Welche Rolle spielt Leipzig im Bücherjahr des Merlin Verlags?
Katharina Eleonore Meyer: Leipzig war für uns immer ein erster Höhepunkt im Bücherjahr, ein Bücherfest im besten Sinne. Vor allem ist Leipzig eine Publikumsmesse, auf der wir den direkten Kontakt zu unseren Leserinnen und Lesern finden. Aus all dem folgt, dass die Leipziger Buchmesse für uns auch ein unglaublicher Motivationsgeber ist.
Was haben Sie in Pandemie-Zeiten besonders vermisst?
Meyer: Was für uns fehlt, hat mit den Strukturen im Buchhandel zu tun: Ein Verlag unseres Zuschnitts generiert 80 bis 90 Prozent seiner Umsätze im Barsortiment. Was bedeutet, dass wir häufig nicht wissen, in welchen Buchhandlungen unsere Bücher schlussendlich verkauft werden. An dieser Stelle kommt der Leipziger Buchmesse als Publikumsmesse eine kaum zu unterschätzende Bedeutung zu – weil wir dort mit Lesern und Buchhändlern zusammentreffen.
Sie sind lange auf beiden Messen, in Frankfurt und in Leipzig gewesen…
Meyer: Die Frage, was es „bringt“, hat sich schon mein Vater gestellt, und der ist seit fünfzehn Jahren aus dem operativen Geschäft raus. Zwei Messen pro Jahr zu bespielen, ist für einen kleinen, unabhängigen Verlag ein immenser Kostenfaktor – wir sprechen allein im Fall von Frankfurt von rund 10.000 Euro. 2018 habe ich das erste Mal auf einen Stand in Frankfurt verzichtet, jedoch meine Termine wie gehabt wahrgenommen. Keine leichte Entscheidung: Ich bin Traditionalistin. Ich liebe Rituale, und es fällt mir schwer, auf sie zu verzichten.
Für uns stand die Teilnahme nicht infrage; Leipzig bietet […] den direkten Pfad zum Leser.
Katharina Eleonore Meyer, Verlegerin des Merlin Verlags und Vorstandsvorsitzende der Kurt Wolff Stiftung
Die Zeiten sind hart; waren Sie auch versucht, die verbliebene Messe-Beteiligung einzusparen?
Meyer: Ich kann sehr gut verstehen, dass angesichts der angespannten Situation, mit der wir alle gerade konfrontiert sind, Veränderungen bei Standgrößen und Preisen zu Diskussionen unter den Kollegen führen. Für uns stand die Teilnahme nicht infrage; Leipzig bietet, wie schon beschrieben, den direkten Pfad zum Leser. Und dadurch, dass wir zwar ein urbanes Programm machen, aber nicht in einer Metropole sitzen, brauchen wir die Lebendigkeit und den Input einer Veranstaltung wie in Leipzig. Diese Messe lässt uns dann auch regelmäßig Energie tanken fürs Kommende. Das ist so, wie wenn man in eine gute Buchhandlung geht – man kommt mit etwas raus, was man nicht gesucht hat. Ich liebe diese Zufallsbegegnungen!
Sie haben sich bereits für April angemeldet. Was sind Ihre Erwartungen und Pläne?
Meyer: Wir möchten da anknüpfen, wo wir 2019 aufgehört haben. Wir haben spannende neue Titel, darunter mit „Die Nacht der grünen Fee“ von Ayfer Tunç den Roman einer türkischen Autorin, die noch nicht auf Deutsch publiziert ist. Wir hoffen, dass wir auch noch eine Veranstaltung mit unserem indigenen kanadischen Autor David A. Robertson organisieren können, der eigentlich 2020 nach Leipzig kommen sollte und von dem im Frühjahr ein neues Buch herauskommen wird. Außerhalb des kanadischen Gastlandauftritts wird das ein Kraftakt, aber wir bemühen uns. Last, but not least hat unser Übersetzer Vincent von Wroblewsky seine Autobiografie („Vermutlich Deutscher“) verfasst – angesichts seiner DDR-Geschichte liegt es nahe, auch ihn nach Leipzig zu holen.
Traditionell schenken Verlegerinnen und Verleger der Independents an der Theke des Forums „Die Unabhängigen“ wohlschmeckenden Kaffee aus. Werden wir die Vorstandsvorsitzende der Kurt Wolff Stiftung dort treffen?
Meyer: Das wird eine Premiere für mich. Die Idee ist toll, ich werde dabei sein.