Welche Rolle spielen die großen Buchmessen, und speziell Leipzig, für einen Verlag wie Satyr?
Volker Surmann: Es war, vor 15 Jahren oder so, für uns wichtig, dabei zu sein, und sichtbar zu werden auf der Messe. Als kleinerer Verlag ist man häufig ziemlich unsichtbar. In diesem Sinne war es für uns ein großer Schritt, nach Leipzig zu gehen – ein Schritt, den wir nie bereut haben. Wir sind auch nie wieder weggegangen (lacht)
Haben Sie einen Stammplatz?
VS: Man findet uns ziemlich verlässlich in Halle 5, unweit der Leseinsel der jungen Verlage… Der Gang ändert gelegentlich seine Bezeichnung, aber der Standort ist mehr oder weniger immer derselbe. Wir teilen uns den Stand seit vielen Jahren mit dem Lektora Verlag aus Paderborn. Inzwischen gibt es in Leipzig auch ein Publikum, das uns ganz gezielt ansteuert.

Was macht Leipzig besonders?
VS: Wir sind auf beiden großen deutschen Messen präsent. In Frankfurt organisieren wir mit den Verlagen unserer Vertriebskooperation Buchkoop Konterbande (Assoziation A, Edition Nautilus, Orlanda und Transit) einen Gemeinschaftsstand; durch die Teilung von Standfläche versuchen wir, die Kosten im Griff zu behalten. Da bin ich selbst auch nicht die ganze Zeit vor Ort; wir teilen uns auch in die Präsenzzeiten. Leipzig gebe ich mir dagegen komplett, obwohl die Hotelpreise dort inzwischen fast mit Frankfurt konkurrieren können (lacht). Aber hier treffen wir auf ein lesehungriges und lesewilliges Publikum. Es ist großartig, wie viele Menschen es gibt, die Lust auf Literatur, Lust auf Bücher haben – und die, auch das merken wir, mit gut gefüllten Portemonnaies auf die Messe gehen.
Verkauf spielt also durchaus auch eine Rolle?
VS: Das ist für alle Indieverlage inzwischen sehr, sehr wichtig. Eine Buchmesse kostet unendlich viel Geld, und leider wird Leipzig auch immer teurer. Die Möglichkeit zu haben, das ein Stück weit zu refinanzieren, ist essentiell. Seit der Freigabe des Buchverkaufs klappt das etwas besser. Neben der partiellen Refinanzierung des Standes merkt man auch sofort, welche Titel gut funktionieren – gerade, wenn die Bücher frisch und neu sind, ist das auch ein großes Testlabor.
Gelebte Leserforschung?
VS: Ja, klar! Man bekommt direktes Feedback: Das spricht mich an, das weniger. Hey, das ist ein geiles Cover! Das bekommt man sonst als Verlag relativ selten. Ich liebe es, in Leipzig zu beobachten, nach welchen Büchern das Publikum greift. Natürlich ist es bitter zu sehen, wenn ein bestimmter Titel schnell wieder weggestellt wird. Man zermartert sich dann den Kopf: Was stimmt da nicht am Backcovertext…?
Ich nehme an, dass Sie auch am Lesefest „Leipzig liest“ teilnehmen. Wie wählen Sie da aus? Die Ressourcen sind ja nicht unbegrenzt…
VS: Wir versuchen immer, Autorinnen und Autoren vorzuschlagen für diverse etablierte Formate, etwa für die L3, die Lange Leipziger Lesenacht in der Moritzbastei. Das hat in den letzten Jahren – ich klopfe auf Holz! – immer funktioniert. Wir haben nicht die Kapazität, groß eigene Veranstaltungen zu organisieren, dafür fehlen uns auch die Leipziger Kontakte. Wenn wir allerdings mit einer guten Idee um die Ecke kommen, unterstützt uns auch das Team von Leipzig liest.
Gibt es Orte, die sich über die Jahre besonders bewährt haben?
VS: Wir haben seit acht Messen eine schöne Kooperation mit dem Schauspiel Leipzig. Zusammen mit dem Lektora Verlag organisieren wir eine Poetry Slam- und Spoken Word-Veranstaltung in der Diskothek des Schauspielhauses, die wir „Gipfeltreffen der G 4“ nennen – jeder Verlag schickt dazu zwei Autor:innen ins Rennen.
Haben Sie für uns noch ein Leipzig-Erlebnis für uns, dass sich tief in Verlegerhirn und -herz eingeprägt hat?
VS: Sensationell toll war das Gefühl zur ersten Leipziger Buchmesse nach den Corona-Ausfällen. Die Leute waren glücklich, wieder da zu sein. Das war mit Händen zu greifen. Dass sie uns dabei auch die Stände leergekauft haben, war ein sehr angenehmer Nebeneffekt.

Dr. Volker Surmann, geboren 1972 in Halle/Westfalen, Satiriker, Autor, Vorleser und Verleger. Seit 2010 betreut er als Lektor das Programm des Berliner Satyr Verlags; seit September 2011 ist er alleiniger Eigentümer.
Satyr, fest verankert in der deutschen Lesebühnen- und Poetry-Slam-Szene, wurde 2005 zunächst als Teil eines Kleinkunstnetzwerkes von Peter Maassen gegründet. Mit der Übernahme durch Volker Surmann zog der Verlag aus dem Kreuzberger Graefekiez nach Berlin-Friedrichshain. Die Büroräume in der Auerstraße 23 teilt sich Satyr mit dem Schaltzeit Verlag und dem Sprecher Sascha Tschorn.