzhaft, aber immer spannend“, erklärt Gürtler.
Besonders ins Auge fallen bei Bahoe Sachcomics mit historischen Hintergrund: Eine berührende Biografie des italienischen Juden, Widerstandskämpfers und Holocaust-Überlebenden Primo Levi etwa, oder „Leben und Sterben in Auschwitz“ aus der Feder des Zeichners Dietmar Reinhard. Viele der Bücher sind Übersetzungen. Mit Hilfe eines Beirats, der sich aus Universitäts-Angehörigen rund um den Erdball, aus Aktivisten und Aktivistinnen, Freunden und Bekannten zusammensetzt, versucht man Perlen zu finden, die den großen Mainstream-Comicverlagen entgehen.
Ob man sich an der dauerkriselnden ÖVP abarbeitet, den Autokolumnisten des Magazins „profil“ übers Leben mit vier Rädern schreiben lässt oder dem österreichischen Dream-Team Monika Helfer und Michael Köhlmeier ein Kinderbuch abluchst – wer Harmonie sucht, ist bei Bahoe an der falschen Adresse. Sich fügen hieße lügen. Die Bahoe-Verleger halten es mit der alten Weisheit „Erst denken, dann handeln!“ Die Wiener, die es notorisch lieben, sich zu beschweren, kehren diese Reihenfolge manchmal um – und klopfen erregt an die Schaufensterscheibe in der Fischerstiege. Glücklicherweise haben die Bahoe-Verleger die wunderbare Gabe, negatives Feedback in positive Energien umwandeln zu können.
Veranstaltungstipps zur Buchmesse:
Giulio Camagni: Der Kaiser Maximilian I. Eine Graphic Novel. Stand Gastland Österreich, Halle 4, D 201/E 200, 29. April, 16.30 Uhr
Oliver Schreiber: Die Krise der Volkspartei. Konservative Wende oder konservatives Ende. Leseinsel Junge Verlage, Halle 5, C 200, 27. April, 14.30 Uhr